White River Caper - Review und Praxistest

White River Caper – Neck Knife oder EDC?

Die kleine Messermanufaktur White River Knives aus Michigan ist in Europa noch ein relativ unbeschriebenes Blatt. Das amerikanische Familienunternehmen stellt eine überschaubare Anzahl klassischer Messermodelle her, die sich hauptsächlich an Jäger und Angler wenden. Mit dem Modell Caper hat White River auch ein kleines Fixed Blade als Alltagsmesser im Angebot. Optisch ein Neck Knife, praktisch ein EDC – das White River Caper versucht den Brückenschlag zwischen beiden Welten. Ob die Symbiose aus Neckie und EDC geglückt ist, klärt sich im Knife-Blog Praxistest.

White River Knife & Tool Inc. oder kurz White River Knives ist ein Familienunternehmen aus Coopersville, Michigan, USA. Das ist nicht allzu weit von dem Ort entfernt, an dem sich Fuchs und Hase allabendlich „Gute Nacht“ wünschen. Coopersville ist eine Kleinstadt fernab der großen Metropolen des Landes, nicht weit vom Lake Michigan, etwa auf halben Weg zwischen Grand Rapids und Grand Haven gelegen. Eine ländliche, typisch amerikanische Gemeinde mit einer pittoresken Hauptstraße und einem weitläufigen, dünn besiedelten Industriegebiet im Nordwesten.

In Sichtweite einer Fabrik für Motorsportteile stellt White River Knives in einer schmucklosen aber blitzsauberen Fabrikhalle neben Schneidwerkzeugen für Industriemaschinen vor allem Messer her.

Wenn es ein Klischee für klassisch-amerikanische Messer geben sollte, White River Knife würde es erfüllen. Die Modellpalette ist übersichtlich. Der Bushcrafter „Firecraft“, einige Jagdmesser mit unterschiedlichen Klingenformen, einer großen Auswahl an Filetiermessern, ein Chefmesser für die Küche und last but not least zwei kleine Fixed Blades: Backpacker und Caper. Letztere sind in Ausführung und Größe weitgehend identisch. Während der Griff des Backpacker mit Paracord umwickelt ist, besitzt das Caper Griffschalen aus Canvas Micarta.

White River Caper als EDC
Das White River Caper mit Griffschalen aus Micarta

Die Gesamtlänge des White River Caper beträgt 7 Zoll (178 mm) wobei 3 Zoll (76 mm) auf die Klinge und 4 Zoll (102 mm) auf den Griff entfallen. Die Klingenlänge misst White River Knives von der Spitze bis zur Schleifkerbe und nicht – wie in Deutschland üblich – von der Spitze bis zur vordersten Kante des Griffs. Dieser Abstand beträgt 87 Millimeter und lässt die Klinge etwas länger erscheinen, als sie tatsächlich ist. Die Gesamtlänge von 178 Millimetern und das Gewicht von 128 Gramm (Messer und Kydex-Scheide mit Gürteladapter) platziert das Messer aus Michigan am Übergang zwischen einem großen Neckie und einem kleinen Fixed.

Am Klingenrücken beträgt die Stärke der Drop-Point Klinge 3,1 Millimeter. Eine Gratlinie verläuft von der Klingenmitte in Richtung Griff, unterhalb derer das Klingenblatt bis zur Schneidkante flach geschliffen ist. Als Klingenstahl setzt White River Knives auf CPM-S30V, der auf 59 bis 60 HRC gehärtet wird. Der pulvermetallurgische S30V von Crucible Steel ist einer der wenigen Stähle, die gezielt für Messerklingen entwickelt wurden. S30V besitzt gute Allroundeigenschaften und keine Schwächen. Obwohl die Legierung inzwischen zu CPM-S35VN weiterentwickelt wurde, zählt S30V nach wie vor zur Oberklasse moderner PM-Stähle.

Auf der linken Seite der Klinge befinden sich einige Lasergravuren. Neben der Stahlsorte und der Herkunftsbezeichnung „USA“ ist der Schriftzug „White River“ und ein stilisierter Bär eingelasert. Der White River ist ein nur 38 Kilometer langer Fluss, der den Manistree National Forrest durchfließt und in den White Lake mündet. Da sich das Familienanwesen an diesem Fluss befindet und auch ein zahmer Bär zur Historie gehört, finden sich beide Elemente in Firmennamen und Logo wieder.

Spezifikation: CPM-S30V

CPM-S30V
C N Cr Mo V W Mn Si S P
1,45 % 0,20 % 14,0 % 2,0 % 4,0 % 0,1 - 0,4 % 0,50 % 0,50 % 0,30 % 0,30 %

Klinge und Tang des White River Caper sind sehr fein satiniert und zusätzlich leicht überpoliert. Dadurch spiegelt die Klinge leicht und der feine Glanz verleiht dem Caper ein hochwertiges Aussehen. Den Eindruck eines wertigen Messers unterstützen die Griffschalen aus Canvas Micarta. Der Verlauf der Schichten und Übergänge im Micarta entsprechen der Form des Griffs. Es sind solche Kleinigkeiten, die ein Messer aus der Masse herausheben, denn man merkt, dass der Hersteller sein Produkt auch im Detailbereich abstimmt anstatt nur beliebige Teile zusammenzusetzen.

In jeder Beziehung kann das White River Caper mit einer mustergültigen Verarbeitung punkten. Die Griffschalen sind perfekt angepasst und sauber mit dem Erl verschliffen. Nirgendwo findet man einen Spalt, eine Kante oder einen spürbaren Übergang. Die Griffschalen sind mit dem Erl verklebt und werden durch zwei hohlgebohrte Bolzen fixiert. Auch an diesen Bolzen ist nirgendwo der kleinste Absatz oder gar eine Kante spürbar, obwohl die Griffschalen an dieser Stelle leicht gerundet sind. Bei genauer Betrachtung beeindruckt das auf den ersten Blick recht unscheinbare Caper durch seine gute Verarbeitung.

White River Caper - Klingengravur

Schriftzug, Logo, Stahlsorte, Herkunftsland. Die Lasergravur auf der Klinge des White River Caper ist groß und kontrastreich.

White River Knives investiert einen hohen Anteil Handarbeit in seine Produkte. Das kommt nicht nur der Anpassung der Micarta Griffschalen, sondern auch dem Klingenschliff zugute. Dass die Klinge in reiner Handarbeit geschliffen wird, zeigt sich durch minimale Abweichungen in der Links-Rechts-Symmetrie. Eine negative Auswirkung ergibt sich daraus nicht.

Caper. Auf Deutsch: Kapper. Der Name ist Programm! White River Knives zieht jede Messerklinge nach dem Schliff auf Leder ab. Das Ergebnis ist erfreulich: Die Klingenspitze ist fein ausgeschliffen und symmetrisch, die Schneide des Caper ist auf der gesamten Länge gleichmäßig und gut geschärft (9/10).

Kydex-Scheiden, die von Messerhersteller produziert werden, sind bekanntermaßen nicht immer von erster Qualität. Selbst bei teuren Messern sind oft Mängel bei Verarbeitung oder Passgenauigkeit zu beklagen. Beides ist beim White River Caper nicht der Fall. Das Messer rastet mit wenig Kraftaufwand und einem dezenten „Klick“ in der Kydex-Scheide ein und sitzt dort anschließend bombenfest. Obwohl das Caper straff in der Kydex-Scheide sitzt, ist der Kraftaufwand zum Ziehen nicht zu hoch. Es lässt sich selbst mit Gewalt nicht herausschütteln und kann bedenkenlos „Reverse“, also mit dem Griff nach unten, am Gürtel getragen werden.

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White River Caper

White River Knives empfiehlt sein Caper als Universalmesser für alle Lebenslagen, bewirbt es als idealen Bestandteil der Kleidung. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, hat White River die Kydex-Scheide des Messers für alle erdenklichen Trageweisen gestaltet. Das Caper kann als echtes Neck-Knife mittels Kette oder Kordel um den Hals getragen werden. Das Gewicht von rund 115 Gramm für Messer und Scheide (ohne Gürteladapter) lässt diese Trageweise noch zu.

Ein Gürteladapter, der mittels zweier Schrauben an der Kydex-Scheide befestigt werden kann, gestattet das Tragen des Messers Tip-Up oder Tip-Down am Gürtel. Der Gürteladapter lässt sich auch um 45° oder 90° Grad versetzt montieren, sodass das Messer schräg oder quer am Gürtel getragen werden kann. Bei der dritten Variante verschwindet das Caper im Stiefelschaft. Dazu muss nur eine Schraube gelöst werden, so dass nur noch der untere Teil des Gürteladapters mit der Kydex-Scheide verbunden ist. In dieser Konfiguration lässt sich die Kydex-Scheide tief im Stiefelschaft versenken und der Gürteladapter dient als Klemmvorrichtung.

White River Caper mit Kydex-Scheide

Die Kydex-Scheide des White River Caper ist gut verarbeitet und praktisch

Die äußeren Bohrungen an der Kydex-Scheide sind durch Hohlnieten verstärkt. Die Material- und Verarbeitungsqualität der Scheide ist überdurchschnittlich und entspricht der Qualität des Messers. Als einziges kleines Manko ist aufgefallen, dass die Überlappung von oberer und unterer Seite des Gürteladapters nicht perfekt übereinanderliegen aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Auswirkungen auf Stabilität oder Praxistauglichkeit ergeben sich dadurch nicht. Insgesamt beeindruckt die Kydex-Scheide von White River durch ihre durchdachte und funktionelle Gestaltung.

Jedem Caper liegen eine ausführliche Montageanleitung mit Tragevariante für die Kydex-Scheide sowie eine Produktkarte („Birth Card”) mit den technischen Spezifikationen des Messers bei.

Handhabung und Ergonomie

Beide Bereiche sind in der Regel die großen Schwachpunkte der kleinen Neck Knives. Winzige Griffe, an denen die Finger keinen Platz finden und geringe Durchmesser, die keine sichere Handhabung des Messers zulassen, sind die häufigsten Kritikpunkte. Das Caper ist in dieser Hinsicht eine Ausnahme! Zwischen der stark konturierten Mulde für den Zeigefinger und dem Griffende liegen 90 Millimeter, was einer kräftigen Männerhand (Handschuhgröße 9.5) soeben ausreicht, um das Messer bequem und sicher halten zu können.

Das raue Jimping auf dem Klingenrücken ist richtig platziert und bietet dem Daumen eine rutschfeste Auflagefläche. Im Zusammenspiel der tiefen Fingermulde für den Zeigefinger, dem ausreichend langen Griff und der Daumenauflage lässt sich das Caper regelrecht in der Hand verkeilen, wobei das Messer bequem und sicher in der Hand liegt. Mit dem Daumen lässt sich viel Druck auf die Klinge ausüben, ohne dass die Kontrolle über die Schnittführung leidet.

Auch im Reverse Grip liegt das Caper sicher in der Hand, was für ein Neck Knife dieser Größe keine Selbstverständlichkeit darstellt. Dadurch wird die notwendige “Ultima Ratio” Eigenschaft betont, da sich ein echtes Neckie zur Not als letztes Verteidigungsmittel eignen muss.

Preis-Leistungs-Verhältnis

In den USA bietet White River Knives das Caper auf seiner Homepage für 150,- Dollar an. Signifikante Preisunterschiede durch große Online-Händler gibt es bei den Messern von White River nicht. In Deutschland werden die Messer von White River seit Kurzem vom Start-Up Unternehmen „Gearbitch“ angeboten. Der Preis für ein Caper mit Micarta Griff liegt bei circa 190,- Euro.

White River Caper Details

Im Bereich der Neck Knives ist das Caper im oberen Preisbereich angesiedelt und ist etwas teurer als ein Extrema Ratio NK2 oder das Enyo von Spartan Blades.

Beiden gegenüber bringt das Caper allerdings eine bessere Kydex-Scheide sowie den Vorteil größerer Praxistauglichkeit für Alltagsaufgaben mit.

Da Material und Verarbeitung des Messers ausgezeichnet sind und die kleine Kydex-Scheide ein echtes Sahnehäubchen ist, bleibt das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmig. Ein Messer für Sparfüchse ist das Caper nicht. Der Kundenkreis liegt eher im Bereich der Messerfreunde, die Qualität und fein abgestimmtes Design schätzen und nicht jeden Cent zweimal umdrehen.

White River Caper – Fazit

Das White River Caper wirkt auf den ersten Blick unscheinbar. Sowie man das Messer führt und benutzt merkt man, dass hinter dem Caper solides Messerwissen und akribische Feinarbeit steckt. Messer und Scheide sind durchdacht und praxistauglich realisiert. Der Spagat zwischen Neck Knife und EDC ist White River Knife & Tool gut gelungen. Das Caper ist klein und soeben noch leicht genug, um es bequem um den Hals tragen zu können. Auf der anderen Seite bietet es mit 75 Millimetern geschliffener Schneide eine ausreichend große Klinge, um den überwiegenden Anteil der Alltagsaufgaben gut zu erfüllen.

Bei Material- und Verarbeitungsqualität hat das Messer aus Michigan keine Schwächen gezeigt, Handhabung und Ergonomie liegen durchweg im grünen Bereich. Im Auslieferungszustand rasiert die Klinge mühelos und das Caper entpuppt sich im Alltag als kleiner Schneidteufel. Die Kydex-Scheide gehört zum Besten, was ich bisher von einem Messerhersteller gesehen habe. Weder bei Design und Verarbeitung noch im praktischen Einsatz hat das Messer von White River Schwachstellen offenbart.

White River Knives gewährt auf seine Produkte lebenslange Garantie, verzichtet auf Importe aus Billiglohnländern und fertigt mit einem verhältnismäßig hohen Anteil an Handarbeit. Solche Tugenden schlagen sich naturgemäß auf den Preis nieder. Mit knapp 200 Euro hängt das Caper von White River die meisten Neckies nicht nur leistungsmäßig, sondern auch preislich ab. Der Preis relativiert sich, da man keine (brauchbare) Kydex- oder Lederscheide anfertigen lassen muss.

Wie bereits gesagt, das Caper ist kein Artikel für Schnäppchenjäger aber ein Neck Knife, an dessen Nutzwert man wirklich Spaß hat. Es ist eines der wenigen Messer, bei dem die Symbiose aus Neckie und kleinem Fixed Blade tatsächlich geglückt ist. Wer ein Neck Knife der Spitzenklasse sucht, wird beim White River Caper fündig und wird den Anschaffungspreis in Rekordzeit verdrängen.

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    White River Caper
    In einem Satz:
    Hochwertiges Neck Knife aus der Preisoberliga.
    Klingenstahl
    Anschliff
    Design & Ergonomie
    Material- und Verarbeitungsqualität
    Survival-Faktor
    Preis-Leistungs-Verhältnis
    4.6
    Knife-Blog Wertung