Kaiken von Todd Begg

Kaiken von Todd Begg – Steelcraft Serie

Steelcraft ist die Handelsmarke für alle Midtech-Messer des amerikanischen Designers Todd Begg. Viele Custom-Modelle, wie Bodega oder Begatti, haben ein Midtech als Äquivalent, denn die Customs liegen ausnahmslos im vierstelligen Bereich. Das Kaiken von Todd Begg ist in diesem Sinn eine Ausnahme, es wurde von vornherein als Midtech konzipiert. Der Begriff „Midtech“ sorgt bei manchen Messerfans für ein pelziges Gefühl auf der Zunge, einige dieser Serienmesser mit klangvollen Namen sind bereits im Praxistest bei Knife-Blog durchgefallen. Heute liegt ein Todd Begg Steelcraft Kaiken mit Carbon-Inlays zum Test bereit und die Spannung steigt…

Bei Customs von Todd Begg gibt es von jedem Grundmodell mehrere optische Varianten, die sich vor allem durch die Gestaltung der Griffschalen unterscheiden. Klinge, Umriss und Größe der Messer sind hingegen weitestgehend identisch. Denn gleichen Weg geht Todd Begg bei seinen Midtechs – der Rahmen des Kaiken ist mit verschiedenen Anodisierungen erhältlich. Egal ob der Rahmen blau, grau oder schwarz ist, sind beide Griffseiten mit Inlays aus Carbon veredelt.

Kaiken oder Kwaiken? Beides ist richtig! In den USA ist nach wie vor die Schreibweise „Kwaiken“ in Gebrauch, die allerdings als veraltet gilt. Daher verwendet Knife-Blog im Text die bei Knife-Blog übliche Schreibweise „Kaiken“, behalte aber bei der Produktbezeichnung die Variante des Herstellers bei.

Der korrekte, wenn auch etwas sperrige Name des Messers lautet „Todd Begg Steelcraft ¾ Kwaiken“. „Dreiviertel Kwaiken“ klingt nach Bäckerei, ist aber eine Größenangabe und macht den Unterschied zum „Sun Tzu Kwaiken” deutlich. Letzteres besitzt eine 4 Zoll Klinge, hingegen ist das ¾ Kwaiken maßstabsgetreu verkleinert und mit einer 3,5 Zoll langen Klinge bestückt. Die Verkleinerung beinhaltet kein Downgrading, keine Abwertung. Beide Messer sind aus identischen Materialien und dem gleichen Klingenstahl hergestellt. Die etwas kleinere Variante soll die EDC-Qualitäten erhöhen und in der Hosentasche weniger auftragen.

Kaiken von Todd Begg
Kaiken von Todd Begg

Midtech sind Serienmesser, die auf Entwürfe namhafter Designer oder Messermacher zurückgehen, deren Logo tragen und bei einem Lohnunternehmer gefertigt werden. Bestenfalls bestehen diese Messer aus exzellenten Materialien, pulvermetallurgischem Klingenstahl und unterliegen einer rigiden Qualitätskontrolle. Im schlechtesten Fall gibt es nichts davon und der Umsatzgedanke steht im Vordergrund. Wie schon in der Einleitung gesagt, die Qualitätsspanne im Bereich Midtech ist gewaltig und reicht von Messern der absoluten Topklasse bis zu qualitativ minderwertigem, lieblos montierten Ausschuss.

Es gibt einige bekannte Lohnunternehmer, die einen nicht geringen Teil ihrer Umsätze mit der Lohnfertigung verdienen. LionSteel, HTC, Fox und WE Knife gehören in diese Gruppe. Das ¾ Kaiken von Todd Begg hat allerdings andere Wurzeln: Es wird bei Reate hergestellt. Reate steht im Ruf, ebenso gut wie teuer zu sein. Todd Begg Knives nimmt den Aufpreis bewusst in Kauf und hat nach nicht zufriedenstellenden Tests mit einem europäischen Unternehmen den Auftrag für das ¾ Kwaiken nach China vergeben.

Kaiken von Todd Begg

Das Kaiken von Todd Begg ist ein Framelock Flipper, aber nicht nur ein Flipper. Das Messer bringt eine zweite, zunächst nicht augenfällige Variante zur Klingenöffnung mit. Auf dem Klingenrücken befindet sich in Höhe der Achsschraube eine dem Kicker ähnliche Erhöhung. Auf den ersten Blick scheint es sich nur um ein Design-Element zu handeln, das optische Symmetrie erzeugen soll.

Tatsächlich jedoch dient die Wölbung dem Daumen als Ansatzpunkt, um die Klinge zu öffnen. Das ist nicht neu, aber selten. Noch seltener ist, dass eine solche Konstruktion in der Praxis gut funktioniert. In den meisten Fällen ergibt sich ein ungünstiger Vektor für den Daumendruck und der Kraftaufwand ist unangenehm hoch oder zumindest ist der Öffnungsvorgang nur schwer kontrollierbar. Nicht so beim Kaiken von Todd Begg: Mit sanften Druck der Fingerkuppe des Daumens lässt sich die Klinge geschmeidig öffnen.

Somit steht dem immer etwas martialisch wirkenden Aufflippen eine deutlich sozial verträgliche Möglichkeit zum Öffnen des Messers gegenüber. Obwohl das Kaiken von Todd Begg perfekt flippt, macht das „ins Lock schieben“ der Klinge ungemein viel Spaß. Dadurch erhöht sich nicht nur der Spielfaktor deutlich, auch in der Praxis lernt man diese Variante zur Klingenöffnung schnell schätzen.

Der Rahmen des Kaiken von Todd Begg besteht aus zwei Halbschalen aus Titan, die durch die Klingenachse und einen langen Backspacer aus poliertem Titan verbunden sind. Das Finish des Backspacers ist bemerkenswert, der Grad der Politur deutet klar auf Edelstahl hin. Erst der Test mit einem Magneten zeigt, dass es sich nicht um Stahl, sondern ebenfalls um Titan handelt. Der Backspacer ragt sechs Millimeter aus dem Rahmen heraus, besitzt ein Lanyard Hole und kann, wenn nötig, wie der Kopf eines Kubotans eingesetzt werden.

Bei allen Modellen des „Todd Begg Steelcraft ¾ Kwaiken“ besitzt jede Griffschale Inlays aus Carbon. Zwei Inlays auf der Presentation Side stehen drei Inlays auf der Lock Side entgegen. Inlays bedeuten Fertigungsaufwand und erhöhen das Risiko, Ausschuss zu produzieren. Fünf Inlays an einem Messer beweisen jedoch, dass der Hersteller selbstsicher agiert und seinen Maschinenpark locker im Griff hat.

Durch die Keramikkugel ergibt sich ein drei Millimeter breiter Abstand zwischen Clip und Griffschale, sodass das Messer leicht zu ziehen ist, aber trotzdem sicher in der Tasche sitzt.

Kaiken von Todd Begg, geschlossen

Keramik ist das Stichwort: Auch beim Klingenlager kommt Keramik zum Einsatz. Die Klinge läuft in einem IKBS Lager() mit keramischen Kugeln, was zu einer höheren Verschleißfestigkeit gegenüber herkömmlichen Kugellagern aus Stahl führt. Das Lager ermöglicht einen weichen, geschmeidigen Klingengang und zentriert die Klinge perfekt.

Vier TORX Schrauben verbinden Griffschalen und Backspacer, auch die Achsschraube lässt sich mit der gleichen Schlüsselweite öffnen. Eine der Schrauben dient zur Befestigung des Taschenclips, dessen Seiten im gleichen Farbton wie die Griffschalen anodisiert sind. An der Oberseite ist der Clip poliert und an seinem Ende befindet sich die für Todd Begg charakteristische Keramikkugel. Der 50 Millimeter lange Deep-Pocket Clip versenkt das Messer tief in der Hosentasche.

Klinge und Klingenstahl

Das auffälligste Merkmal des Kaiken von Todd Begg ist die Form der Klinge. Während klassische japanische Vorbilder oft ohne Facetten oder Design-Elemente auskommen, hat Todd die Klinge seines Kaiken aufwendig gestaltet. Eine schmale Swedge zieht sich über die gesamte Länge des Klingenrückens, die Gratlinie erstreckt sich in einer Bogenlinie parallel zur Schneide und im vorderen Klingendrittel ist eine Facette geschliffen, die wie eine „Secondary Swedge“ wirkt.

Der erhabenene Bereich der Klinge ist in Längsrichtung satiniert und fein poliert, unterhalb der Gratlinie verläuft die Satinierung um 90° Grad versetzt mit etwas gröberem Strich. Dadurch ergibt sich ein reizvolles Two-Tone-Finish. Im erhabenen Teil der Klinge befindet sich eine polierte Hohlkehle.

CPM-S35VN
C Cr Mo V Nb
1,40 % 14,0 % 2,0 % 3,0 % 0,50 %

Die 87 Millimeter lange Klinge des Kaiken von Todd Begg besteht aus S35VN und über diesen pulvermetallurgischen Stahl muss man nicht mehr viele Worte machen. Der Stahl ist ein guter Allrounder, der keine Schwächen besitzt und kaum ein Messerfan wird diesen Stahl jemals an seine Grenzen führen.

Die Gestaltung der Klinge ist aufwendig und hinter dem Detailreichtum steckt erkennbar einiges an Arbeit. Design ist das Eine, Funktionalität das Andere und hier kann ich Skeptiker beruhigen: Die Klinge ist nicht nur optisch ein Leckerbissen, sie funktioniert auch hervorragend in der Praxis. Dazu trägt der Klingenschliff bei, der gerade bei einer stark gebogenen Trailing-Edge Klinge vielen Herstellern nicht optimal gelingt.

Deutliches Lob für Reate:
Der Klingenschliff ist absolut winkelstabil und seitensymmetrisch!

Exakt 25 Grad beträgt der Schleifwinkel, was das Messer nicht zum giftigen Schneidteufel macht aber eine gute, lang anhaltende Gebrauchsschärfe garantiert.

Entlang der gesamten Schneide ist das Kaiken von Todd Begg sehr scharf.

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Vor Jahrhunderten galten Kaiken in Japan nicht als Gebrauchsmesser, sondern dienten zum rituellen Suizid von Frauen oder – empfindsame Gemüter mögen den Ausdruck verzeihen – als Mordwaffe. Todd Begg hat es geschafft, die klassische Form zu erhalten und dem Messer hohe Alltagstauglichkeit als Werkzeug zu verleihen, von der ursprünglichen, einschränkten Bestimmung eines Kaiken bleibt nichts übrig.

Kaiken von Todd Begg – Ergonomie

Das Öffnen funktioniert in beiden Varianten komfortabel. Der Griff ist ausreichend lang und bietet kleineren und größeren Händen bequemen Halt. Beide Griffschalen besitzen eine umlaufende Fase, die an Vorder- und Hinterseite eine glatte Fläche bildet, im Bereich der Finger jedoch deutlich abgerundet ist. Dadurch ergibt sich ein angenehmes Griffgefühl und durch die Kontur des Griffs auch eine gute Handlage.

Material und Verarbeitungsqualität

Beim Klingenschliff habe ich Reate schon gelobt und der gute Eindruck setzt sich fort. Egal wohin man bei diesem Messer schaut, egal wie pingelig man zu Werke geht, es gibt keinen Ansatz für Kritik. Der Klingengang ist erste Sahne, die Justage ist perfekt, die Anodisierung gleichmäßig und die Carbon Inlays sind so sauber eingepasst, dass selbst unter der Lupe kein Makel offenkundig wird.

Kaiken von Todd Begg

Den Kontakt zwischen Lock Arm und Klingenwurzel stellt ein auswechselbarer Stahleinsatz her, auf dem auch der Detent Ball untergebracht ist. Das Konzept steht für geplante Reparaturfähigkeit, wenn das Messer in die Jahre gekommen ist. Wie für alle anderen Messer gewährt Todd Begg Knives auch auf die Steelcraft Modelle lebenslange Garantie.

Kaiken von Todd Begg – Preis und Fazit

Bei amerikanischen Online-Händlern beginnen die Preise für ein „Todd Begg Steelcraft ¾ Kwaiken“ bei etwa 400 Dollar. Dank Zoll und Einfuhrumsatzsteuer darf der deutsche Messerfan etwas tiefer in die Tasche greifen. Bei vielen deutschen Online-Händlern liegt der Preis um 440,- Euro.

440 Euro. Das sind rund 30 Euro Ersparnis gegenüber einem Large Inkosi von Chris Reeve Knives mit „Plain Jane“ Titangriffschalen. Im Vergleich zum Inkosi mit Micarta Inlay beträgt der Preisvorteil sogar etwa 180 Euro. Auch wenn sich beide Messer optisch stark unterscheiden, besitzen sie hinsichtlich Material und Qualitätsanspruch viele Gemeinsamkeiten. Messer von Chris Reeve gelten als Nonplusultra in Sachen Fertigungspräzision, Justage und Verarbeitungsqualität, geben also eine brauchbare Messlatte für das Kaiken von Todd Begg ab.

Die Latte liegt weit oben aber das Kaiken von Todd Begg meistert die Höhe. Es gibt kein Detail bei Qualität und Verarbeitung, in dem das Kaiken gegenüber dem Inkosi abfällt. Damit bestätigt das Messer eine Entwicklung, die man bereits seit einigen Monaten beobachten kann: die Topprodukte chinesischer Firmen liegen auf dem gleichen hohen Niveau wie die Crème de la Crème der amerikanischen Messerszene.

Man muss keinen Vierzeiler von Nostradamus bemühen, um einigen US-amerikanischen Mitbewerbern tiefe Sorgenfalten zu prophezeien. Das wird weniger Chris Reeve Knives treffen, die sich über eine Sonderstellung auf dem Messermarkt freuen dürfen, wird aber andere bekannte Marken von Brous bis ZT vor neue Aufgaben stellen.

Interessant ist die Entwicklung chinesischer Firmen, namentlich WE Knife, Reate und Kizer Cutlery. Vor vier Jahren galten chinesische Messer als Schrott. Vor zwei Jahren hatten sie ordentliche Qualitäten erreicht, ohne dabei mit Perfektion oder Highlights zu glänzen. Heute – und das Kaiken von Todd Begg ist der „lebendige“ Beweis – gibt es keinen Hersteller mehr, der noch eine Qualitätslücke zu diesem Messer aufreißen könnte. Unwillkürlich frage ich mich, wie die weltweite Messerszene 2021 aussehen wird.

Die große Qualitätsspanne im Midtech-Bereich habe ich bereits thematisiert und das Kaiken von Todd Begg gehört in dieser Klasse in die oberste Liga. Das Messer beeindruckt durch seine Perfektion in allen Bereichen sowie die erkennbare Liebe zum Detail seines Designers. Das Kaiken von Todd Begg zeigt, dass ein Midtech-Messer kein liebloser Abklatsch eines noblen Customs sein muss.

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Kaiken von Todd BeggDaten und Ausstattung
Messertyp Einhandmesser mit Framelock
HerstellerSteelcraft (Reate)
Klingenlänge / Schneide89 mm / 87 mm
Klingenstärke3,8 mm
Klingenform Kaiken, Trailing Point
Klingenhöhe24 mm
KlingenstahlCPM-S35VN
Länge offen / geschlossen213 mm / 125 mm
GriffmaterialTitan mit Carbon-Inlay
Gewicht130 Gramm
Kaiken von Todd Begg
In einem Satz:
Ein Messer, an dessen Formgebung sich die Geister scheiden mögen, dass bei Qualität und Verarbeitung allerdings nur die "Daumen-nach-oben" Wertung zulässt.
Klingenstahl
Anschliff
Design, Praxistauglichkeit, Sicherheit
Material- und Verarbeitungsqualität
Ergonomie und Justage
Preis-Leistungs-Verhältnis
4.6
Knife-Blog Wertung