Extrema Ratio Defender Review

Extrema Ratio Defender – Tactical Backup

Die italienische Firma Extrema Ratio gilt nicht gerade als Leisetreter in Sachen Messer-Design. Viele Modelle aus Prato sind wuchtig, martialisch oder besitzen höchst eigenwillige Formen. Im Verhältnis zu einem RAO II oder Dobermann IV wirkt das Extrema Ratio Defender geradezu schmächtig. Dafür kollidiert das Messer trotz seines taktischen Designs nicht mit dem deutschen Waffengesetz und sein Besitzer muss anno 2019 kein Trageverbot fürchten. Knife-Blog hat den „schwarzen Verteidiger“ auf Qualität und Praxistauglichkeit getestet.

Was bei anderen Firmen als ausgewachsenes Fixed Blade beworben wird, geht bei Extrema Ratio gerade so als Backup-Messer durch. Genau diese Rolle haben die Entwickler diesem Messer auch zugedacht. Dabei ist der Name Programm: „Defender“ (Verteidiger) erklärt das Konzept in einem Wort.

Gestaltung und Erscheinung des Messers bestätigen die vermutete Intention: Das Extrema Ratio Defender ist ein typisches Backup Messer, das im Stiefelschaft, am Gürtel oder an der Ausrüstung befestigt werden kann. Fehlende EDC-Qualitäten lassen sich aus diesem Grundkonzept nicht ableiten und die Größe des ER Defender qualifiziert es als unaufdringliches „immer-dabei“ Messer.

Das Defender wird in vier Varianten angeboten, die sich bei der Klingenbeschichtung, der Klingenlänge sowie durch die Gestaltung des Übergangs von Klinge zum Griff unterscheiden. Das Extrema Ratio Defender gibt es wahlweise mit Stonewash Finish oder mit einer schwarzen Klingenbeschichtung nach MIL-C-13924.

Beide Varianten bei Klingen-Finish gibt es in jeweils zwei Ausführungen, die sich sowohl in der Gestaltung des Handschutzes wie auch bei der Klingenlänge unterscheiden. Alle Klingen überschreiten die 12 Zentimeter Grenze nicht. Die Messer mit der Bezeichnung „Defender“ besitzen nur einen Handschutz am Ricasso, die Modelle der „Defender DG2“ Reihe weisen auch einen Handschutz an der Oberseite auf. “DG” steht für “Double Guard”, also doppelter Handschutz.

Das Extrema Ratio Defender

Die Klingenform des Defender entspricht einem klassischen, einseitig geschliffenen Messerdolch. Die Spitze liegt auf Höhe der Längsachse. Der Klinge besitzt eine höchst interessante Gestaltung! Eine breite Hohlkehle erstreckt sich über die gesamte Länge der Klinge. Oberhalb der Hohlkehle setzt hinter der üppig dimensionierten Daumenauflage eine falsche Schneide an (“Swedge”), die ebenfalls bis an die Spitze reicht.

Extrema Ratio Defender mit schwarz beschichteter Klinge
Extrema Ratio Defender mit schwarz beschichteter Klinge

Diese Gestaltung verstärkt die dolchähnliche Erscheinung des Messers, auch wenn die Klinge bei allen Defender Modellen nur einseitig geschliffen ist.

Die Hohlkehle, auch Blutrinne genannt, hat nichts mit Blut, Mord oder Waffe zu tun. Weitere Synonyme sind „Bahn“, „Hohlbahn“, „Gracht“, „Kalle“ oder „Blutrille“. Es handelt sich um eine rillenförmige Vertiefung in einer Klinge, die dazu dient, die Masse der Klinge zu verringern, ohne ihre Stabilität oder Flexibilität negativ zu beeinflussen (s. Wikipedia u. a.).

Als Klingenstahl kommt bei allen drei Modellvarianten N690 von Böhler-Uddeholm zum Einsatz. N690 oder N690Co ist in der Messerwelt weit verbreitet und hat sich einen Namen als preiswerter aber tauglicher Klingenstahl gemacht. Für den Aufgabenbereich eines taktischen Backup-Messers ist dieser Allround-Stahl eine akzeptable Wahl.

Der Griff besteht, wie fast immer bei taktischen Fixed von Extrema Ratio, aus Forprene. Dieser Kunststoff gehört zur Familie der thermoplastischen Elastomere (TPE), genauer gesagt zur Gruppe dynamisch vernetzter thermoplastischer Elastomere (TPV). Das Griffmaterial ist hochwertig, mechanisch stabil, widerstandsfähig gegen verdünnte Säuren und Laugen, UV-stabil und gewährt ein angenehmes Handgefühl.

Obwohl ich definitiv kein Fan von Kunststoffgriffen an Messern bin, empfinde ich den Forprene Griff des Defender als wertig und komfortabel.

Spezifikation: Böhler N690Co

Böhler N690Co
C Cr Co Mo Mn Si V
1,08 % 17,3 % 1,50 % 1,1 % 0,40 % 0,4 % 0,10 %

Technische Daten Extrema Ratio Defender

Extrema Ratio DefenderDaten und Ausstattung
Messertyp Fixed Blade in Full Tang Bauweise
Klingenlänge Defender / Defender DG2103 mm / 118 mm
Klingenstärke5 mm
Klingenform Spear Point mit einseitigem Anschliff
Klingenhöhe28 mm
KlingenstahlBöhler N690Co
Gesamtlänge Defender / Defender DG2 217 mm / 232 mm
GriffmaterialForprene
Gewicht Defender / Defender DG2 135 g / 136 g

Zum Lieferumfang des Defender gehört eine Kydexscheide, die symmetrisch aufgebaut ist und das Messer wahlweise mit Schneide nach vorn oder hinten aufnimmt. Auch hinsichtlich der Befestigungsmöglichkeiten ist die Scheide symmetrisch gestaltet. Sie besitzt auf Vorder- und Rückseite jeweils eine breite Kunststofflasche, mittels derer sie an Gürtel oder Molle-kompatibler Ausrüstung befestigt werden kann.

Das Messer rastet mit einem vernehmlichen „Klick“ in seine Scheide ein und sitzt spielfrei. Die Haltekraft ist gut bemessen: Das Defender lässt sich leicht ziehen, sitzt aber andererseits so fest, dass es sich aber auch bei starken Erschütterungen nicht von selbst lösen kann.

Material und Verarbeitungsqualität

Ich nehme das Ergebnis vorweg: Das Defender ist besser verarbeitet als alle bisher getesteten Messer von Extrema Ratio. Positiv fällt vor allem der symmetrische und winkelstabile Klingenschliff auf. Am Schliff des Defender gibt es selbst für Pedanten nichts zu bemängeln; noch nicht einmal die Ausstellungsmesser auf der IWA Outdoor Classics 2017 waren so präzise geschliffen wie dieses kleine Backup-Messer.

Extrema Ratio Defender DG 2 mit Stonewash Klinge

Extrema Ratio Defender DG 2 mit doppeltem Handschutz und Stonewash Klinge (Bild: Extrema Ratio).

Ob diese hohe Fertigungsqualität bei allen Exemplaren zu finden ist oder ob Knife-Blog diesmal nur zufällig den Rausreißer nach oben gezogen hat, wird die Zukunft zeigen. Der Klingenschliff dieses Defender ist jedenfalls nahezu perfekt und die Schneide ist auf der gesamten Länge sehr scharf.

Die Beschichtung des Messers ist fehlerfrei und gleichmäßig. Alle Markierungen und Beschriftungen sind kontrastreich, gleichmäßig und gut lesbar. Auch die Metallarbeiten der Klinge sowie der Griff lassen keinerlei Nachlässigkeit erkennen. Die Kydexscheide des Extrema Ratio Defender konnte ebenfalls in jeder Hinsicht überzeugen. Sie ist gut angepasst und sauber verarbeitet. Die Nieten sind im richtigen Abstand angebracht, um die Montage eines Tek-Lok zu ermöglichen.

Extrema Ratio Defender: Praxis

Im Alltag zeigt das Extrema Ratio Defender als universelles EDC, das über die Bestimmung als Backup-Messer hinaus in der Praxis gute Dienste leistet. Trotz der fünf Millimeter starken Klinge hat dieses Messer seine Stärken nicht beim Aufhebeln von Kellertüren, sondern bei den alltäglichen Schneidearbeiten. Die meistert es klaglos und gefällt dabei durch gute Handlage und präzise Schnittsteuerung.

Die fünf Millimeter Klingenstärke fallen nicht direkt ins Auge. Durch die breite, tief ausgekehlte Hohlkehle, die lange Swedge und den hoch angesetzten Flachschliff wird viel Material abgetragen. Da senkt das Gesamtgewicht des Messers deutlich und subjektiv wirkt die Klinge graziler, als sie tatsächlich ist.

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Am Griffende ragt der Erl aus seinem Forprene Mantel heraus und besitzt eckige, beinahe scharfkantige Konturen. Die Absicht hinter dieser Gestaltung ist bei einem Backup-Messer klar und beschränkt sich nicht auf die Funktion als Glasbrecher. Ebenfalls am Griffende befindet sich ein ausreichend dimensioniertes, ovales Lanyard Hole.

Der Griff fällt mit einer Breite von 12 mm und einer Höhe von 25 mm relativ klein aus. Dieses Design ergibt sich dem Einsatzzweck des Messers, denn das Defender soll schließlich unter der Kleidung nicht auftragen. Der Griff vermag eine mittelgroße Männerhand (Handschuhgröße 9.5) nicht vollständig auszufüllen; beim Schneiden zeigt das Defender eine leichte Tendenz zum Verdrehen in der Hand.

Gute Werte erzielt das Extrema Ratio Defender hingegen bei Handlage und Rutschfestigkeit. Der Griff liegt – trotz seiner Größe – angenehm in der Hand und passt auch im Reverse Grip.

Preis und Gegenwert

Dass Extrema Ratio nicht zu den Billigheimern der Szene gehört ist kein Geheimnis. Auch das Modell Defender tritt nicht als Preisbrecher an. Die Preisspanne reicht von 216,00 Euro für die Variante mit Stonewash Klinge und einem Parierelement bis zum Defender Black mit zwei Parierelementen für 241,00 Euro. Damit kratzt Extrema Ratio an der Grenze zur Preisoberklasse für Fixed Blades dieser Größe aus Serienproduktion (Alle Preisangaben stammen vom November 2019).

Extrema Ratio Defender 2 mit Stonewash Klinge

Extrema Ratio Defender 2 mit einfachem Handschutz und Stonewash Klinge (Bild: Extrema Ratio).

Für dieses Geld erhält man ein EDC-taugliches Backup-Messer mit weitem Einsatzspektrum. Qualität und Optik von Messer und Scheide entsprechen der Preisklasse. Setzt man den Preis ins Verhältnis zu qualitativ vergleichbaren Konkurrenzprodukten, ergibt sich beim Extrema Ratio sogar ein leichter Preisvorteil.

Extrema Ratio Defender – Fazit

Böhler N690 ist ein erprobter, zuverlässiger Allround-Stahl und quasi die Hausmarke bei Extrema Ratio. Er gehört zur gehobenen Mittelklasse, bringt aber weder den (Material-) Wert noch den Thrill eines modernen, pulvermetallurgischen hightech Stahls mit. Auch alle anderen Materialien sind von guter Qualität. Die Kydexscheide ist passgenau und sehr sauber verarbeitet.

Messer von Extrema Ratio haben in früheren Reviews bei Knife-Blog nicht immer Top-Ergebnisse erzielt. Bei manchen gab es Mängel beim Klingenschliff oder der Verarbeitung. Das Defender Black gibt sich in beiden Punkten keine Blöße. Bei der Verarbeitungsqualität punktet das Defender kräftig.

Verarbeitung, Finish und die Qualität der Kydexscheide liegen ebenfalls auf hohem Niveau und geben zu keiner Kritik Anlass. Ein Glasbrecher mit Wolfram- oder Keramikspitze am hinteren Griffende wäre ein sinnvolles Feature für dieses Messer und würde neben dem Mehrwert auch die Backup-Eigenschaften stärken.

Das Defender ist ein ordentlich gemachtes Messer mit einem stimmigen Konzept. Es ist gradlinig, funktionell und eignet sich sowohl als Backup-Messer wie auch als Fixed EDC für leichte bis mittlere Beanspruchung. Fans von Messern mit deutlich betonter taktischer Note werden am Extrema Ratio Defender ihre Freude haben.

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Extrema Ratio Defender
In einem Satz:
Ein martialischer Allrounder in guter Qualität mit dem Hauch des Besonderen.
Klingenstahl
Anschliff
Design, Praxistauglichkeit
Material- und Verarbeitungsqualität
Survial-Faktor
Preis-Leistungs-Verhältnis
4.5
Knife-Blog Wertung