Something Obscene Company J-Cape 2.0 Review

Something Obscene Company: J-Cape Flipper

Something Obscene Company. Eine irgendwie obszöne Firma. Damit ist nicht etwa ein Messer oder eine Werbekampagne mit reichlich nackter Haut gemeint, sondern eine neue Messermarke aus den USA kokettiert mit diesem Begriff. Die Something Obscene Company kommt aus Oklahoma und ist das Projekt von Felix Landon Archibeque. Der Messermacher betreibt die „obszöne Firma“ im Alleingang und hat neben einer Reihe von Fixed Blades seit einiger Zeit auch Folder am Start. Bereits der Firmenname weckt Interesse und Knife-Blog geht der Frage nach, ob der J-Cape 2.0 Flipper nicht nur schön obszön, sondern auch schön praxistauglich ist …

„Nomen est omen.“ Das lateinische Sprichwort lässt sich frei mit „der Name ist Programm“ übersetzen. Ein ironischer Unterton schwingt bei dieser Redensart immer mit und auch Knifemaker Felix Archibeque geht mit einer guten Portion Selbstironie ans Werk. „Der Name entstand schon 2011, als ich noch hauptsächlich als Fotograf unterwegs war“, erklärt Felix.

Seit dem Einstieg in die professionelle Entwicklung und Herstellung von Messern sind gut zwei Jahre vergangen. Gut 700 Messer hat der 28-jährige Felix Archibeque bisher in den USA verkauft. Ein echter Newcomer also. Seinen Job als Starkstromelektriker hat er inzwischen gegen eine Vollzeittätigkeit als Messermacher getauscht.


Ich wollte einfach einen Namen, der aus der Masse herausstach, cool war und der etwas ‚Badass-Feeling‘ mitbringt. Als ich begann, Messer für den amerikanischen Markt herzustellen, stand nie im Zweifel, dass ich den Namen fortführen würde.

Felix Landon Archibeque

Aus dem Hobby, Fixed Blades für sich selbst und ein paar Freunde herzustellen, erwuchs Berufung und wurde zum Beruf. Messermacher mit eigener Werkstatt statt an Strommasten emporklettern, herstellen wofür man brennt und davon leben können, das ist der amerikanische Traum für Felix Archibeque.

Something Obscene Company

Das klassische Szenario. Fast alle Großen der Messerszene sind ihrer Leidenschaft gefolgt und als Quereinsteiger zum Messermachen gekommen. Einen Automatismus gibt es allerdings ebenso wenig wie ein Abonnent auf Erfolg. Nicht aus jedem „Garagen-Business“ entstehen Firmen wie Microsoft, Apple, Strider Knives oder Spartan Blades. Auch der Weg junger Messermacher folgt einer klassischen Kennlinie. Fast immer beginnt es mit Fixed Blades, dann folgen erste Zeichnungen für Folder und bei den Besten entstehen viele Jahre später handgemachte Klappmesser der Extraklasse.

Something Obscene Company J-Cape 2.0
Something Obscene Company J-Cape 2.0

Das Messer im heutigen Review ist ein Design von Felix Archibeque und wird von WE Knife produziert. Die chinesische Firma hat in den letzten beiden Jahren den internationalen Markt durch Messer mit erstklassiger Frästechnik, gutem Finish und höchst ungewöhnlichen Designs bereichert.

Der Framelock Folder J-Cape 2.0 ist als Flipper ausgeführt und bringt alle Zutaten mit, die man von einem hochwertigen Messer erwarten darf. Die Klinge aus S35VN läuft in einem Keramiklager zwischen Griffschalen aus 6AL-4V Titan. Ein Stahleinsatz im Lock Arm stellt den Kontakt zur Klingenwurzel her und verriegelt die Klinge spielfrei. Auch ein Überdehnschutz („Overtravelstop“) ist in den Stahleinsatz integriert. Der Detent Ball befindet sich vorne und weit unten am Lock Arm.

J-Cape 2.0 Flipper – Technik

Diese Variante wird häufig für Flipper gewählt, weil die sich öffnende Klinge quasi aus dem Detent ins Lock fällt. Nur Millimeter bevor die Klinge beim Öffnen ihre Endposition erreicht, drückt der Detent Ball nicht mehr gegen die Klingenwurzel. „Klack!“ Eine Hundertstelsekunde später rutscht der Lock Arm mit einem zweiten, wesentlich lauteren „Klack“ hinter die Klingenwurzel.

Knife-Blog stehen zwei J-Cape Folder für das Review zur Verfügung. Bei beiden steht das Lock mit etwa 20 bis 25 Prozent Überdeckung ausgesprochen früh, verriegelt die Klinge aber zuverlässig. Bei keinem der Messer lässt sich die Klinge aus der Verriegelung drücken oder durch einen Schlag auf den Klingenrücken lösen.

Der J-Cape 2.0 Flipper ist ein voluminöser Folder mit hoher Klinge und einem Griff, der eine Männerfaust gut ausfüllt. Die Klingenform ist eine Augenweide! Vom Griffansatz erhebt sich die Daumenauflage in einem leichten Bogen bis zu einem Absatz. Von dort verläuft der Klingenrücken gerade bis zur Spitze, wobei dieser Teil mit einer breiten Swedge versehen ist.

Unterhalb der hoch angesetzten und parallel zur Schneide verlaufenden Gratlinie findet sich ein ausgeprägter Hohlschliff. Die Kehlung des Hohlschliffs wird im vorderen Teil der Klinge sichtbar. Dieser Abschnitt besitzt einen Flachschliff, was die Klingenspitze widerstandsfähiger macht und die Optik durch eine Facette aufwertet.

Beim Klingendesign ist der J-Cape Flipper alles andere als obszön. Swedge und Hohlschliff nehmen viel Gewicht aus der Klinge, ohne die Stabilität zu mindern. Die bogenförmige Daumenauflage mit dem stark konturierten Jimping erweist sich als bequem und ermöglicht viel Druck auf die Schneide. Der ausgeprägte Hohlschliff lässt das J-Cape zum Schneidteufel werden, normalerweise keine Paradedisziplin für Folder mit hoher Klingengeometrie.

Die Klingenoberflächen der satinierten Variante sind bei Hohlschliff, Swedge und nahe der Klingenspitze in Vertikalrichtung gebürstet, der Rest des Blatts ist in horizontaler Richtung gebürstet, wodurch ein reizvolles Two-Tone-Finish entsteht. Die Schneide des J-Cape Folders ist absolut seitensymmetrisch geschliffen und sehr scharf (9.5/10). Auch die Klingenspitze ist perfekt; Winkel und Facetten sind auf beiden Seiten identisch.

Mit dem Ansatz der Schneide hinter der voluminösen Schleifkerbe hat der Grinder aber sichtlich gekämpft. Dort ist – identisch bei beiden Messern – nicht nur ein leichter Absatz zu erkennen, der letzte Zentimeter der Schneide liegt auch nicht perfekt auf der Linie der Schneide.

Something Obscene Company J-Cape 2.0 - Klingenschliff

Dadurch ergibt sich ein minimaler Recurve. Offenbar wollte der Grinder nicht von der vertikalen Schleifrichtung abweichen, konnte die Linie aber nicht halten, weil der schräg von oben kommende Ansatz des Hohlschliffs im Weg war. Klingt kompliziert, ist eine Feinheit und in der Praxis kein Beinbruch. Optisch stört es aber die ansonsten traumhafte Linienführung der Klinge und praktisch wird der Messerbesitzer beim Nachschleifen mit dieser Eigenheit zu kämpfen haben.

Das Logo der „Something Obscene Company“ ist eine geballte Faust mit dem Symbol für Hochspannung auf dem Mittelfinger, womit Felix Archibeque die Brücke zu seinem früheren Beruf schlägt. Das Logo ist auf beide Klingenseiten gelasert, zusätzlich sind auf der rechten Seite Stahlsorte („CPM-S35VN“) sowie Seriennummer und Auflage („XXX/100“) angegeben.

Der Griff wird von zwei rund vier Millimeter starken Titanplatten gebildet (0.160“, 4,064 mm). Beide sind durch einen voluminösen Spacer und die Achsschraube verbunden. Die Titanoberflächen sind schmucklos, glatt und anthrazitfarben anodisiert. Der Spacer ist farblich angepasst und besteht aus einem soliden Stück Titan, an dessen Außenseite sich die Riffelung des Jimpings wiederholt. Der Spacer umschließt die Klingenspitze und ist durch zwei Schrauben mit jeder Griffschale verbunden. Dieser Aufbau erzeugt einen äußerst stabilen Rahmen. Das J-Cape von Felix Archibeque lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass es für den harten EDC-Alltag gut gerüstet ist.

Wofür steht J-Cape?

Der Name „J-Cape“ ist ungewöhnlich und ich frage bei Felix Archibeque nach. „Josh Cape war mein Arbeitskollege, Freund und wir teilten die Leidenschaft für gute Messer. Er starb im Alter von 39 Jahren und hinterließ eine große Lücke. Es war fast zwangsläufig, ein Messer nach ihm zu benennen, das er sicherlich gemocht hätte“, teilt mir Felix per Messenger mit.

Die Handlage des „etwas obszönen“ J-Cape Flippers ist nicht nur gut, sie ist hervorragend. Der Griff ist ausreichend lang und hoch, um eine mittelgroße Männerfaust auszufüllen. Die Kontur der unteren Griffkante bietet jedem Finger ausreichend Platz und guten Halt.

Während der Zeigefinger in einer üppig bemessenen Fingermulde liegt, ruht der Daumen in entspannter Haltung auf dem Jimping des Klingenrückens.

Das Messer lässt sich ohne Kraftaufwand regelrecht in der Hand verkeilen und erlaubt sowohl ermüdungsfreies Arbeiten wie auch hohe Kontrolle über die Schnittführung.

Auffällig ist der Taschenclip. Er wird aus dem gleichen anodisiertem Titan gefertigt wie die Griffschalen und symbolisiert in seiner Form das Warnzeichen für Hochspannung.

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Wie immer bei einem Flipper liegt auch beim J-Cape 2.0 ein Hauptaugenmerk auf dem Klingengang. Das Keramiklager ist neben hoher Fertigungspräzision der Schlüssel, warum die voluminöse Klinge leichtgängig in die Endposition gleitet. Der Detent ist eher auf der straffen Seite und wünscht einen knackigen Impuls. Der Kraftaufwand zum Öffnen ist für ein Messer dieser Größe allerdings erstaunlich gering.

Versionen und Finish-Varianten

Bisher sind bei der Something Obscene Company drei Versionen des J-Cape 2.0 erschienen. Neben der „all-black“ Variante, die Felix „murdered out“ nennt, gibt es das Messer auch mit der im Review abgebildeten satinierten Klinge.

Die Messer des ersten, in zwischen ausverkauften, Runs besaßen eine Klinge mit Stonewash Finish und bronzefarben anodisierten Clips und Spacern. Eine kleine Sonderserie von 25 Stück des J-Cape Folders sind mit Klingen aus Chad Nichols Damast versehen und mit Clips und Spacern aus Timascus ausgestattet. Ob es eines dieser Messer allerdings bis nach Europa schaffen wird, ist noch unklar.

Something Obscene Company: J-Cape Flipper
J-Cape 2.0 Folder der Something Obscene Company mit Stonewash Klinge und “murdered out”

Natürlich stelle ich Felix Archibeque meine Lieblingsfrage, die Messermacher regelmäßig an den Rand des Wahnsinns treibt: „Welche Überlegungen hattest du beim Design dieses Messers, welche Idee steht dahinter?“, möchte ich wissen. Nach kurzer Bedenkzeit kommt eine überraschend ausführliche und sehr offene Antwort.


Oh Mann, die Idee hinter dem Messer? Im Grunde wollte ich nur ein einzigartiges „Badass“-Messer. Nicht schick, nicht auffällig, keine Verzierungen – nur ein solides Messer, dem man ansieht, dass es zu etwas taugt. Ein Messer, auf das ein hart arbeitender Mann stolz sein könnte.“ Nach kurzer Pause fügt der Messermacher aus Broken Arrow, Oklahoma hinzu: „Der Taschenclip war mir wichtig.

Das Design in Form eines Blitzes ist das Bindeglied zu meinem Leben als Hochspannungselektriker. Wenn man einen krassen Folder in der Tasche trägt, kann ihn niemand sehen. Nur der Clip ist sichtbar. Deshalb widme ich ihm so viel Aufmerksamkeit. Ich habe fast ein Jahr am Zeichenbrett zugebracht, bis ich mit dem Design des J-Cape Folders in allen Details zufrieden war. Es ist echt schwer, eine eigenständige Form zu entwickeln und sich von den Millionen anderen Messern abzuheben.

Something Obscene Company: J-Cape Flipper – Fazit

Hersteller WE Knife hat das J-Cape in sehr ordentlicher Qualität realisiert. Die Facettierung der Klinge ist nahezu perfekt, die Oberflächenbearbeitung von Klinge und Griffschalen ebenfalls. WE Knife ist bei Knife-Blog allerdings schon früher einmal mit mangelnder Präzision beim Klingenschliff aufgefallen. Auch der J-Cape Flipper macht in diesem Punkt keine Ausnahme.

Something Obscene Company - Birth Card

Jedes Messer kommt mit einer individuellen Geburtsurkunde von Felix Archibeque.

Der Schliff nahe dem Ricasso ist WE Knife etwas missglückt, da die Maschinen nicht zur Klingenform passen und man dies offenbar nicht durch Handwerk kompensieren kann. Die Praxistauglichkeit des J-Cape Folders wird dadurch nicht einschränkt, es ist primär ein optisches Manko. Zugegeben, es ist Jammern auf hohem Niveau, aber es geht definitiv besser.

Mit einem Preis von 249,95 Euro ist der obszöne Framelock Flipper ein faires Angebot. Einige Messerfans sind bereits auf den Newcomer aufmerksam geworden und Generalimporteur „Klingenreich.de“ hat alle Mühe, genügend Nachschub über den Teich zu bekommen.

Felix hingegen denkt bereits an die Zukunft. Folder im High-End-Bereich in Handarbeit zu fertigen und damit in die Fußstapfen von Mentor Darrel Ralph zu treten, sind seine langfristigen Ziele.

Die Mühe, ein eigenständiges Design und eine eigene, klare Handschrift zu entwickeln, hat sich gelohnt. Felix Archibeque ist ein bemerkenswerter Folder gelungen. Bei Flipper-Eigenschaften, Spaßfaktor und Solidität kann das Messer der Something Obscene Company punkten. Der Klingenschliff erzwingt eine Abwertung. An der Praxistauglichkeit des J-Cape Folders besteht kein Zweifel.

Mission accomplished, stay obscene, Felix!

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J-Cape 2.0 FlipperDaten und Ausstattung
Messertyp Titan Framelock Folder mit Flipper-Öffnung
Klingenlänge / Schneide84 mm / 95 mm
Klingenstärke4,046 mm
Klingenform Drop Point
Klingenhöhe36 mm
KlingenstahlCPM-S35VVN
Länge offen / geschlossen203 mm / 119 mm
GriffmaterialTitan
Gewicht165 Gramm
Something Obscene Company: J-Cape Flipper
In einem Satz:
Solider Folder für den Alltag mit einem kleinen Wermutstropfen beim Anschliff.
Klingenstahl
Anschliff
Design, Praxistauglichkeit, Sicherheit
Material- und Verarbeitungsqualität
Ergonomie und Justage
Preis-Leistungs-Verhältnis
4.3
Knife-Blog Wertung