Es gibt Köche und Messerfans, bei denen sich ein gutes Dutzend Kochmesser in den Messerblöcken drängeln. Eine spezielle Klinge für jede Aufgabe. Andere nehmen für alle Schneidearbeiten ein und dieselbe Klinge her. Wie viele Kochmesser braucht der Mensch? Knife-Blog hat seine Messerblöcke in die Ecke gestellt und sechs Wochen lang alle Küchenarbeiten mit nur zwei Messern erledigt. Beide unterschreiten die Preis-Schmerz-Grenze von 200,- Euro deutlich und müssen im Alltag Zeugnis über ihre Fähigkeiten, Stärken und Schwächen ablegen.
Inhalt und Übersicht
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Kochmesser können eine Handvoll Münzgeld oder ein Vermögen kosten. Dabei teilen Küchenmesser und Rotweine eine Gemeinsamkeit. Bei beiden steigt die Qualität nicht zwangsläufig mit dem Preis. Manch teuren Grand Cru Classé entlarvt die Zunge als schales Tröpfchen, das eher nach Rangierbahnhof Nordseite als nach aristokratischem Terroir schmeckt. Und manches mit großem Wortbrimborium beworbene Edelmesser ziert sich trotz Kleinwagenpreis im Küchenalltag wie eine zickige Ballerina.
Die Messer in diesem Test kosten im deutschen Online-Fachhandel zwischen 129,- und 189,- Euro. Ist der Ausdruck „preiswert“ bei diesen Preisen eigentlich noch erlaubt? Eindeutig ja, denn preiswert heißt nicht billig, sondern dass das Messer durch ein ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis sein Geld wert ist.
Abgesehen davon, sind langlebige und brauchbare Kochmesser unter 100 Euro kaum zu bekommen, auch wenn viele Hersteller von Massenware gerne das Gegenteil behaupten. Ein ordentliches Messer für die Küche hat – bei pfleglicher Behandlung – eine Lebenserwartung von 10 Jahren und mehr. Die Lebensdauer relativiert daher den Anschaffungspreis und gerade für Kochmesser gilt: „Wer billig kauft, kauft zweimal!“
Preiswerte Kochmesser 2021
Bei den Küchenmessern im heutigen Test handelt es sich ausnahmsweise nicht um chinesische Produkte, obwohl alle aus Fernost stammen. Yaxell und KAI heißen die Hersteller, die ihre Messer beide in Japan fertigen lassen. Die KAI Group ist in der japanischen Klingenmetropole Seki City (関市) beheimatet ist und lässt dort einige Edelserien ihrer Küchenmesser fertigen. Ein Teil der Herstellung erfolgt bis heute in Handarbeit, für andere Produktionsschritte kommen hochmoderne Maschinen zum Einsatz.
Das Kochmesser aus der Serie KAI Shun, das heute für den Test bereitliegt, gehört zu den teilhandwerklich hergestellten Messern des Konzerns. Für die günstigeren Produktlinien gibt die KAI Group weder einen Produktionsstandort noch ein Herstellungsland an. „Kai Housewares products are produced in Kai facilities throughout the world“ („Produkte von KAI Haushaltswaren werden in Fabriken von KAI in aller Welt hergestellt“), teilt die Firma lapidar mit und lässt ihre Kunden damit gezielt im Unklaren.
Bleibt die Herkunft eines Messers im Unklaren, kann mit getrost ein paar Euro darauf wetten, dass es aus China kommt. Die schamhafte Zurückhaltung bei der Herkunftsangabe stammt aus der Zeit, als die Begriffe „China“ und „qualitativ hochwertiges Messer“ nicht schmerzfrei in einem Satz untergebracht werden konnten.
Die Zeiten haben sich geändert. Selbst China-Messer-Skeptiker müssen heute konstatieren, dass in Sachen Produktqualität bei vielen chinesischen Herstellern in den letzten Jahren regelrechte Quantensprünge stattgefunden haben. Nicht nur bei Taschenmessern, sondern auch im Bereich der Küchenmesser haben einige chinesische Hersteller ihre westlichen Konkurrenten beim Preis-Leistungs-Verhältnis eingeholt, wenn nicht sogar überholt. Die Herkunftsangabe eines Landes sagt heute kaum mehr etwas über die Qualität eines Messers aus. In allen Ländern findet man Hersteller hochwertiger Messer ebenso wie minderwertigen Ramsch. Das gilt für China ebenso wie für Deutschland, Japan oder die USA.
Kai Shun Kochmesser DM0723
Genau genommen müsste die Überschrift „Kleines Kochmesser“ lauten, jedoch wird es trotz „nur“ 15 Zentimeter Klingenlänge unter der Bezeichnung in der Überschrift angeboten. Der Begriff Kochmesser ist nicht definiert und so lässt die normative Kraft des Faktischen jedes Schneidwerkzeug zum Kochmesser werden, wenn man es entsprechend einsetzt. Eine Mindestlänge der Klinge lässt sich im Hinblick auf Eignung und Tauglichkeit eines Kochmessers nicht festlegen. Zu unterschiedlich sind Vorlieben, Erfahrung und Geschick der Menschen, die beruflich, aus Neigung oder aus purer Not am Herd stehen.
Tatsächlich gibt es nur wenige Küchenarbeiten, bei denen die Klinge des Kai Shun Kochmessers ein wenig zu kurz erscheint. Etwa beim Schneiden von Fleischscheiben für Rouladen. Die große Fläche einer strammen Rinderoberschale erfordert einen langen Zugschnitt und mit dem KAI Shun muss man den Schnitt zwei-, dreimal neu ansetzen. Ein Gyuto mit einer Klingenlänge von 23 Zentimeter oder mehr ermöglicht perfektere Scheiben und schnelleres Arbeiten.
Wie gesagt, bei dieser Spezialaufgabe erweist die Klinge des KAI Shun Messers als ein wenig kurz geraten, bei allen anderen Tätigkeiten ist die Klingenlänge jedoch völlig ausreichend. An dieser Stelle sollte nicht unerwähnt bleiben, dass ich Kochmesser mit langen Klingen bevorzuge und das Gardemaß in meinem Kochmesserblock bei 23 Zentimetern liegt. Entsprechend skeptisch war der erste Blick auf das scheinbar etwas klein geratene Kai Shun Kochmesser.
Ohne Scham kann ich zugeben, dass mich aller Erfahrung zum Trotz manchmal ein Messer narrt und sich Ersteindruck samt Vorurteil in der Praxis nicht bestätigen. Und das KAI Shun Kochmesser ist ein solcher Fall. Schon bei den ersten Schnitten zeigt sich die Klingenlänge eher als Vorteil denn als Nachteil. Die sehr gut geschärfte Klinge ist leichtführig und gewährt ausgezeichnete Kontrolle über die Schnittführung.
Technische Daten KAI Shun DM0723
- Klingenform: Gyuto
- Klingenlänge: 152 mm
- Klingenstärke: 2,35 mm, verjüngend
- Klingenstahl: 3-Lagen, Damast / VG-10 Laminat
- Gesamtlänge: 277 mm
- Balancepunkt: Klingenansatz
- Griffmaterial: stab. Pakka Holz
- Gewicht: 141 Gramm
Foto: KAI Europe GmbH
Durch die – verhältnismäßig – kurze Klinge erlangt das KAI Shun Kochmesser bemerkenswerte Allround-Eigenschaften und eignet sich für so ziemlich alle in der Küche anfallenden Arbeiten. Sogar beim Ausbeinen macht es eine gute Figur, was durch die Klingenform zunächst wenig wahrscheinlich erscheint. Egal ob Gemüse geputzt oder geschnitten, Fisch vorbereitet oder Fleisch portioniert wird –alle Aufgaben lassen sich mit dem kleinen Kochmesser mühelos bewältigen.
Die Klinge des KAI Shun Kochmessers besteht aus einem Laminat von 32-lagigem Damaststahl mit einem Kern aus VG Max. Schnoddrige Zeitgenossen bezeichnen solche Laminate gerne abschätzig als Tapetendamast. Etwas Schlechtes ist an solchen Klingen nicht, denn zwischen den weichen, elastischen Damastlagen befindet sich ein sehr harter Schneidstahl, der für eine 15 Zentimeter lange Klinge allein nicht ausreichend zäh und bruchsicher wäre.
Die Schneidlage des Messers von KAI besteht aus VG-MAX, einer Weiterentwicklung des bekannten VG-10 Stahls. Beide Stähle sind Produkte der japanischen Firma Takefu. Die Unterschiede im Legierungskonzept fallen deutlich aus und beschränken sich nicht auf ein paar Nachkommastellen. Vor allem die Zugabe von Wolfram und der erhöhte Kobaltanteil machen sich beim VG-MAX bemerkbar und erzeugen feineres Metallgefüge, was zu einer härteren, schnitthaltigen und letztlich sogar schärferen Klinge führt.
Kohlenstoff | Chrom | Vanadium | Wolfram | Molybdän | Kobalt |
---|---|---|---|---|---|
1,10 % | 16,0 % | 3,0 % | 3,0 % | 1,50 % | 2,50 % |
Die Schärfe der Klinge des KAI Shun Kochmessers kann überzeugen und die Schnitthaltigkeit ist gut. Erstmals nach vier Wochen täglicher Benutzung musste die Klinge auf einem Rubinstab abgezogen werden und hält ihre Schärfe seitdem unverändert gut. Das Messer ist robust und pflegeleicht, der gegenüber VG-10 höhere Chrom- und Wolframgehalt machen den Schneidstahl sehr korrosionsträge. Der Damast ist ebenfalls rostträge, sodass sich die Pflege des Messers auf Reinigung und Trockenreiben beschränken kann. Der Griff aus laminiertem Pakka-Holz ist ergonomisch gut gelungen und ebenso pflegeleicht wie die Klinge.
Die größte Stärke des kleinen Kochmessers ist seine universelle Einsatzmöglichkeit. Es kann eine Handvoll Messer gleichwertig ersetzen und nur wenige Arbeiten in der Küche erfordern ein Messer mit einer spezialisierten Klingenform. Das KAI Shun Kochmesser ist ein Allrounder zum fairen Preis von 175,- Euro, an dem man oft und lange seine Freude haben wird.
Mon, Ran und Zen – Drei Kochmesser von Yaxell
Die japanische Firma Yaxell ist bei Weitem nicht so bekannt wie die global aufgestellte KAI Group, aber das könnte sich in Kürze ändern. Yaxell bietet eine Vielzahl von Kochmessern, die sich an klassisch japanischen Grundformen orientieren, aus ordentlichen Materialien gefertigt werden und die gleichzeitig preislich attraktiv sind. Im Abschnitt „Links“ ist ein Verweis auf das große Gesamtprogramm von Yaxell vermerkt.
Yaxell stellt sein Gyuto in drei Ausführungen her. Die Unterschiede liegen dabei nicht in Größe oder Form der Messer, sondern bei der Auswahl des Klingenstahls. Dadurch unterscheiden sich die Modelle auch beim Preis, alle drei Kochmesser bleiben unterhalb der 200,- Euro Grenze.
Das Yaxell Mon ist mit einem Preis von 129,- Euro das Günstigste der drei Messer. Es besitzt eine Laminatklinge, deren Mittellage aus VG-10 besteht. Beide Außenlagen bestehen aus rostträgem Stahl, wodurch das Yaxell Mon pflegeleicht ist und als preiswertes Arbeitstier taugt. Der Griff aus Leinen-Micarta ist geglättet. Seine Oberfläche wirkt versiegelt, was das Festsetzen von Schmutz verhindert und den Einsatz des Messers auch unter den Hygienevorschriften einer Profiküche ermöglicht.
Zwanzig Euro mehr muss man für das Yaxell Zen beim Händler auf den Tisch legen. Auch bei diesem Messer finden wir eine Laminatklinge mit VG-10 Kern. Damaststahl mit 18 Lagen ist das Material für die Außenseiten des Kochmessers. Die obere Hälfte der Klinge des Zen ist durch ein Hammerschlagmuster stark konturiert. Über den optischen Effekt hinaus sorgt die Struktur dafür, dass Schnittgut weit weniger stark an der Klinge haftet als bei einer glatten Oberfläche. Dafür muss man beim Reinigen des Messers ein wenig mehr Aufwand betreiben, da Blut oder Fette dazu neigen, sich an den Strukturkanten festzusetzen.
Auch beim dritten Kochmesser von Yaxell finden wir das Grundkonzept einer Laminatklinge mit VG-10 Kern. Mit 189,- Euro ist das Modell Ran das teuerste Messer des Yaxell-Trios. Zwei Merkmale unterscheiden es von günstigeren Zen: Der Laminatstahl an den Außenseiten besteht aus 34 Lagen und statt Hammerschlagstruktur besitzt das Ran eine glatte Klinge. Auch beim Griffmaterial hat der Hersteller etwas tiefer in die Materialkiste gegriffen und dem Messer einen Griff aus Leinen-Micarta in Holzoptik spendiert.
Alle drei Yaxell Kochmesser unterscheiden sich beim Handling kaum und in der Schneidleistung überhaupt nicht.
Für welches Modell man sich entscheidet, hängt weniger von technischen Eigenschaften der Messer als vom persönlichen Geschmack und einem wohlwollenden Blick ins Portemonnaie ab.
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In der Praxis haben sich alle drei Yaxell Kochmesser bewährt und ermöglichen zügiges und entspanntes Arbeiten. Die Schärfe der VG-10 Schneiden ist hoch, die Schnitthaltigkeit gut bis sehr gut. Nachschärfen auf einem Wasserstein ist bei VG-10 möglich, teure Diamantschleifsteine muss man weder für die Yaxell Messer noch für das Kochmesser von KAI Shun anschaffen.
Technische Daten Yaxell Ran
- Klingenform: Gyuto
- Klingenlänge: 200 mm
- Klingenstärke: 2,0 mm, verjüngend
- Klingenstahl: 3-Lagen, VG-10 Laminat
- Gesamtlänge: 336 mm
- Balancepunkt: Klingenansatz
- Griffmaterial: Micarta
- Gewicht: 215 Gramm (Ran)
Die Abmessungen aller drei Yaxell Kochmesser sind fast auf den Zehntelmillimeter identisch, sodass die für das Modell Ran angegeben Werte auch für Mon und Zen gelten.
Die Unterschiede im Gewicht betragen wenige Gramm und haben keine Auswirkung auf die Handhabung. Ursache sind die unterschiedlichen Klingenstähle.
Die Klingenstärke der drei Yaxell Messer beträgt nur zwei Millimeter. Das lässt sie spielerisch durch Schnittgut jeder Art gleiten und die schmale Klinge verhindert, dass Schnittgut auseinandergedrückt wird, bricht oder reißt. Zudem weisen die 205 Millimeter langen Klingen überdurchschnittliche Elastizität auf, was die Handhabung der Messer vor allem bei harten Schnittgut wie luftgetrocknetem Schinken oder Capocollo calabrese positiv beeinflusst. Die Kochmesser von Yaxell haben keine ergonomischen Mängel und sind für Profis und Hobbyköche bestens geeignet.
Preiswerte Kochmesser – Geht die Rechnung auf?
Die Messer im heutigen Test beweisen, dass man keine Unsummen für ein in jeder Hinsicht zufriedenstellendes Kochmesser ausgeben muss. Dass mit dem KAI Shun Kochmesser und dem Trio von Yaxell ausschließlich japanische Produkte aufeinandergetroffen sind, hat der Zufall ergeben. Ebenso ungeplant und völlig überraschend war, wie gut sich die beiden Messer im Küchenalltag ergänzen, obwohl sie sich in ihrer Grundform sehr ähnlich sind.
Wer auf der Suche nach einer bezahlbaren Grundausstattung für seine Küche ist, sollte die Kombination aus einem KAI Shun DM0723 und einem der Yaxell Messer in Betracht ziehen. Mit einem der Yaxell Kochmesser im Gyuto Stil und dem kleinen KAI Shun Kochmesser lassen sich 95 Prozent aller in der Küche anfallenden Arbeiten hervorragend bewältigen.
Beide Hersteller kombinieren gutes Material mit stimmigen ergonomischen Konzepten und guter Verarbeitung. Bei keinem der Messer hat sich ein Kritikpunkt ergeben, das Preis-Leistungs-Verhältnis ist rundum zufriedenstellend. Am Ende muss der persönliche Geschmack darüber entscheiden, ob man sich für eines der Messer aus Japan entscheidet oder ein paar Euro mehr aus dem Geldbeutel nimmt und sich bei den handgefertigten Einzelstücken deutscher Messermacher umschaut.
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Links zu Küchenmessern
- Bezugsquelle KAI Shun Kochmesser: Altonaer Silberwerkstatt
- Bezugsquelle Yaxell Kochmesser: Messer Maxx
- Hintergrund: Messerstahl – Ein kleines Kompendium
- Knife-Blog Thema: Küchenmesser
- Knife-Blog Thema: Kochmesser von Messermachern
Titelbild: iStock.com:YelenaYemchuk, Composition: Knife-Blog