Taschenmesser mit drei Zoll Klinge gibt es wie Sand am Meer. Viele besitzen eine Klinge aus feinstem Messerstahl und sind mit edlen Griffmaterialien bestückt. In der mittleren Preisklasse liegt das Benchmade 300 und besitzt nichts von beiden. Eine Klinge aus 154CM Stahl und G-10 Griffschalen – statt Titan und PM-Klingenstahl. Reicht das für ein positives Fazit oder haben wir einen charakterlosen Langweiler vor uns?
Inhalt und Übersicht
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Vor einigen Tagen bekam ich von einem Messerfreund ein Benchmade 300. Dieses Messer ist schon einige Jahre am Markt, dieses Review also beileibe keine Neuvorstellung.
Auf den ersten Blick ist das Messer einfach und bodenständig, ja beinahe etwas unscheinbar. Eine Klinge aus 154CM Stahl ist im Zeitalter der pulvermetallurgischen Superstähle kein Aushängeschild mehr. Schlecht ist 154CM trotzdem nicht, hinter der amerikanischen Bezeichnung verbirgt sich ein guter alter Bekannter: ATS34.
Bevor die Ära der PM-Stähle begann, gehörte ATS34 in Europa zu den besten Klingenstählen für hochwertige Messer. In den USA wurde ATS34 von Crucible Steel unter dem Namen 154CM hergestellt, daher findet sich sehr oft der (fragwürdige) Hinweis, 154CM sei eine amerikanische Erfindung. Ebenso ist kein Geheimnis, dass der industriell hergestellte 154CM nicht immer die Qualität des „alten“ ATS34 erreichte.
Das Benchmade 300 lässt sich auf zweierlei Arten mit einer Hand öffnen. Zum einen ist es als Flipper konzipiert, zum anderen besitzt es auf beiden Seiten der Klinge Thumb-Studs. Als Flipper überzeugt das Benchmade 300 nicht. Das AXIS-Lock übt relativ starken Druck auf die Klingenwurzel aus, sodass das Flippen des Messers nur mit einer unterstützenden Bewegung aus dem Handgelenk möglich ist.
Eine Variante, die allerdings ein wenig Übung benötigt ist, den Pin des Axis Lock mit dem Daumen leicht nach hinten zu ziehen während der Zeigefinger den Kicker bestätigt. Auf diese Weise lässt sich das Benchmade 300 aus einer ruhenden Hand flippen.
Die Daumen-Pins ermöglichen das Anheben der Klinge mit dem Daumen. Der Flipper lässt sich problemlos wie ein Einhandmesser öffnen. Dadurch punktet das Benchmade 300 bei den Öffnungsmöglichkeiten. Das sehr straff eingestellte Axis Lock stellt einen kleinen Nachteil dar, denn die Federspannung ist unangenehm hoch. Dafür kann das Messer von Links- und Rechtshändern gleichermaßen gut bedient werden.
Benchmade 300
Die Drop Point Klinge ist mit einer Stärke von 3,30 mm am Klingenrücken stabil gestaltet, fast die gesamte vordere Hälfte ist als Fehlschärfe geschliffen. Etwa ab der Klingenmitte verjüngt sich die Klinge zur Spitze hin. Der Anschliff ist auf beiden Seiten gleichmäßig; die Schneide ist über ihre gesamte Länge mit einem sauberen Anschliff versehen.
Der Designer des Benchmade 300 ist der amerikanische Messermacher Butch Ball, bekannt durch seine Website „Ball Knives“ . Das Benchmade 300 ist kaum als Design von Butch Ball erkennbar, dessen Messer in der Regel mit Damastklingen und aufwendigen Verzierungen versehen sind. Auch die Form des Benchmade 300 findet sich bei Messern von Butch Ball nur in Ansätzen, offenbar hat der Designer klare Vorgaben hinsichtlich vieler Details gehabt.
Handhabung und Ergonomie
Vorgaben oder nicht, das Benchmade ist in seiner Formgebung sehr harmonisch. Die Handlage ist für Handschuhgröße 10 noch gut, für größere Hände dürfte der Griff etwas zu kurz ausfallen. Für Zeige- Mittel- und Ringfinger besitzt der Griff tief ausgearbeitete Grooves (Aussparungen), der Zeigefinger stützt sich zusätzlich am Kicker der Klinge ab. Durch diese Design-Elemente liegt das Benchmade 300 richtig satt in der Hand. Die Gefahr, mit der Hand nach vorn abzurutschen, ist auch bei großem Kraftaufwand sehr gering.
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Der Aufbau des Benchmade 300 ist ausgesprochen stabil. Unter beiden G-10 Griffschalen bilden zwei etwa 1,5 mm starke Edelstahl-Liner mit drei Spacern ein solides aber schweres Gerüst. Auch die G-10 Griffschalen sind mit jeweils ca. 4 mm üppig bemessen. Insgesamt bringt es der Griff des Benchmade 300 auf eine Breite von rund 1,5 cm.
Obwohl die Grifflänge mit etwas über 10 cm nicht üppig bemessen ist, liegt das Messer durch seinen voluminösen Griff und die griffigen G-10 Schalen gut und sicher in der Hand.
Das Benchmade 300 besitzt einen Taschenclip aus Edelstahl, der als Deep-Pocket Clip ausgeführt ist. Der Clip ist im Verhältnis zur Größe des Messers sehr lang und besitzt hohe Spannung, wodurch das Messer tief und sehr fest in der Tasche sitzt. Der Clip kann wahlweise links oder rechts montiert werden, das Messer muss in jedem Fall Tip-Up getragen werden.
Die Verarbeitung des Messers überzeugt, in diesem Punkt gibt sich Benchmade keine Blöße. Von der Satinierung der Klinge über die Bearbeitung aller Oberflächen, der Passgenauigkeit aller Bauteile und der Justage – nirgendwo bemerkt man Abstriche zugunsten einer aggressiven Preisgestaltung.
Da Benchmade seinem Flipper kein Kugellager spendiert hat und die Klinge auf Bronze-Washern läuft, ist die Leichtgängigkeit gerade noch zufriedenstellend. Wie schon erwähnt, wird die Klinge hauptsächlich durch die Vorspannung des Axis Lock und weniger durch die Klingenachse gehemmt.
Benchmade 300 – Fazit
Benchmade hat mit seinem Modell 300 versucht, einen preisgünstigen und sehr stabilen Flipper auf den Markt zu bringen. Der Listenpreis von 180 Dollar platziert das Messer preislich im Mittelfeld, die Straßenpreise liegen in der USA mit rund 150 Dollar nur leicht darunter. Für den Preis erhält der Kunde einen extrem stabilen Folder mittlerer Größe. Ausgehend von der Stabilität könnte man das Benchmade 300 als „Heavy Duty Folder“ einstufen, ohne dass das Messer in irgendeinem Konstruktionsdetail unharmonisch gestaltet ist.
Das Benchmade 300 wirkt gedrungen. Der Taschenclip ist funktionell aber keine Schönheit.
Auf edle Materialien, Hightech-Lösungen oder einen pulvermetallurgischen Klingenstahl muss man verzichten, was angesichts des Preises in Ordnung geht. Das Benchmade 300 ist ein gradliniges Arbeitstier. Praktisch, solide, ohne Schnörkel aber uneingeschränkt funktionell. Es eignet sich als EDC und taugt auch als Ergänzung zu einem Fixed bei Outdoor-Aktivitäten.
Was dem Messer fehlt, ist der Flair des Besonderen. Es wirkt langweilig und viele Messerfans werden dem Benchmade 300 nicht viel abgewinnen können. Während der Tage, in denen es mich als EDC begleitet hat, habe ich das Messer trotz anfänglicher Skepsis schätzen gelernt. Es ist auf unspektakuläre Weise arbeitsam, wenn auch nicht hoch effektiv. Der Klingenstahl ist heute nicht mehr zeitgemäß, viele Hersteller bieten in dieser Preiskategorie bereits aktuelle pulvermetallurgische Stähle an.
Das Benchmade 300 ist nicht charakterlos, aber dennoch ein Langweiler!
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Links, technische Daten und Bewertung
- Knife-Blog Artikel: Verriegelungssystem Axis Lock
- Knife-Blog Thema: Benchmade
- Benchmade: Homepage
- Pro & Contra: Wie Knife-Blog wertet
Benchmade 300 | Daten und Ausstattung |
---|---|
Messertyp | Flipper mit Axis Lock Klingenverriegelung |
Klingenlänge / Schneide | 80,7 mm / 81 mm |
Klingenstärke | 3,3 mm |
Klingenform | Drop Point mit Flachschliff und sehr hoher Gratlinie |
Klingenstahl | 154CM |
Länge offen / geschlossen | 182 mm / 104 mm |
Griffmaterial | G-10 |
Gewicht | 138 Gramm |