Editions-G Bullet Review

Bullet – Editions G – Midtech von Gudy van Poppel

„Editions G“ nennt sich ein neues Projekt in der Messerszene, dass eine Brücke zwischen Custom Knives, Serienfertigung und bezahlbaren Messern schlagen möchte. Der Kopf hinter „Editions G“ ist Gregory Pohl, Gründer und Organisator der „Euro Knife Show“ in Straßburg. Hinter „Editions G“ steht der Gedanke, „Custom Knive Edition“ genannte Sondermodelle nach Designs bekannter Messermacher anzubieten, wobei die Qualität auf Custom-Niveau liegen soll. Der Plan ist ambitioniert und sofort stellt sich die Frage, ob der Spagat zwischen großen Namen, Topqualität, limitierten Auflagen und bezahlbaren Preisen gelingen kann. Das neueste Produkt von „Editions G“ ist der Folder „Bullet“ aus der Feder des niederländischen Messermachers Gudy van Poppel.

Das Konzept von „Editions G“ entspricht weitgehend dem bekannten Prinzip der Midtech-Messer. „Das ist doch nichts Neues, die gibt es doch schon ewig“, höre ich den einen oder anderen Leser nörgeln. Stimmt aber nur bedingt, denn Gregory Pohl verfolgt tatsächlich einen neuen Ansatz. Bei der herkömmlichen Vermarktung von Midtech Modellen muss der Messermacher selbst einen Hersteller finden und sich Gedanken um die Wirtschaftlichkeit des Projekts machen. Auch um Marketing und Vertrieb muss er sich selbst kümmern.

„Editions G“ übernimmt als professionelles Management alle Schritte zwischen Entwurf und Verkauf. Dazu gehört auch die zeitaufwendige, aber ungemein wichtige Qualitätskontrolle, deren Kompromisslosigkeit am Ende darüber entscheidet, ob das Produkt als Erfolg endet oder von wütenden Kunden in Online-Foren zerrissen wird.

Bullet von Gudy van Poppel by Editions G

Der Begriff Midtech hat sich für Kleinserien hochwertiger Messer eingebürgert, die auf Designs namhafter Messermacher beruhen und von Lohnunternehmern hergestellt werden. Wer nicht mittlere vierstellige Dollar- oder Euro-Beträge für Einzelstücke ausgeben kann oder möchte, findet im Midtech Segment ein großes Angebot von Messern mit klangvollen Namen zu bezahlbaren Preisen. Dabei bürgen Begriffe wie „Midtech“ oder „Semi-Custom“ nicht automatisch für Qualität – tatsächlich reicht das Angebot von exquisiten Messern bis zu neppverdächtigem Plunder.

Editions-G Bullet von Gudy van Poppel, Lockside
Nicht bei jedem Midtech wird die Handschrift seines Designers so deutlich, wie beim Bullet von Gudy van Poppel

Neben Authentizität und Qualität gibt es ein weiteres Kriterium, das entscheidende Prägekraft für Wert und Werthaltigkeit eines Messers besitzt: die Auflage. Einige Midtech werden in vieltausendfacher Auflage produziert und über Jahre vertrieben, andere erscheinen in einer einzigen, limitierten Auflage. Letzteres mindert den Wertverlust entscheidend und hebt gleichzeitig die Exklusivität des Messers. Auch Gregory Pohl hat sich für diesen Weg entschieden und bietet von jedem „Editions G“ Messer nur 300 nummerierte Stücke an.

Das Bullet ist schon auf den ersten Blick ein typisches „Poppel“ und zeigt die gleichen Gene wie die berühmten Tactical Flipper des Holländers und natürlich seine handgearbeiteten Bullet Modelle. Tatsächlich bleibt Gudy beim Design des „Editions G“ Messers sehr nah bei Formen und Linien seiner Custom Modelle. Das ist keine Selbstverständlichkeit in der „Midtech-Szene“. Viele Macher grenzen diese Messer deutlich gegenüber ihren Customs ab. Bei Gudy van Poppel spürt man jedoch weder Berührungsängste noch den Versuch einer Abgrenzung – Messer und Macher sammeln die ersten Pluspunkte, bevor der Folder überhaupt auf dem Tisch liegt.

Design, Technik, Abmessungen

Das Bullet ist ein stattlicher Framelock Folder mit einer 93 Millimeter langen und 4 Millimeter starken Klinge aus M390. Der pulvermetallurgische Stahl von Böhler Uddeholm lässt sich bei guter Zähigkeit bis auf rund 60 HRC härten und verfügt über ausgezeichnete Allround-Eigenschaften. M390 ist in den letzten Wochen und Monaten zum Dauergast in Knife-Blog Reviews geworden und scheint CPM-S35VN in der Gunst europäischer und asiatischer Hersteller verdrängt zu haben.

Editions-G Bullet von Gudy van Poppel, Klingenform

Ein Taschenmesser mit Bowie Klinge sieht man nicht alle Tage!

Der Stahl ist toll“, sagt Gudy im Knife-Blog Interview, „M390 ist hart, aber jeder Messerfan kann ihn noch selbst schleifen. Natürlich könnte ich einen superharten Stahl nehmen und die Härte bis auf 67 HRC ausreizen, aber wer schleift die Messer dann? Und“, Gudy grinst, „niemand braucht eine härtere Klinge an einem Folder, oder?

Die Klingenform des Bullet ist markant! Eine Bowie Klinge mit auffällig kleinem Radius in der Aufwärtsrichtung der Schneide. Der enge Radius lässt die Klinge wuchtiger und stabiler wirken, aber auch die Klingenhöhe ist größer gewählt, als man bei einer Bowie Klinge erwarten würde. Insgesamt eine robuste Klinge, der eine vier Zentimeter lange Hohlkehle nicht nur etwas Gewicht spart, sondern der ansonsten schmucklosen Klinge einen optischen Ankerpunkt verleiht.

Böhler M390
C Cr V Mo Mn Si W
1,90 % 20,0 % 4,0 % 1,0 % 0,30 % 0,7 % 0,60 %

Die Erscheinung der Klinge hält Gudy van Poppel bewusst schlicht – keine Gravur, kein Laserlogo und noch nicht einmal ein Hinweis auf die Stahlsorte stören das dezent matte Stonewash Finish. Der Aufwand beim Finish steckt eher bei der Bearbeitung von Klingenrücken, Ricasso und Kicker, die handfreundlich gerundet und poliert sind.

So wiedererkennbar wie die Klinge ist auch der Griff. Vorder- und Rückseite der Titangriffschalen besitzen tief eingefräste Rillen. Dabei bilden Rillen und die dazwischen liegenden, erhaben Flächen kein regelmäßiges Muster. „Ich mache das in meiner Werkstatt mit einer kleinen Fräse“, erzählt Gudy, „bei der Serienfertigung war die Struktur der Griffschalen eines der größten Probleme und wir haben lange diskutiert, bis eine technische Realisierung gefunden wurde, die mich zufriedengestellt hat“.

Die Entstehungsgeschichte des Bullet

„Wir“ – das sind Designer Gudy van Poppel, Projektleiter Gregory Pohl sowie Techniker und Chef der Firma, die das Messer herstellen soll. Der eine oder andere Leser mag es erraten haben, das Bullet von „Editions G“ kommt nicht aus China, sondern von LionSteel aus Maniago.

Als mir Gudy im Interview die – gerüchtweise bekanntgewordene – Herkunft des Messers bestätigt, kann ich mein Erstaunen nicht verbergen. Zwar weiß jeder Messerfan spätestens nach dem Hattrick bei den Blade Show Awards um das Potenzial der Italiener, viele kennen aber auch Fälle, wo dieses Potenzial nicht vollständig abgerufen wurde. Beim Bullet haben Gianni und seine Mannschaft allerdings keinen Zentimeter verschenkt und ein wirklich ordentliches Messer abgeliefert.

Neben dem mir vorliegenden Testmesser mit der Seriennummer 089 konnte ich zwei weitere Bullet in Augenschein nehmen. Exemplarstreuung ließ sich dabei nicht feststellen. Hinsichtlich Oberflächenbearbeitung, Finish und Justage lagen alle drei Messer auf dem gleichen hohen Niveau. Natürlich kann ich mir nicht verkneifen, Gudy nach Einzelheiten aus der Zeit der Entwicklung zu fragen und er gab bereitwillig Auskunft.

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Gudy van Poppel zur Entwicklung des Bullet

Gudy van Poppel im Interview bei Knife-Blog:

Vom ersten Pinselstrich bis zum Beginn der Serienfertigung sind zehn, vielleicht elf Monate vergangen. Zunächst habe ich Ideen formuliert und Skizzen gezeichnet. In meiner Werkstatt habe ich einige Prototypen gebaut, an Detaillösungen gefeilt, das Konzept verbessert und schließlich den fertigen Entwurf in eine DXF-Datei (CAD Vektor Grafik) übertragen.

Im nächsten Schritt habe ich einen handwerklichen Prototypen als Konzeptstudie gebaut, anschließend haben Gregory und ich das Projekt mit LionSteel besprochen. Als sie die Struktur des Griffs sahen, wussten die Techniker nicht, wie sie es für ihre Maschinen umsetzen können.

Ich kann heute nicht mehr sagen, wie lange wir die Details des Messers diskutiert haben, aber es waren viele, viele, viele Stunden. Natürlich rücke ich wegen technischer Schwierigkeiten nicht von meinem Entwurf ab. Die Realisierung muss durch Anstrengungen der Techniker und nicht durch eine Vereinfachung des Designs gelöst werden.

Gudy van Poppel im Knife-Blog Interview

Messermacher und Designer des Bullet ist der Niederländer Gudy van Poppel.

Bullet - Editions G - Midtech von Gudy van Poppel 3

Gregory Pohl hat in dieser Phase eine entscheidende Rolle gespielt. Er ist ein unheimlich netter, liebenswürdiger Typ, aber wenn es um die Qualität eines Messers geht, kennt er kein Erbarmen. Ich glaube wir haben allein zwei Stunden über das Aussehen eines Schraubenkopfes diskutiert.

Irgendwann hatten wir ein abstraktes Modell für die Serienproduktion fertig und während ich den finalen handwerklichen Prototypen gebaut habe, hat LionSteel seinen Prototypen entwickelt. Die beiden Messer haben wir nebeneinandergelegt, verglichen und letzte Änderungen für die Produktion festgelegt. Das hört sich harmlos an, aber es hat lange gedauert und wir haben um manches Detail regelrecht gerauft.

Ich bevorzuge zum Beispiel einen straffen Detent, Gianni und Gregory war aber wichtig, dass jede Frau und jeder Mann das Messer bequem öffnen kann. Wir haben Winkel, Materialstärken und den Federdruck des Liners solange Hin und Her gerechnet, bis schließlich ein praxistauglicher Kompromiss auf dem Tisch lag.

Nicht viel anders war es bei der Gestaltung des Taschenclips und wieder war es Gregory, der die aufwendigste aber auch schönste Variante in eine praxistaugliche Lösung konvertiert hat.

Gudy van Poppel im Knife-Blog Interview

Einblicke in die Entwicklung eines Messermodells werden uns nur sehr selten gewährt doch Geheimniskrämerei liegt Gudy van Poppel nicht. „Wer ein Messer von mir kauft“, verrät er gegen Ende des Interviews, „kauft auch ein Stück von mir. Er ist durch ein unsichtbares Band mit mir verbunden und ich schätze das Vertrauen der Leute in meine Arbeit sehr. Deshalb macht es mir Spaß, darüber zu berichten…

Ein Detail von Gudys Konzept fällt sofort ins Auge: die von einem großen, bronzefarbenen Ring umgebene Achsschraube. Was auf den ersten Blick nach einem Gestaltungselement aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als technische Finesse. Der Bronzering übt Druck auf die Lockbar aus und erlaubt durch Feinjustieren der Achsschraube die Stärke des Detent anzupassen. Gleichzeitig fungiert sie als Überdehnschutz für die Lockbar.

Die Klinge läuft zwischen zwei Kugellagern auf einer sechs Millimeter starken Achse. Dadurch erhält die wuchtige Klinge genügend Stabilität und wird perfekt zentriert. Die Flipper-Eigenschaften sind ausgezeichnet, aber das Bullet lässt sich auch als Einhandmesser bedienen. Die Hohlkehle – für die Pazifisten unter meinen Lesern vermeide ich natürlich die Formulierung „Blutrinne“ – dient dem Daumen dabei als Druckpunkt.

Editions-G Bullet Taschenmesser
Das Bullet ist das bisher spektakulärste Projekt von Editions G

EditionsG Bullet – Preis und Zubehör

„Editions G“ bietet das Bullet für 420,- Euro an. Zum Lieferumfang gehören eine stabile Box und ein Fläschchen Nano-Oil. Die Box ist hochwertig und duldet keinen Vergleich mit den windigen Schächtelchen, die manch anderem hochpreisigen Messer zugemutet werden. Die Box besitzt links und rechts Ösen, so dass durch die Anbringung eines kleinen Schlosses der §42a WaffG konforme Transport des Messers möglich ist. Auf dem Deckel prangt ein großes „G“, das Markenzeichen von „Editions G“.

Die Presentation Box von Editions G enthält neben dem Messer eine Ampulle Nano-Oil und das Zertifikat. Das Nano-Oil der amerikanischen Firma StClaire ist frei von PTFE (Polytetrafluorethylen), das als reproduktionstoxisch und potentiell krebserregend gilt. Mit 10 Milliliter ist der Ölvorrat üppig bemessen und dürfte für die Restlaufzeit unseres Planeten locker ausreichen.

Gudy empfiehlt, das Nano-Oil sparsam zu verwenden, denn die Lager der Klinge brauchen selbst nach einer Grundreinigung nur ein winziges Tröpfchen Schmiermittel. Ebenfalls im Lieferumfang enthalten ist ein von Gregory Pohl unterzeichnetes Zertifikat.

„Editions G“ hat mit der Midtech-Variante von Gudy van Poppels Bullet ein gelungenes und sehr hochwertiges Messer präsentiert. Die knallharte Durchsetzung von Gregorys Qualitätsmaßstäben zeigt sich in allen Details von Funktion, Finish, Klingenschliff und Justage. Innerhalb der Riege der bei Knife-Blog getesteten Midtech-Folder kann einzig das Kaiken von Begg Knives / Steelcraft in Sachen Wertigkeit mithalten, wohingegen manch anderes Messer mit klangvollen Namen deutlich abfällt.

Dieser Eindruck bestätigt sich auch in der Praxis. Die Form verleiht der Klinge nicht nur viel Stabilität, sondern lässt sich auch jede denkbare Alltagsaufgabe mit Bravour lösen. Der Anschaffungspreis relativiert sich beim Blick auf das Marktsegment großer Titan Framelock Folder, denn ein auf dreihundert Stück limitiertes Messer eines bekannten Custom-Makers ist für diesen Preis eine Rarität.

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Editions G – BulletDaten und Ausstattung
Messertyp Titan Framelock Flipper
HerstellerLionSteel, Design Gudy van Poppel
Modell Bullet
Klingenlänge / Schneide93 mm / 101 mm
Klingenstärke4 mm
Klingenform Bowie
Klingenhöhe28 mm
KlingenstahlBöhler M390
Länge offen / geschlossen220 mm / 125 mm
GriffmaterialTitan
Gewicht154 Gramm
Bullet von Editions G
In einem Satz:
Das von Gudy van Poppel entwickelte Taschenmesser schlägt eine bezahlbare Brücke zwischen Custom und Serienmesser.
Klingenstahl
Anschliff
Design, Praxistauglichkeit, Sicherheit
Material- und Verarbeitungsqualität
Ergonomie und Justage
Preis-Leistungs-Verhältnis
4.5
Knife-Blog Wertung