MKM Fara Review

MKM Fara – Slip Joint aus Maniago

Kooperationen zwischen Messermachern und großen Firmen sind in der Messerszene nichts Besonderes. Zusammenarbeit zwischen Firmen, die auf dem Markt als Konkurrenten auftreten, sind schon deutlich seltener, aber eine dauerhafte Kooperative aus Dutzenden von Firmen wäre wirklich exotisch. Trotzdem ist ein solches Projekt Realität geworden. Über vierzig Firmen aus der italienischen Region rund um Maniago haben sich zu einer Kooperative zusammengeschlossen und stellen unter dem Label MKM („Maniago Knife Makers“) Schneidwaren her. Eine gute Gelegenheit einen Blick auf das Projekt zu werfen ist der Slip Joint MKM Fara, der sich im Knife-Blog Test beweisen muss.

Auf der IWA 2016 stand ein junger Mann hinter einer Vitrine, die kaum 60 Zentimeter breit war und in der Glitzerwelt der Messehalle 5 keinerlei Aufsehen erregte. „Consorzio Coltellinai Maniago“ stand auf einer kleinen Broschüre und auf Nachfrage erfuhr man, dass dieses Konsortium die Messerhersteller dieser Region zusammenführen und ihre Interessen nach außen vertreten sollte. Neben gemeinsamer Vermarktung der Produkte sollten auch Synergieeffekte durch Arbeitsteilung bei Design und Fertigung erzielt werden.

Die Sensation hielt sich Grenzen, denn das Konsortium gibt es bereits seit 1960 und befand es sich jahrelang im Winterschlaf. Ehrlich gesagt, ich maß der ganzen Sache seinerzeit keine große Bedeutung zu. Inzwischen hat sich die Situation verändert. Die Reanimation des italienischen Konsortiums gelang und inzwischen liegt unter dem Namen „MKM Line“ eine kleine Serie von Schneidwerkzeugen vor. Die Spanne reicht von Gartenscheren bis zum Gentleman Folder und vom Jagdmesser über Scheren bis zum opulenten Champagnersäbel.

Auf dem Weltmarkt tritt das italienische Konsortium unter dem Namen MKM („Maniago Knife Makers“) auf, was sich international leichter einprägen mag als der italienische Name „Consorzio Coltellinai Maniago“. Neben den bekannten Messerherstellern der Region, u.a. LionSteel, Viper, Maserin oder Fox Knives gehören dem Konsortium viele kleine Betriebe an, die namentlich in Deutschland bisher kaum aufgetreten sind.

Viele der Schneidwaren, die unter dem Label des Konsortiums angeboten werden, sind nach wie vor mit dem Namen einer Firma (z. B. LionSteel) oder einer Handelsmarke gebrandet. Seit einiger Zeit werden aber auch Messer mit dem Logo „MKM“ angeboten wobei nicht nach außen kommuniziert wird, wer an diesen Messern mitgearbeitet hat und wer nicht.

MKM Fara – Slip Joint aus Maniago

Mit dem kleinen Slip Joint „Fara“ liegt das erste Messer von MKM für ein Knife-Blog Review bereit. „MKM Manigo, Italy“ lautet die Lasergravur auf der rechten Klingenseite. Das klingt ein wenig nach der berühmten Katze im Sack, denn keine altbekannte Firma bürgt mit ihrem Namen. Stattdessen steht hinter der Gravur ein Firmenkonsortium, dessen Mitglieder auf der Homepage von MKM nicht genannt werden. Das mag bei manchem Messerfan Befremden auslösen. Im Fall des MKM Fara ist der Name des Herstellers durchgesickert: Mercury ist ein etablierter Produzent von Taschenmessern aus Maniago.

MKM Fara Presentation Side

Das MKM Fara gibt es in zahlreichen Ausstattungsvarianten: mit Aluminium-, Holz oder mit Titan Griffschalen. Der Klingenstahl bleibt dabei unverändert, das Fara ist mit dem bewährten M390 Microclean von Böhler ausgestattet. Die Grundidee, das Einsparungspotenzial beim Griffmaterial zu verankern, aber keine Abstriche beim Klingenstahl zu machen, gefällt mir.

Je nach Griffmaterial liegt der Preis zwischen knapp 110 und 170 Euro, wobei es auch bei der Ausstattung eine Variante gibt. Die „Tools for Gents“ lassen eine spezielle Version des Fara mit Taschenclip produzieren. WritingTurningFlipping führt hingegen die Originalversion ohne Taschenclip.

Die Idee, ein Messer mit unterschiedlichen Griffaufbauten herzustellen, wurde spätestens mit dem LionSteel SR-1 populär und die italienische Firma konnte damals unterschiedliche Kundengruppen mit diesem Modell erreichen.

Die Messermacher aus Maniago haben sich die Unterstützung zweier international bekannter Designer gesichert. Neben Messerlegende Bob Terzuola ist auch Lucas Burnley mit an Bord, der auch für das MKM Fara verantwortlich zeichnet. Herausgekommen ist ein Slip Joint mit 76 Millimeter langer Klinge, das über eine charakteristische Variante des klassischen Nagelhaus verfügt. Über den größten Teil der linken Klingenseite verläuft eine drei Millimeter breite, halbrund ausgefräste Rinne, die sowohl als Öffnungshilfe wie auch als Stilelement fungiert.

Aufbau, Technik, Funktion

Das Öffnen geht mühelos vonstatten. Die Rückenfeder drückt ordentlich gegen die Klingenwurzel, sodass der Klingengang recht straff ausfällt. Bei einem Öffnungswinkel von 90° Grad erreicht die Klinge zunächst den Sicherheitsstop, wo sie geräuschlos einrastet. Die Vorspannung ist so eingestellt, dass die Kraft zum Öffnen bis zum Sicherheitsstop geringer ist als von dort aus zur geöffneten Position. Der Unterschied ist deutlich spürbar und soll dafür sorgen, dass die Finger möglichst gut gegen versehentliches Einklappen der Klinge geschützt sind, während die Kraft zum Öffnen nicht unangenehm hoch werden soll.

Dieses Ziel wurde erreicht: Die Klinge des Fara läuft straff, wobei aber Öffnungs- und Schließvorgang gut kontrollierbar sind.

Beim Schließen der Klinge spürt man keinen Druckpunkt; stattdessen muss man bis kurz vor Erreichen des Sicherheitsstops einen konstanten Widerstand überwinden.

Die gute Nachricht lautet: Die Finger sind dabei nicht in Gefahr!

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Lucas Burnley hat ein modernes und gleichzeitig zeitloses Design gezeichnet und das Messer wirkt in jeder Hinsicht harmonisch. Die stark geschwungene Unterseite des Griffs steht dabei im Kontrast zum gerade abfallenden Klingenrücken in Richtung der Spitze. Beim geschlossenen Messer ergänzen sich Bogen und Gerade plötzlich wie von Zauberhand und bilden eine Linie.

Eine breite Fase an der Griffunterseite verbessert das Griffgefühl – die Handlage des kleinen Fara ist durchaus angenehm. Ab Handschuhgröße neun beginnt sich der Griff des MKM Fara ein wenig in der Faust zu verlieren. Besitzer von Holzfällerpranken müssen zusätzlich aufpassen, dass der Daumen nicht zu weit vorn auf die Klinge drückt und die Klinge ungewollt die geöffnete Position verlässt.

Die 2,5 Millimeter starke Klinge verfügt über einen Flachschliff zwischen Gratlinie und Schneide. Der Klingenstahl ist sehr fein in Querrichtung gebürstet, was zu einer dezent mattierten, edel wirkenden Oberfläche führt. Die Achsschraube stützt sich gegenüber den Griffschalen auf zwei Edelstahlbuchsen ab, um die Stabilität zu erhöhen und Verschleiß vorzubeugen. Einstellen lässt sich die Klingenachse ohne Spezialwerkzeug durch beidseits vorhandene Inbusschrauben.

Freunde taktischer Messer kommen nur höchst selten in Versuchung ein Slip Joint in die Hand zu nehmen, aber das MKM Fara hält sogar für Taktiker eine Überraschung parat. Nimmt man das Messer mit der Klingenachse in Richtung Daumen in die Hand, ragt das andere Griffende rund einen Zentimeter aus der Faust und präsentiert eine fiese 90° Grad Kante, die sich nicht nur als Glasbrecher einsetzen lässt.

MKM Fara – Fazit

Um es kurz zu machen: An der Qualität der MKM Fara gibt es nicht viel auszusetzen. Die Oberflächen von Griff und Klinge sind sauber bearbeitet. Auch beim Klingenschliff fällt MKM nicht negativ auf. Im Gegenteil. Beim Testmesser sind Symmetrie und Anschliff für ein preiswertes Serienmesser überdurchschnittlich exakt und sauber gearbeitet. In der Praxis zeigt sich das MKM Fara schneidfreudig und effektiv. Der gute Klingenschliff wirkt sich positiv auf die Bewertung aus.

Eine Verbesserungsmöglichkeit wäre die Charakteristik des Endanschlags. Wie oft bei Messern mit Rückenfeder, muss kein knackiger Druckpunkt überwunden werden, um die Klinge einzuklappen. Stattdessen ist nur ein konstanter Widerstand zu überwinden. Zu einer Abwertung führt diese Charakteristik nicht, da die Vorlieben der Messerfans in diesem Punkt geteilt sind.

MKM Fara, closed
Lucas Burnley hat dem MKM Fara ein modernes, aber auch zeitloses Design verpasst.

Slip Joint mit Taschenclip

Slip Joints brauchen keinen Taschenclip“, sagen die einen, „Taschenmesser ohne Clip sind unbrauchbar“, kontern die anderen. Der zusätzliche Taschenclip bei der Sonderserie der Tools-for-Gents ist nicht unbedingt das optische Highlight des Messers. Eher ein Kompromiss aus Funktion und vertretbaren Mehrkosten, denn kaum ein Messerfan wäre bereit gewesen, 30 oder 40 Euro für einen farblich angepassten Clip aus Titan auf den Tisch zu legen. Auf jeden Fall erfüllt der Clip seine Aufgabe und hält das MKM Fara sicher in der Hosentasche.

Ein Messer mit M390 Klinge, das von einem international bekannten Designer gezeichnet und von einem europäischen Hersteller produziert wurde zum Preis von für 110 Euro. Aufpreis für Griffschalen aus Titan 50,- Euro. Das ist doch mal eine Offerte! Offenbar führt die Kooperation der Firmen aus Maniago tatsächlich zu Synergieeffekten, von denen offenbar auch die Endkunden profitieren. Ähnliche Angebote in Sachen Preis und Qualität haben wir in letzter Zeit nur aus Fernost gesehen.

Die Wiederbelebung der „Consorzio Coltellinai Maniago“ dürfte die richtige Antwort auf die Veränderungen des weltweiten Messermarktes und die wachsende Marktpräsenz chinesischer Firmen zu sein. In Italien wurden die Zeichen der Zeit erkannt und die Kooperative MKM wird spürbaren Druck auf andere Marktteilnehmer ausüben. Vor allem US-amerikanische Hersteller aus dem Großserienbereich werden diesen Druck zu spüren bekommen.

Wenn MKM sowohl Qualität wie auch das Preis-Leistungs-Verhältnis auf diesem Niveau halten kann, muss man sich um die Zukunft der letzten europäischen Messermetropole keine Sorgen machen.

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MKM Fara
In einem Satz:
Ein sehr brauchbares Messer für den Alltag mit etwas gewöhnungsbedürftiger Charakteristik beim Schließen.
Klingenstahl
Anschliff
Design, Praxistauglichkeit, Sicherheit
Material- und Verarbeitungsqualität
Ergonomie und Justage
Preis-Leistungs-Verhältnis
4.5
Knife-Blog Wertung