Dragon von Aleksandr Cheburkov Review

Der russische Drache – Dragon von Aleksandr Cheburkov

Beinahe alle Messer, egal ob Custom oder Serienprodukt, lassen sich einer gängigen Grundform zurechnen. Diese Formen sind vom Publikumsgeschmack aber vor allem durch Erkenntnisse aus der Praxis diktiert. Wenn heute ein Designer bei Klingenform und Griff einen neuen Weg geht, ist das Risiko nicht gering, mit einem ungewöhnlichen aber wenig praxistauglichen Messer zu enden. Als Aleksandr Cheburkov vor einigen Monaten seinen „Drachen“ vorgestellt hat, offenbarte der Folder in so vielen Details ungewöhnliche Lösungen, dass die Frage nach den praktischen Fähigkeiten des Messers unweigerlich im Raum stand. Deshalb hat Knife-Blog dem Dragon von Aleksandr Cheburkov gründlich auf den Zahn gefühlt.

Inhalt und Übersicht

Die Firma „Tools for Gents“ ist Generalimporteur der Messer von Aleksandr Cheburkov in Westeuropa. Bis zur IWA Outdoor Classics 2017 war Aleksandr in Deutschland und Westeuropa so gut wie unbekannt. Während der viertägigen Ausstellung in Nürnberg wurde die weltweite Messerszene auf den Russen aufmerksam und Stand der „Gents“ war von morgens bis abends eng umlagert.

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Die Reaktionen waren einhellig und selbst namhafte Konkurrenten aus Europa, China und den USA konnten nicht umhin, dem russischen Messermacher Respekt zu zollen.

Der amerikanische Traum in der Messervariante: Von null auf hundert in vier Tagen!

Inzwischen ist Aleksandr Cheburkov zu einem Star der Szene aufgestiegen.

Zwei Messer aus der kleinen Manufaktur in Pawlowo mussten bei Knife-Blog bereits zum Review antreten und beide konnten exzellente Ergebnisse erzielen. Das Tukan, ein Framelock Folder mit Drop Point Klinge, folgt bei Form und Proportionen den bewährten Prinzipien der Gestaltung von Einhandmessern. Noch charakteristischer ist Cheburkovs Flipper „Russki“, dessen geschwungene Klinge sofort ins Auge fällt und die beinahe ein Alleinstellungsmerkmal in der Messerwelt darstellt. Das Messer im heutigen Review fällt allerdings noch zwei Nummern ungewöhnlicher aus.

Dragon von A. Cheburkov

Die Klinge des Drachen besteht aus einem speziellen, von Aleksandr Cheburkov selbst entwickelten Mehrlagenstahl und verfügt für einen Folder über eine höchst ungewöhnliche Form. Unwillkürlich fühlt man sich bei der Linienführung an eine Mischung aus traditionellen japanischen Hamidashi und Aikuchi erinnert. Aikuchi besitzen eine etwa 30 cm (1 Shaku) lange, feststehende Klinge. Sie wurden ab dem frühen 17. Jahrhundert in Japan von Samurai getragen, die ihre Militärzeit hinter sich hatten. Obwohl Aikuchi zu den Kampfmessern gezählt wurden, galten sie nie als Angriffswaffe und deuteten nur an, dass ihr Besitzer bereit und fähig war, sich im Fall des Falles gegen einen Angriff zu verteidigen.

Dragon von Aleksandr Cheburkov
Dragon von Aleksandr Cheburkov

Die Klingenform ist genauso markant wie ungewöhnlich. Der Klingenrücken verläuft von der Klingenwurzel völlig gerade. Die Schneide hingegen beginnt am Ricasso beinahe gerade und beschreibt im Verlauf einen Aufwärtsbogen mit kontinuierlich zunehmendem Radius. Das ist genauso kompliziert, wie es klingt! Weniger technisch ausgedrückt: Die Schneide beginnt am Ricasso mit einer flachen Kurve, die in Richtung Klingenspitze immer enger wird.

Die Spitze der liegt dabei auf der Ebene der Schneide. Eine beidseitig geschliffene, scharfe Schneide verläuft in gerader Linie bis zum Klingenrücken. Für diese Klingenform existiert kein Äquivalent und dementsprechend auch keine Bezeichnung. Man könnte diese Form umgangssprachlich als „Reversed American Tanto“ bezeichnen.

Die Klinge des Русский дракон, des russischen Drachen, wirkt auf den ersten Blick simpel. Erst bei näherem Hinsehen offenbaren sich zahlreiche Feinheiten. Die Kanten des Klingenrückens besitzen auf beiden Seiten eine Facette. Die Breite der Facette ist an der Klingenwurzel sehr gering und nimmt kontinuierlich in Richtung Spitze zu.

Dragon von  Cheburkov - Facettierung der Klinge

Das gleiche Prinzip wiederholt sich bei der Querschneide. Dort nimmt die Breite der Facettierung gleichmäßig in Richtung Spitze ab.

Das Schleifen solcher Facetten braucht nicht nur einen exzellenten Handwerker, es braucht auch Mut. Jede kleine Unachtsamkeit am Bandschleifer würde die aufwendig geschmiedete Klinge zu einem Fall für den Mülleimer werden lassen.

Der Klingenstahl ist nicht weniger spannend wie die Form der Klinge. Der Stahl ist ein Laminat aus einem extrem harten Stahl in der Mitte und elastischen Stählen an den Flanken. Laminatstahl ist für sich genommen keine Innovation. In den meisten Fällen wird ein harter aber spröder Schneidstahl durch zwei Schichten eines rosträgen und (meistens) preisgünstigen Stahls (z. B. AISI 420) flankiert. Solche Klingen gibt es von zahlreichen Messerherstellern, die Palette reicht von Strider Knives bis zu Fällkniven.

Allerdings hat Aleksandr Cheburkov noch richtig einen draufgesetzt: Die Flankenstähle bestehen nicht aus einem einfachen Werkzeugstahl, sondern aus filigran zeichnendem Schichtdamast. Entlang des Klingenrückens und der Querschneide ist der harte, dunkle Schneidstahl sichtbar. Auf dem Klingenblatt von der Schneide bis zur hoch angesetzten Gratlinie sind die einzelnen Damastlagen der Flankenstähle gut erkennbar. Bei der Klinge des Dragon hat Aleksandr die Technik der San Mai ()Stähle in eine neue Sphäre transponiert!

Dragon vvon Aleksandr Cheburkov

Welcher Schneidstahl und welche Monostähle im Damast verarbeitet sind, war lange Zeit ein gut gehütetes Geheimnis. Die Patentanmeldung ist bis jetzt noch nicht abgeschlossen aber für Knife-Blog hat Aleksandr Cheburkov jetzt einige Fakten zur Veröffentlichung freigegeben.

Die Mittellage des Laminats besteht aus GOST X12MF, das ist mehr oder weniger die russische Variante des Werkzeugstahls D2. Die Anteile der Legierungselemente unterscheiden sich nur bei den hinteren Nachkommastellen. Einziger signifikanter Unterschied ist ein geringer Kupferanteil beim GOST X12MF.

Die Klinge ist auf 61 bis 62 HRC gehärtet. Der Damaststahl an den Flanken besteht nicht – wie üblich – aus zwei verschweißten Stählen, sondern aus vier Stählen mit insgesamt bis zu 137 Schichten.

Dabei werden Exoten wie der 2014 von A.N. Velikodnyi beschriebene 08Cr18Ni10Ti, GOST 40X13 sowie der 50H14MF aus den Zlatoust Werken eingesetzt (). Im Ergebnis entsteht ein zäher, widerstandsfähiger und sehr korrosionsträger Damast für die äußeren Schichten des Laminats.

Sechs lange Absätze über die Klinge eines Folders – das dürfte aktueller Rekord bei einem Knife-Blog Review sein. Trotzdem ist noch nicht alles erzählt. Die Stärke des Klingenrückens beträgt vier Millimeter und bleibt bis zum Winkel mit der Querschneide identisch. Die Facettierung von Klingenrücken und Querschneide lassen die Klinge filigraner wirken, als sie tatsächlich ist. Der Kicker setzt beim Dragon von Aleksandr Cheburkov direkt hinter der Schleifkerbe an und ist auffallend klein gehalten. Obwohl er den Griff im geschlossenen Zustand nur um vier Millimeter überragt, lässt sich das Messer ohne Kraftaufwand flippen.

Cheburkov Dragon – Aufbau und Justage

Mit dem Begriff „flippen“ kommen wir zur Königsdisziplin dieses Messers. Es gibt Flipper, Flipper und das Dragon von Aleksandr Cheburkov. Die 100 Millimeter lange Klinge benötigt nur einen minimalen Impuls mit dem Kicker, um ins Lock zu wandern. Dass man dabei richtig Masse bewegt, fällt durch die Geometrie des Messers und den gut platzierten Drehpunkt der Klinge kaum auf. Der Detent ist ultrasoft, hält die Klinge aber trotzdem sicher fest. Die Justage des Messers ist fein abgestimmt.

Beide Griffschalen bestehen aus anodisiertem Titan und besitzen auf dem erhabenen Mittelteil filigrane Fräsmuster.

Vielen Messerfans gelten die mit aufwendigen Mustern versehenen Griffschalen chinesischer Top-Produzenten als Spitze der Frästechnik, aber Aleksandr Cheburkov legt auch in diesem Punkt die Messlatte weiter nach oben.

Die gefrästen Strukturen sind ultrafein und zeigen trotzdem nicht den geringsten Bearbeitungsfehler. Backspacer und Taschenclip bestehen ebenfalls aus Titan und sind in identischer Farbgebung anodisiert. Farbfehler lassen sich weder an den sichtbaren, noch an den verdeckten Flächen ausmachen.

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Der Lock Arm des Frame Lock steht bei etwa 20 Prozent, verriegelt die Klinge aber absolut sicher. Ein auswechselbarer Stahleinsatz am vorderen Ende des Lock Arms beugt Verschleiß vor. Wie auch bei anderen Foldern aus dem Hause Cheburkov sind Detent Ball und ein Überdehnschutz in den Stahleinsatz integriert. Dadurch können alle drei Elemente durch Austausch eines einzigen Bauteils schnell und kostengünstig erneuert werden.

Dass die Klinge mittig steht, das Entriegeln des Locks spielerisch leicht geht und die entriegelte Klinge von allein zwischen die Griffschalen gleitet, wenn man das Messer senkrecht hält, erwähne ich nur der Vollständigkeit halber. Der Klingenschliff besitzt perfekte Symmetrie und ist entlang der gesamten Schneide winkelstabil. Die Schärfe der Klinge ist sehr gut (9.5/10).

Dankenswerterweise geht Aleksandr Cheburkov mit Gravuren sparsam um. Während manche Hersteller halbe Romane auf das Klingenblatt lasern, besitzt der Drache nur das kleine Signet seines Herstellers auf der linken Klingenseite sowie die Zahl des Herstellungsjahres auf der rechten Seite des Kickers.

In der Praxis erweist sich das Dragon als und zuverlässiger und vor allem alltagstauglicher Begleiter. Handlage und Ergonomie sind gut. Obwohl die Form des Griffs weder Fingermulden noch eine Wölbung für den Handrücken aufweist, überrascht der Drachen mit guter Ergonomie und bequemer Handlage. Zudem eignet sich das Dragon für große und kleine Hände und lässt sich auch mit Handschuhen gut halten und bedienen.

Die Form der Klinge zeigt sich im Alltag nicht als unpraktischer Design-Ballast, sondern als praxistaugliches Werkzeug. Durch die leicht gebogene Schneide konzentriert sich die Kraft beim Schneiden immer auf eine sehr kleine Fläche. Dadurch kann man einerseits den Kraftaufwand reduzieren, anderseits wirkt die Klinge subjektiv noch schneidfreudiger, als sie ohnehin ist. Boxcutter, Brotzeitmesser, EDC – der russische Drachen macht in jeder Disziplin eine gute Figur.

Dragon von Aleksandr Cheburkov

Der Dragon von Aleksandr Cheburkov hat einen großen Nachteil: Seine limitierte Auflage! Nur 100 Stück dieses Messers werden für den Weltmarkt gefertigt. Alle tragen die Seriennummer auf der Innenseite des Backspacers. Anfangs war sich Aleksandr nicht sicher, ob er tatsächlich einhundert Drachen verkaufen kann, aber die Messerfans in aller Welt reißen ihm das Modell regelrecht aus der Hand.

Trotzdem bleibt es bei der ursprünglich geplanten Auflage. Außer der Kleinserie gibt es nur noch eine Handvoll Dragon als echte Customs. Manche besitzen Griffschalen aus Timascus, andere sind mit Inlays aus Edelmetallen verziert. Letztere sind allerdings so selten und teuer, dass sie fast ausnahmslos in den Vitrinen begeisterter Sammler verschwinden und in freier Wildbahn kaum mehr auftauchen werden.

Dragon von Cheburkov - Titan Griff

Keine Drachenschuppen aber ein komplexes Muster aus erhabenen und eingefrästen Strukturen.

Kommen wir zum Preis. Dass es dieses Messer nicht am Black Friday im Ausverkauf gibt, versteht sich von selbst. Schwarz vor Augen wird nur manchem Messerfan beim Blick aufs Preisschild. Knapp 1300 Euro muss man für einen Drachen aus der Hosentasche ziehen. Ist das Messer diesen Preis wert?

Um die Frage zu beantworten, muss man den Preis in Relation zum Gebotenen und zu Konkurrenzprodukten setzen. Und man muss berücksichtigen, dass die Bewertung des Preis-Leistungs-Verhältnisses in der Messeroberklasse anderen Kriterien folgt, als bei beliebig verfügbarer Serienware.

Custom, Midtech oder Serienmesser?

Der Dragon von Aleksandr Cheburkov ist per definitionem kein Custom, sondern ein in limitierter Auflage gefertigtes Midtech. Die begrenzte Produktionszahl ist ein wertsteigerndes Element. Der Begriff „Midtech” ist mittlerweile ziemlich ramponiert. Viele amerikanische Custom Maker vermarkten unter diesem Begriff von ihnen designte Modelle, die dann irgendwo preisgünstig zusammengeschustert werden. Zu dieser Gruppe gehört das Dragon von Aleksandr Cheburkov nicht; das Messer entsteht in Pawlowo und liegt in Sachen Qualität auf allerhöchstem Niveau.

Technik und Design des Messers sind ausgefeilt, wobei die Gestaltung so außergewöhnlich ist, dass man von einem Alleinstellungsmerkmal sprechen kann. Die Klinge aus dem aufwendig geschmiedeten “Vierfach” Damast mit Monostahlkern ist in jeder Hinsicht ein Traum. Die Verarbeitung des Messers bietet selbst im letzten Detail keinen Ansatz für Kritik. Griff, Clip und Spacer sind optisch gelungen – alle Komponenten fügen sich harmonisch zu einem einzigartigen Messer zusammen. Von CNC-Tristesse keine Spur. Man merkt dem Messer die Feinarbeit an, die sein Designer in die Entwicklung gesteckt hat.

Das Dragon von Aleksandr Cheburkov liegt preislich etwa auf dem Level eines Strider Performance aber deutlich unter den Preisen für Customs von namhaften amerikanischen Manufakturen. Dort bekommt man für 1300 Euro mit Ach und Krach das Einsteigermodell.

Gegenüber den teuersten Serienmessern, zu denen man auch das Spyderco Nirvana oder Messer von Shirogorov rechnen kann, besitzt Cheburkovs Drache langfristig Potenzial zum Werterhalt. Das Risiko, auf dem Sammlermarkt schon wenige Monate nach dem Kauf deutliche Abschläge hinnehmen zu müssen, halte ich bei diesem Messer für gering.

Was soll ich sagen? Eintausenddreihundert Euro für ein Taschenmesser sind immer unvernünftig. Egal wer oder was auf der Klinge steht. Wenn man jedoch das Messer als Kunstwerk mit einer Klinge aus innovativem Laminatstahl begreift, kann man das Gefühl der Unvernunft ausgezeichnet verdrängen. Spaß macht der Drachen auf jeden Fall und die Flipper Action ist nicht nur ein paar Euros extra Wert, sie eignet sich auch als Referenz für zukünftige Reviews.

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Links und Bewertung

Dragon von Aleksandr Cheburkov
In einem Satz:
Das Dragon ist eine Augenweide mit praktischen Qualitäten.
Klingenstahl
Anschliff
Design, Praxistauglichkeit, Sicherheit
Material- und Verarbeitungsqualität
Ergonomie und Justage
Preis-Leistungs-Verhältnis
4.8
Knife-Blog Wertung