Firmenportrait Herbertz

Messer von C. Jul. Herbertz – nach 151 Jahren kam das Ende

Firmenportraits haben meist US-amerikanische Hersteller zum Thema. Dabei wurden in Europa und vor allem in Deutschland schon hochwertige Schneidwaren produziert, als die Siedler noch auf dem langen Treck gen Westen waren. Bereits zu dieser Zeit gab es eine florierende Schneidwarenindustrie in Deutschland, mit der der Name C. Jul. Herbertz GmbH lange Zeit fest verknüpft war. 2018 feierte Herbertz sein 150-jähriges Firmenjubiläum, doch schon kurze Zeit war der Optimismus verflogen und das Familienunternehmen musste an einen Investor verkauft werden. Der Artikel erzählt die Geschichte von Herbertz, der Rolle des Unternehmens während der Blütezeit Solingens als Messermetropole und dem traurigen Ende des einstigen Familienimperiums.

Die C. Jul. Herbertz GmbH war ein Unikat im Firmengewirr der deutschen Messerlandschaft. Nur wenige Handwerksbetriebe und noch weniger große Messerfirmen hatten den Wandel in der deutschen Industrielandschaft nach den Wirtschaftswunderjahren überlebt. Dabei reichte die Firmengeschichte noch viel weiter zurück, Herbertz war ein Solinger Urgestein im besten Sinne.

Kohle und Stahl hatten den Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg Arbeit und bescheidenen Wohlstand beschert – doch beide Rohstoffe verloren infolge der Globalisierung zunächst an Bedeutung und schließlich verschwanden die zwei wichtigen Industriezweige fast vollständig. Dabei war der Beginn mehr als Erfolg versprechend. Bereits 1374 erhielt das „Dorp Solingen“ von den Grafen von Berg die Stadtrechte. Dieses Ereignis war ein entscheidender Wendepunkt, denn mit den Stadtrechten war auch die Genehmigung zur Befestigung des Ortes mit Wällen und Toren verbunden.

Die Sicherheit lockte Handwerker aus der Region in die neue Stadt, die ersten Zünfte entstanden und Solingen konnte sich über seine rasant wachsende Wirtschaftskraft freuen. Eine Metropole für Messer- oder Waffenherstellung war Solingen seinerzeit noch nicht, obwohl Solingen und das umgebende Bergische Land durch ihre Lage für die Herstellung von Messern prädestiniert waren.

C. Jul. Herbertz im 19. Jahrhundert

Endlose Wälder lieferten Bauholz und Holzkohle, Flüsse und reißende Bäche trieben Maschinen an und Erzmineral war bereits in geringer Tiefe im Überfluss vorhanden. Schnell wurde die Herstellung von Schwertern und Messern in Arbeitsteilung vorgenommen. Bereits im Mittelalter waren Holzhacker, Flößer, Köhler, Bergleute, Schmiede, Härter, Schleifer und Montierer (Schwertfeger) an der Produktion von Waffen und Schneidwaren beteiligt.

Aus den Zünften der Schmiede, Härter und Schleifer entstand das Schneidwarenhandwerk. 1571 wurde den ansässigen Messermachern das Privileg verliehen, ihre Produkte mit der Prägung „Me fecit Solingen“ zu versehen („Ich wurde in Solingen gemacht“). Zur damaligen Zeit war die Prägung ein Qualitätssiegel und besaß eine ähnliche Bedeutung wie Jahrhunderte später das weltweit bekannte Label „Made in Germany“.

Mit der Erfindung der Dampfmaschine brach das Industriezeitalter an. Um 1850 waren Technik und Wirkungsgrad der Dampfmaschinen so hoch entwickelt, dass die Wasserkraft zunehmend an Bedeutung verlor.

Kleine Kotte nahe Solingen

Die Schleifer saßen nun nicht mehr in den kleinen Kotten (Katen) an Bächen, sondern die Produktion der Schneidwaren konnte dank der Dampfmaschine unter einem Dach durchgeführt werden. In dieser Zeit, genau gesagt 1868, begann auch Carl Julius Herbertz in einem kleinen, alten Bauernhaus („Aulersch Kotten“ oder „alte Hütte“) mit der Herstellung von Schneidwaren.

Heutigen Messermachern geht es nicht viel besser als Carl Julius Herbertz vor 150 Jahren, denn nur wenige Messermacher können ihren Lebensunterhalt mit der Herstellung von Messern bestreiten. Auch viele Kleinbauern teilten dieses Dilemma und so wurde aus der Not eine Symbiose zwischen Messermacherei und Landwirtschaft geboren. Im Sommerhalbjahr bewirtschaftet die Bauern ihre Felder und die langen, kalten Wintermonate gehörten der Herstellung von Messern am wärmenden Schmiedefeuer. Carl Julius Herbertz war keine Ausnahme und wurde durch Qualität und Handwerkskunst schnell über die Grenzen seiner Heimatgemeinde Hübben bei Solingen bekannt.

Historisches Firmenschild C. Jul. Herbertz

Der Firmengründer verstarb 1899 im Alter von 52 Jahren und nach seiner Witwe übernahmen seine beiden Söhne das kleine Unternehmen.

Kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Rudolf Hartkopf alleiniger Eigentümer der Firma Herbertz. Einige Jahre später heiratete der Bankkaufmann Rudolf Hartkopf in die Firma Herbertz ein. Aus den folgenden Jahrzehnten bis Kriegsende sind nur wenige Informationen erhalten geblieben.

Nach dem Kriegsende, als Deutschland in Trümmern lag, gab es kaum Rohstoffe für die Produktion von Messern und Scheren. Dafür gab es einen hohen Bedarf für Reparaturen und so verlegte sich Herbertz zunächst auf das Richten und Polieren alter Bestecke, die Reparatur von Scheren und die Umarbeitung von Messern aller Art. Mit dem beginnenden Wirtschaftswunder lief auch die Produktion wieder an und Ende der 1950er-Jahre war Herbertz einer der größten Hersteller von Schneidwaren in Solingen.

Die Solinger Blütezeit

Rudolf Hartkopf führte das Unternehmen zunächst allein, später zusammen mit seinem Sohn Klaus. Während der Vater das Werk leitete, wandte sich Klaus Hartkopf dem Vertrieb zu. Seine Ideen und Strategien haben die Firma stark verändert und bis heute geprägt. Aus dem Messerhersteller wurde ein Handelshaus und das Sortiment umfasste nun auch Sportgeräte, Uhren, Rollschuhe, Rucksäcke und Kompasse. Auch die Kooperation mit ausländischen Herstellern begann in dieser Zeit, der finnische Messerhersteller Martiini konnte damals als Partner gewonnen werden und wird bis heute von der C. Jul. Herbertz GmbH vertreten.

Klaus Hartkopf erkannte früh, dass der Standort Deutschland für die Produktion von Messer, Scheren und Bestecken auf Dauer nicht zu halten sein würde. Auf der Suche nach erfahrenen Produktionspartnern stieß er in der japanischen Messermetropole Seki City auf die Messerschmiede Mitsoboshi Cutlery. Herbertz entwickelte, Mitsoboshi produzierte und Herbertz übernahm den Vertrieb. Dieses Geschäftsmodell war zur damaligen Zeit unüblich, ja beinahe revolutionär, aber auch ungemein erfolgreich. Ein Konkurrent nach dem anderen übernahm die Aufgabenteilung über Grenzen und Kontinente hinweg, sodass man heute fast vom Standardmodell der Messerbranche sprechen kann.

Der Alltag in den frühen Tagen der Messerherstellung war von harter Arbeit und Entbehrungen geprägt.

Bergleute, Holzfäller, Köhler, Flöße und Schmiede lebten oft an der Existenzgrenze.

Portrait Bergmann

Herbertz wuchs und das Wachstum lockte weitere Partner an. Zuerst vertrauten die französische Firma Opinel und der Schweizer Hersteller Wenger den Solingern den Vertrieb ihrer Produkte an. Kurze Zeit später folgten Buck Knives, Puma, Helle und mit Stanley-PMI auch der renommierteste Hersteller von Thermosflaschen und Outdoor Equipment.

Was bei der C. Jul. Herbertz GmbH überrascht, ist nicht die Tatsache, dass Partnerschaften mit in- und ausländischen Unternehmen geschlossen werden, wirklich überraschend ist, dass viele dieser Partnerschaften Jahrzehnte überdauern. Die Kontinuität war in der insgesamt recht schnelllebigen Messerszene ungewöhnlich und gestattet einen Blick auf die Firmenphilosophie, die klar auf langfristige, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit respektierten Partnern setzt. Doch das Gute hatte auch Nachteile, denn Abläufe, Produkte und Strukturen wurden lange Zeit nicht ausreichend an die sich entwickelnden Märkte angepasst.

Die IWA Outdoor Classics war für Herbertz lange Zeit einer der wichtigsten Termine des Jahres und statt eines einfachen Messestandes bauen die Solinger regelmäßig eine regelrechte „Herbertz-Landschaft” mitten in der Halle 5 auf. Zentral gelegen ist eine in den Firmenfarben Weiß und Blau gehaltene „Piazza“, um die herum sich Herbertz und seine Kooperationspartner dem Publikum mit aufwendig gestalteten Messeständen präsentieren. Ebenso berühmt wie der markante Messeauftritt war der imposante, aber nicht mehr zeitgemäße Produktkatalog der C. Jul. Herbertz GmbH.

Die Solinger Schneidwarenindustrie mit ihrer beinahe tausendjährigen Geschichte konnte sich im globalen Wettbewerb nicht behaupten.

In den 1960er-Jahren umfasste die Solinger Schneidwarenindustrie rund 700 Betriebe mit knapp 20.000 Beschäftigten; während der Blütezeit besaßen 75 Prozent aller Arbeitsplätze in Solingen eine direkte oder indirekte Verbindung zur Schneidwarenindustrie.

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Heute zählt man eher nach Dutzenden als nach Hunderten. Trotz Wirtschaftswunder und der Strahlkraft der Prägung „Solingen“ auf einer Messerklinge war der Exodus des Handwerks aus der ehemaligen Klingenstadt nicht aufzuhalten.

Solingen im Wandel

Der Niedergang eines ganzen Industriezweiges ist kein deutsches Phänomen. Sheffield in England ging es nicht viel besser und auch in den USA blieben nach dem 2. Weltkrieg viele lokale Hersteller und Kleinunternehmer auf der Strecke. Einen Unterschied kann man trotzdem ausmachen: Deutschland verlor als Weltmeister, Verzeihung: Weltmarktführer. Das Totschlagargument, Deutschland sei ein Hochlohnland, greift nur sehr begrenzt, denn die Kundschaft in Hochlohnländern verfügt über ausreichende Kaufkraft, um sich hochwertige Produkte leisten zu können.

Weder das Lohnniveau noch die gelegentlich unterstellte Unfähigkeit der Firmenchefs lassen sich per se als Ursache heranziehen. Kaufentscheidungen werden von Konsumenten getroffen und die werden, kaum dem Laufställchen entkommen, gnadenlos auf Sparzwang konditioniert. Geiz soll geil sein und wer für eine Tüte Milch, sein Hightech TV oder gar einen Titan Folder ein paar Cent „zu viel“ bezahlt, gilt in unserer Gesellschaft schnell als lebensuntüchtiger Loser. Also lieber drei Bestecke für zehn Euro vom Markt gleich hinter der Grenze als ein handwerkliches Produkt aus dem eigenen Land.

Irgendwo weiter oben steht, dass Bauern zu Messermachern wurden, weil sie von beiden Gewerken nicht auskömmlich leben konnten. Das galt für die Zeit der Firmengründung durch Carl Julius Herbertz und hat sich bis heute, allen EU-Subventionen und Zöllen zum Trotz, nicht wesentlich geändert. 800 Jahre lang viele Worte, aber kein Fortschritt – Zeit zum Nachdenken…

Bereits 1938 hatte das Reichswirtschaftsministerium das sogenannte „Solingengesetz“ eingebracht, das die Verwendung des Städtenamens auf Schneidwaren, Bestecken und ähnlichen Produkten zum Schutz der einheimischen Industrie nur Betrieben erlaubte, die in Solingen oder Haan ansässig waren. Das „Gesetz zum Schutze des Namens Solingen“ wurde 1994 durch die Solingenverordnung des Bundeswirtschaftsministeriums abgelöst, die sich am bundesdeutschen Markenrecht orientiert.

Beide Maßnahmen sollten den Industriestandort Solingen stärken und haben der Stadt eine Besonderheit beschert: „Solingen“ ist weltweit der einzige Städtename, der markenrechtlich geschützt ist.

Letztlich waren alle Mühen vergebens. Die Globalisierungswelle, die dem Zusammenbruch der Sowjetunion folgte und zur Öffnung der Märkte im Osten führte, raffte viele ohnehin um ihre Existenz kämpfende Solinger Industriebetriebe dahin. Herbertz blieb zunächst von diesem Schicksal verschont, weil ein fähiger Kopf schon Jahrzehnte vorher die Weichen in Richtung eines global agierenden Handelshauses gestellt hatte.

Das traurige Ende 2019

Nach der Feier zum 150-jährigen Firmenjubiläum kehrte schnell Ernüchterung ein. Lange Zeit hatte die Solinger Firma auf einem Schlachtfeld überlebt, das keinen Kombattanten ungeschoren lässt. Doch bergauf ging es nicht mehr. Den Sprung in die Onlinewelt hatte Herbertz verpasst, der Einfluss digitaler Medien wurde unterschätzt und der Messeauftritt im traditionellen Zuschnitt wirkte nicht mehr zeitgemäß. Der aufwendige, aber teure Katalog konnte sich im Zeitalter der digitalen Suchmaschinen nicht mehr gegen die Marketingstrategien der Konkurrenz behaupten. Lange, viel zu lange hatte Herbertz an den Verkaufsstrategien der 1970er-Jahre festgehalten.

Am Ende waren kaum mehr 50 fest angestellte Mitarbeiter für die C. Jul. Herbertz GmbH tätig, obwohl der Jahresumsatz noch im zweistelligen Millionenbereich lag. Firmenchef Ulrich Hartkopf führte das mittelständische Familienunternehmen in dritter Generation, als Umsätze und Margen bröckelten und der Slogan: „alle 31 Sekunden kauft jemand ein Messer von Herbertz” allmählich seine Gültigkeit verlor.

Die Firmengeschichte als Familienunternehmen endete 2019 mit der Übernahme durch die PS Schneidwaren GmbH der Swiss Commerce Gruppe. Die Struktur von Herbertz wurde in der Folge zerschlagen, ganze Unternehmensbereiche verschwanden und viele langjährige Mitarbeiter verloren ihre Arbeitsstelle. Ein trauriges Ende für ein deutsches Unternehmen, das in seiner Tradition gefangen schien, notwendige Restrukturierungen vermied und keinen Weg in eine profitable Zukunft finden konnte.

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