Romain Bignon EVO Review

BIB Evo 16 – Custom Folder von Romain Bignon

Normalerweise berichte ich auf dem Blog über die großen Namen der Messerbranche, internationale Firmen, bekannte deutsche Messermacher oder legendäre Custom Maker aus den USA. Namen, die jeder kennt. Ab und zu wird diese Routine unterbrochen und auf dem Tisch liegt ein Messer, dessen Macher den meisten Lesern unbekannt sein dürfte. Vor Kurzem war es Newcomer Toni Tietzel, in dieser Woche werden vermutlich noch weniger Leser den Mann hinter dem Messer kennen. Es geht um den französischen Messermacher Romain Bignon. Bekannt oder noch nicht – ein Blick auf die Messer des Franzosen lässt diese Frage zur Nebensächlichkeit werden.

Romain lebt in dem kleinen Dorf Malvalette. Es liegt in der Region Auvergne-Rhône-Alpes und dort im Département Haute-Loire am östlichen Rand des Massif Central rund 40 Kilometer südwestlich von Saint-Étienne. Malvalette ist mit kaum 900 Einwohnern nur ein Stecknadelkopf auf der Landkarte.

Messer aus Frankreich werden oft auf das berühmte Laguiole und auf das in den letzten Jahren stark beworbene „LeThiers“ reduziert. Dabei besitzt fast jede französische Provinz ihre eigene Messertradition und neben den beiden erwähnten Modellen gibt es rund 50 weitere regional-typische Modelle.

Auf den ersten Blick scheinen die Messer von Romain Bignon dem „internationalen“ Geschmack zu entsprechen. Beim zweiten Blick wird allerdings doch eine Nähe zu klassischen Messertypen Frankreichs sichtbar. Viele Messer von Romain Bignon verbinden modernes Design und praktische Eigenschaften mit Elementen traditioneller Modelle. Eines davon ist das „Capucin“, dessen charakteristische Form des Griffendes sich in Romain Bignons Custom erkennen lässt. Capucin waren als Hirtenmesser der Pyrenäenschäfer weit verbreitet und die Grundform dieses Messertyps soll bis in römische Zeiten zurückgehen.

Romain Bignon: BIB Evo 1.6

Das Messer auf dem Tisch trägt den Namen „BIB’S EVO 1.6 Slim Carbone“, was eher nach einem teuren italienischen Sportwagen als nach einem französischen Taschenmesser klingt. Das Griffmaterial Carbon ist einer der Namensgeber, die Evolutionsstufe 1.6 der Grundform „BIB“ ein Weiterer.

Echte Handarbeit ersetzt bei Romain Bignon den Maschinenpark. Was andere Messermacher mit einer Planfräse erledigen, entsteht bei Romain mit Schraubstock und Feile.

Romain Bignon

Mit 205 Millimetern Gesamtlänge und 82 Millimetern Klingenlänge gehört das „EVO 1.6“ zu den mittelgroßen Foldern und besitzt für ein EDC alltagstaugliche Abmessungen. Der Rahmen des Messers wird von zwei 1,5 Millimeter starken Platinen aus „Z20“ gebildet. Diese in Frankreich gebräuchliche Abkürzung geht auf die AFNOR Norm zurück. Den Stahl Z20C13 kennt man auch unter den Bezeichnungen AISI 420, X20Cr13 oder 1.4021.

Aufbau, Technik, Material

Die Liner sind durch einen 30 Millimeter langen Backspacer, einen auffällig dünnen Anschlagpin und die Achsschraube miteinander verbunden. Slim, also schlank, wirkt dieses Messer nicht nur durch die 2,95 Millimeter starke Klinge, sondern auch durch den nur gut 13 Millimeter breiten Griff. Zwischen Linern, Klinge und Carbon-Griffschalen findet sogar noch ein Kugellager Platz.

„Slim“ ist regelrecht Programm bei diesem Messer aber alle möglichen Nachteile einer schmalen Bauform umschifft Romain Bignon geschickt. Mit gut 20 Millimetern Höhe, der leichten Bogenform des Griffs und den dezenten Fingermulden schmiegt sich das BIB’s EVO 1.6 geradezu in die Hand. Die Handlage des nur 125 Gramm schweren Folders ist für kleine und mittelgroße Hände bequem und sicher.

Romain Bignon BIB Evo 1.6
Romain Bignon BIB Evo 1.6

Kein Flipper, kein Daumenpin, keine Bohrung in der Klinge aber trotzdem ein Einhandmesser. Romain hat sich für eine andere Öffnungstechnik entschieden. Ein kleines Stück der Klingenwurzel ragt an der Unterseite des Messers aus dem Griff und dient dem Daumen als Hebelfläche. Durch leichten Druck auf diese Fläche und die Klinge wird angehoben. Mit etwas Übung kann man sie mit einem Zug bis ins Lock schieben. Leichter wird es, wenn man nach dem Anheben der Klinge das Messer eine Viertelumdrehung in der Hand dreht.

Damit der Öffnungsvorgang elegant und in einer einzigen, geschmeidigen Bewegung abläuft, braucht man ein wenig Übung. Die Öffnungstechnik des Frontflippers lehnt entfernt bei Friction Foldern an. Ein langer Hebel, der sich an der Kleidung verfangen könnte, ist jedoch nicht vorhanden.

Eine Klinge zum Verlieben

Sehr auffällig ist das Finish der Klinge. Zunächst strahlt Romain die Klinge, anschließend wird sie poliert. „Microbillée et polie“ nennt er dieses Verfahren und beide Techniken bleiben in der Optik des fertigen Messers erhalten. Die durch das Strahlen erzeugte Feinstruktur bleibt erkennbar, das Polieren verleiht Glanz und verleiht der Klinge eine noble Optik, ohne dem Bling-Bling einer Spiegelpolitur Konkurrenz zu machen. In Kombination mit den Carbon-Griffschalen ergibt sich ein harmonisches Ganzes, da sich die Strukturen der Kohlefasergriffe und die Klingenoberfläche optisch gut ergänzen.

Böhler N690Co
C Cr Co Mo Mn Si V
1,08 % 17,3 % 1,50 % 1,1 % 0,40 % 0,4 % 0,10 %

Der Klingenstahl N690Co ist für ein Taschenmesser eine brauchbare Wahl. Der hohe Chromanteil macht den Stahl äußerst rostträge. Zudem lässt sich der oft für medizinische Klingen eingesetzte Stahl von Böhler-Uddeholm gut polieren. Romain hat die Gratlinie der Drop-Point Klinge sehr hoch angesetzt. Der Flachschliff erstreckt sich also fast über das gesamte Blatt. Der Klingenrücken ist poliert und besitzt ein feinstrukturiertes Jimping. Der Klingenschliff des „BIB’s EVO 1.6“ ist handwerklich einwandfrei. Die Schneide ist seitensymmetrisch und winkelstabil, die Klinge auf der ganzen Länge sehr scharf (9/10).

Romain Bignons Folder verriegelt die Klinge per Linerlock. Der Lock steht beim neuen Messer nur etwa bei 20 Prozent, verriegelt die Klinge aber sicher. Ein Detent Ball befindet sich auf dem Lock Arm. Die Vorspannung des Detent ist gut eingestellt, die Klinge lässt sich nicht herausschütteln und der Klingengang wird nicht negativ beeinflusst. Das Entriegeln gelingt mühelos. In Griffschale und Liner gegenüber dem Lock Arm ist eine kleine Ausbuchtung eingefräst, sodass das Lock zielsicher und ohne Kraftaufwand entriegelt werden kann.

Die schmale Klinge ist schneidfreudig und der fast über das gesamte Klingenblatt reichende Flachschliff unterstützt diesen Eindruck nachhaltig.

Der Klingengang ist dank des Kugellagers perfekt, leichtgängig und geschmeidig, ohne axiales oder radiales Klingenspiel.

Viel besser geht es nicht!

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Französische Hersteller stehen bei einigen Messerfans im Ruf, es mit der Verarbeitungsqualität nicht immer ganz genau zu nehmen. Egal ob laissez-faire oder teutonischer Perfektionismus: Das Messer von Romain Bignon hält jeder kritischen Begutachtung stand. Trotz der schlanken Bauform ist das Messer sehr stabil, die eingesetzten Materialien sind hochwertig und die Verarbeitung ist tadellos.

Die Schraubenköpfe des Griffschalen sind versenkt, die Carbon-Griffschalen sind perfekt angepasst und ihre Oberfläche so fein geschliffen, dass man fast von einer Politur sprechen kann. Dadurch tritt das Muster der Kohlefasern deutlich hervor und schon aus der Entfernung lässt das Messer keinen Zweifel aufkommen, welcher Werkstoff hier verbaut wurde.

Form, Materialwahl und Ausführung des Messers sind zeitlos elegant und bewusst oder unbewusst deckt Romain Bignon mit seinem Stil einen weiten Bereich ab. Liebhaber taktischer Messer werden sich für die französische Schönheit genauso begeistern können wie Freunde klassischer Gentlemen Folder. Trotzdem ist das Messer an keiner Stelle beliebig oder gar ein fauler Kompromiss zwischen verschiedenen Stilen – es besitzt eine eigenständige, moderne Form mit einer dezenten Anleihe bei französischen Klassikern.

Das BIB’s EVO 1.6 von Romain Bignon in der Praxis

Das Handling des „BIB’s Evo 1.6“ ist gut und es macht Spaß, das Messer zu bespielen. Schnell hat man vier verschiedene Möglichkeiten gefunden, das Messer zu öffnen. Am elegantesten ist die Variante, die Klinge durch Druck mit dem Daumen auf den „Kicker“ anzuheben und dann das Messer blitzschnell in der Hand zu drehen und dann Druck mit dem Zeigefinger zu geben. Nur Zeigefinger geht auch, braucht aber von allen Varianten die meiste Übung. Klinge anheben und aus dem Handgelenk aufschleudern funktioniert natürlich auch, passt aber nicht wirklich zu diesem Messer. Abgesehen davon besitzt die erste Variante definitiv mehr Chic.

BIB's EVO 1.6 von Romain Bignon mit Lederköcher
BIB’s EVO 1.6 von Romain Bignon mit Lederköcher

Im Alltag ist das EVO 1.6 ein praktischer Begleiter mit hohem Nutzwert bei vielen Gelegenheiten. Ob im Büro, beim Waldspaziergang oder beim Besuch von Freunden, dass Messer macht immer eine gute Figur und ist „anpassungsfähig“. Es lässt sich beim Small Talk mit Kollegen in der Kaffeeküche auf dem Gang langsam und charmant öffnen und bei anderen Gelegenheiten wild aufflippen. Der Auftritt des Messers ist – wenn gewünscht – sozial verträglich und obwohl es nicht eben klein ist, wird man – auch bei Nicht-Messerfans – kaum damit anecken.

Ebenso weit ist der Einsatzbereich: Bei allen Alltagsaufgaben macht das BIB’S Evo 1.6 von Romain Bignon eine gute Figur. Obwohl das Messer optisch eher einen „leisen“ Auftritt pflegt, verbirgt sich hinter dem Carbon-Gewand ein kleiner Schneidteufel. Im täglichen Gebrauch merkt man schnell, dass die praktischen Eigenschaften ausgezeichnet sind und als vollwertiges EDC gelten darf. Insgesamt ist Romains Messer ein echter „”compagnon fidel”, ein höchst angenehmer Begleiter.

Romain Bignon BIB Evo 1.6 – Fazit

Wer Freude an Messern mit klassischer Optik oder Taschenmessern mit dezent-taktischer aber nicht „takticooler“ Optik hat, kann im „BIB’S EVO 1.6 Slim Carbone“ seinen Partner finden. Romains Preise liegen je nach Größe und Ausführung seiner Messer (noch) auf dem Niveau Serienmessern von Reeve und Strider.

Dafür erhält man ein vollständig in Handarbeit hergestelltes Unikat in überzeugender Qualität. Da Messer von Romain Bignon zumindest in Deutschland recht selten sind, sorgt das BIB’s EVO sogar für einen Hauch Exotik in der Hosentasche. Geliefert wird das Messer übrigens in einem Lederköcher, dessen Material- und Verarbeitungsqualität dem hohen Niveau des Messers entsprechen.

Auf der Coutellia 2017 in Thiers war der Stand von Romain Bignon stets dicht umlagert. Die jährlich im Mai stattfindende Coutellia nennt sich selbst das „weltweit größte Festival zum Thema Messer”, was eher als optimistische Einschätzung gelten darf. Nichtsdestotrotz besucht ein Großteil der europäischen Messerszene die Ausstellung in Thiers.

Viele Messerfans wurden erst auf der Coutellia oder den Wochen danach auf Romain Bignon aufmerksam. Genauso schnell wie sich sein Tisch während der Ausstellungstage leerte, verschwanden auch die Verkaufsangebote von seiner Homepage. „Non disponible” ist seitdem ein Synonym für Romains Messer. Da sein Preis-Leistungsverhältnis zurzeit noch ausgesprochen günstig ist, lautet mein Tipp: Wer ein Messer von Romain Bignon besitzen möchte, sollte kaufen, solange seine Werke noch bezahlbar sind!

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Romain Bignon BIB’s EVO 1.6Daten und Ausstattung
Messertyp Einhandmesser, Frontflipper
Klingenlänge / Schneide82 mm / 84 mm
Klingenstärke2,95 mm
Klingenform Drop Point
Klingenhöhe26 mm
KlingenstahlBöhler N690Co
Länge offen / geschlossen205 mm / 122 mm
GriffmaterialCarbon
Gewicht125 Gramm
Romain Bignon - Bib Evo 16
In einem Satz:
Französische Messerkunst vom Feinsten!
Klingenstahl
Anschliff
Design, Praxistauglichkeit, Sicherheit
Material- und Verarbeitungsqualität
Ergonomie und Justage
Preis-Leistungs-Verhältnis
4.4
Knife-Blog Wertung