Der Messermarkt ist ein dynamischer Geselle! Morgens scheint der Markt gesättigt, abends taucht scheinbar aus dem Nichts ein neuer Anbieter auf und stellt die gewohnten Hierarchien Kopf. Mitten in diesem Chaos steht ein Messermodell wie der sprichwörtliche Fels in der Brandung: das Umnumzaan von Chris Reeve. 2008 wurde das Umnumzaan als großer Bruder des Sebenza vorgestellt und seit zehn Jahren wächst seine Fangemeinde. Zeit um einen Blick auf Geschichte, Technik und Modellentwicklung des Umnumzaan zu werfen. Dazu gehören leider auch zahlreiche Fälschungen, von denen vor allem eine bereits bei vielen Messerfans für Verdruss gesorgt hat.
Inhalt und Übersicht
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1987 begann die Erfolgsgeschichte von Chris Reeve mit der Vorstellung der ersten handgefertigten Exemplare des Sebenza. Innerhalb kurzer Zeit erfuhr dieses Modell als „Large Sebenza“ weltweite Nachfrage und Anerkennung. Das Large Sebenza besitzt typische EDC Größe, trägt in der Hosentasche nicht auf und meistert doch die meisten Schneidearbeiten souverän. Trotzdem wollte in der Fangemeinde der Ruf nach einem „Heavy Duty“ Folder nicht verstimmen.
Erst knapp 20 Jahre später wurde der Wunsch erfüllt, als Chris Reeve kurz vor der Blade Show 2008 die ersten Prototypen eines neuen Folders präsentierte. Das neue Messermodell schlug wie eine Bombe ein! In allen Foren wurde das Umnumzaan heiß diskutiert und war in den folgenden Monaten chronisch ausverkauft.
Auf der Blade Show war das Umnumzaan der unangefochtene Star und der Stand von Chris Reeve war noch dichter umlagert als gewöhnlich. Dann der Samstagabend auf der Blade Show mit der traditionellen Preisverleihung im Festsaal. Zu vergeben ist die höchste Auszeichnung „Overall Knife oft the Year“. Natürlich gewann das Umnumzaan!
Chris Reeve Umnumzaan
Die Namensgebung der Messer orientiert sich wie fast immer bei Chris Reeve an Begriffen aus der Zulu Sprache. Sebenza bedeutet „Arbeit” oder „arbeiten” und der Name ist Programm: das EDC ist das Arbeitspferd für den Alltag. Schwieriger wird die Übersetzung beim Namen „Umnumzaan“. In der Sprache der Zulu steht der Begriff für Herr oder Hausherr (zum Beispiel aus der Sicht von Untergebenen). In der amerikanischen Version wird Umnumzaan gewohnt hemdsärmelig mit „Boss“ übersetzt.
Was unterscheidet das Umnumzaan vom Sebenza und wie erklärt sich der Erfolg dieses Messers? Das Umnumzaan ist vom ersten Bleistiftstrich an als Heavy Duty Folder konzipiert worden und ist nicht nur eine verstärkte Version bereits existierender Modelle. Dadurch blieben dem Messer sowohl Kompromisse wie auch Altlasten erspart. Das Umnumzaan verkörpert ein gradliniges Konzept mit hoher Eigenständigkeit und technischer Raffinesse.
Die Eckdaten sprechen eine deutliche Sprache: Das geöffnete Umnumzaan misst etwas über 21 Zentimeter bei einer Klingenlänge von 92 Millimetern. Dabei bringt das Messer nur knapp 145 Gramm auf die Waage, woran die leichten Titan-Griffschalen und der Verzicht auf einen Backspacer wesentlichen Anteil haben. Im Gegensatz zu den glatten Oberflächen der (Standard) Sebenza Modelle war das Umnumzaan vom ersten Tag an durch seine tief ins Titan gefräste Linien erkennbar.
Modifikationen im Lauf der Zeit
Heute werden vielfach zwei Generationen Umnumzaan unterschieden, doch einen „harten“ Wechsel im Sinn eines Vorgängers und eines Nachfolgers gab es nicht. Die Veränderungen erfolgten stattdessen nach und nach. Tim Reeve spricht vom „Constant Improvement“, also permanenter Verbesserung sowie der behutsamen Übernahme technischer Weiterentwicklungen. Durch die Summe der vielen kleinen Veränderungen ist der Unterschied zwischen einem Umnumzaan 2008 und einem aktuellen Modell allerdings so groß geworden, dass die Bezeichnung „2. Generation“ legitim erscheint.
Die erste sichtbare Veränderung Anfang 2011 betraf die Fingermulde für den Zeigefinger, die auch Zugriff auf die Lock Bar beim Entriegeln gewährt. Die Fingermulde wurde etwas stärker ausgekehlt und ihre untere Kante umgestaltet, sodass sie dem Daumen mehr Auflagefläche beim Entriegeln bietet. Diese Veränderung stand seinerzeit auf der Wunschliste der Umnumzaan Fans ganz oben.
Die augenfälligste Veränderung betrifft die Achsschraube. Anfänglich wurde eine ungemein solide wirkende „Oversized Pivot Screw“ verbaut, die nur mit einem Spezialwerkzeug zu öffnen oder zu justieren war. Obwohl diese Schraube sehr edel wirkte und ein Alleinstellungsmerkmal für das Umnumzaan war, fiel sie 2012 einer Modifikation zum Opfer. Oversized war allerdings nur der Schraubenkopf, denn der Durchmesser der Achsschraube war geringer als bei den heutigen Modellen.
Umnumzaan aus den ersten Jahren sind an der großen Achsschraube leicht zu erkennen.
Einige Zeit vorher hatte Chris Reeve mit der Entwicklung des Sebenza 25 begonnen und gegenüber dem Sebenza 21 waren zahlreiche Veränderungen geplant. Eine davon betraft die Achsschraube mit größeren Unterlegscheiben, die zudem rundum mehrere Bohrungen besaßen. Diese Bohrungen fungieren als Ölreservoir, sodass die Messer längere Wartungsintervalle ermöglichten, ohne dass die Achse trocken lief und sich der Klingengang verschlechterte. Diese Änderung wurde zeitgleich mit der kleineren Achsschraube auch beim Umnumzaan in die Serienfertigung übernommen.
Die Änderung der Achsschraube gilt vielen Messerfans als Trennlinie zwischen beiden Generationen, dabei sind vorher und nachher weitere Modifikationen erfolgt. Bereits einige Wochen vor dem Wechsel auf die kleine Achsschraube wurde die Lock Bar mit einem Überdehnschutz versehen. Dadurch existiert eine relativ kleine Zahl Umnumzaan, mit großer Achsschraube und Überdehnschutz. Gelegentlich führt diese Kombination zu der Vermutung, es müsse sich bei diesen Messern um Fälschungen handeln, aber keine Sorge, diese Umnumzaan sind echt.
Auch nach 2012 wurden weitere Modifikationen vorgenommen, wobei der genaue Zeitpunkt oft unklar geblieben ist.
Einerseits nimmt Chris Reeve Knives die Modifikationen oft in aller Stille vor, anderseits liegen oft noch Messer der vorangegangenen Ausbaustufe in den Regalen der Händler, wenn die Fabrik bereits das modifizierte Modell ausliefert.
Auch dieser Umstand verschleiert den Zeitpunkt einer Veränderung bei technischen Details.
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Auch wenn das Umnumzaan mit seinen gefrästen Titan-Griffschalen ein wenig schmucklos wirkt, beinhaltet es eine technische Finesse, die sich allerdings erst auf den zweiten Blick zeigt. Am Ende der Lock Bar sitzt an der inneren Kante eine kleine Kugel aus Keramik. Der keramische Werkstoff ist so hart, dass seine Härte kaum nicht mehr exakt messbar ist und laut Chris Reeve Knives im Bereich oberhalb von 200 HRC liegen soll. Dadurch kommt das vergleichsweise weiche Titan beim Verriegeln der Klinge nicht mehr in Kontakt mit dem Klingenstahl und der Verschleiß liegt nahe Null.
Technik und Details des Umnumzaan
Wenn die Klinge eingeklappt ist, setzt sich die Keramikkugel in eine kleine seitliche Vertiefung in der Klinge. Daher lässt sich die relativ schwere Klinge des Umnumzaan selbst mit heftigen Bewegungen nicht aus der geschlossenen Position schütteln, obwohl der Kraftaufwand zum Überwinden des Detent beim Öffnen nicht sehr hoch ist.
Auch die Keramikkugel wurde bereits modifiziert, die ursprüngliche Kugel wurde (Ende 2015?) gegen eine geringfügig größere Keramikkugel ausgetauscht. Diese Veränderung besitzt eine Parallele zur Entwicklung des Inkosi – viele bei diesem Modell gemachten Erfahrungen wurden auch auf das Umnumzaan übertragen.
Die 92 Millimeter lange und 3,5 Millimeter lange Klinge wurde anfänglich aus CPM-S30V hergestellt. Im letzten Quartal 2011 wurde er durch CPM-S35VN ersetzt, der sich durch einige Feinjustierungen bei den Legierungselementen und eine kleine Menge Vanadium unterschiedet. Auch beim Wechsel des Klingenstahls lässt sich der Zeitpunkt nicht exakt bestimmen. Chris Reeve Knives gab damals nur bekannt, dass der Wechsel fließend erfolgen würde, wenn der Bestand an CPM-S30V aufgebraucht sei. Durch den Warenbestand der Zwischenhändler und Online-Shops fand die Umstellung also nicht zu einem fixen Termin, sondern in einem mehrmonatigen Zeitraum statt.
Kritikpunkte beim Umnumzaan
Seit 2008 begleitet ein Kritikpunkt das Umnumzaan wie ein Schatten. Versucht man das Messer zu öffnen, indem man den Klingenheber („Thumb stud“) mit dem Daumen nach oben drückt, will das nicht recht funktionieren. Selbst mit Druck bis an die Schmerzgrenze lässt sich die Klinge kaum einen Millimeter bewegen.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Einhandmessern mit Klingenheber muss der Daumendruck statt nach oben geradewegs nach vorn gerichtet sein, dann hebt sich die Klinge bereits mit wenig Kraftaufwand. Dieses Zusammenspiel aus Hebelarm, Winkel, Kraft und Drehmoment ergibt sich aus der Anordnung des Klingenhebers in Relation zur Klingenachse und ist ein Charakteristikum vieler Folder von Chris Reeve Knives. In abgeschwächter Form findet sich dieses Verhalten auch bei den Sebenza Modellen und dem Large Inkosi.
Egal ob man ein Fan der Marke Chris Reeve oder sein Konkurrent ist, in einem sind sich die Fachleute beim Umnumzaan einig: Form, Gestaltung und Schliff der Klinge gehören zum Besten, was man in der Messerwelt finden kann. Der ansteigende Klingenrücken mit kurzer, erhöht liegender Swedge und einer runden Einbuchtung nahe der Klingenwurzel bewirken Assoziationen mit dem Schnabel eines Raubvogels und machen die Klinge des Umnumzaan unverkennbar.
Für das Umnumzaan hat Chris Reeve einen Hohlschliff mit deutlich stärkerer Kehlung als beim Large Sebenza gewählt. Auch der Anschliff scheint eine Spur weniger ballig. Beides zusammen bewirkt giftige Schärfe und hohe Schneidleistung bei relativ guter Schnitthaltigkeit. Der Klingenstahl lässt diese Geometrie zu. Auch bei der Härtung hat sich im Lauf der letzten Jahre eine Veränderung ergeben: Durch eine Veränderung der Wärmebehandlung stieg die Härte der Klinge von ca. 58 HRC auf 60 HRC.
Zahlreiche Plagiate sorgen für Verdruss
Wenn man über langfristig erfolgreiche Messermodelle spricht, kommt man am Thema „unlizenzierte Nachbauten“ nicht vorbei. Gefälschte Umnumzaan gibt es fast solange wie das Original. Die Qualität der Fakes reicht von Schrott bis zu täuschend echt wirkenden Kopien, an denen sich sogar kaum sichtbare, technische Details wiederfinden.
Bei dieser Gruppe von Fälschungen sind nicht nur die Griffschalen aus Titan und das Rautenmuster täuschend ähnlich gefräst, selbst die komplizierte Platzierung der kleinen Kugel am Lock Arm wurde übernommen. Bei Plagiaten besteht die Kugel fast immer aus Stahl und nicht aus keramischem Material. Auch bei der Mechanik, also beim Öffnen und Schließen, ist kaum ein Unterschied zum Original feststellbar.
Das obige Foto zeigt ein gefälschtes Umnumzaan. Betrachtet man die Presentation Side, ist es vom Original selbst für Profis kaum zu unterscheiden. Erst ein Blick auf die Lock Bar entlarvt die Fälschung, denn die Ausbuchtung im Bereich des Daumenpins ist deutlich anders gestaltet. Insider wissen, dass der Schriftzug „Idaho Made“ nicht nur geringfügig verschoben angebracht ist, sondern überhaupt nicht zur Datierung des Messers passt.
Einige Fälschungen des Umnumzaan sind auf den ersten Blick nicht als Plagiat erkennbar, andere noch nicht einmal auf den Zweiten.
Insgesamt ist die optische Nähe zwischen Fake und Original jedoch so hoch, dass eine Unterscheidung auf Bildern unmöglich sein kann. Der minderwertige Klingenstahl der Fälschung – vermutlich ein Stahl der AISI440x Familie – ist dabei ebenso schwer erkennbar wie die zu glatt polierte Oberfläche der Klinge. Letztes und bestes Unterscheidungsmerkmal ist der deutlich längere und breitere Taschenclip der Fälschung, der nur eine oberflächliche Ähnlichkeit mit dem Clip des Originals besitzt.
Beim Ankauf eines gebrauchten Umnumzaan aus dem Internet ist also Vorsicht geboten, zudem die hier gezeigte Fälschung in Sachen optischer Perfektion nur oberes Mittelmaß ist. Auf Auktionsplattformen ist Misstrauen angebracht, denn die dort mögliche Verschleierung von Identitäten nutzt unseriösen Verkäufern. Besser ist, ein gebrauchtes Umnumzaan über eine der etablierten Verkaufsgruppen auf Facebook zu erwerben und sich, falls der Verkäufer nicht bereits bekannt ist, über seine vorangegangenen Transaktionen zu informieren.
Das Umnumzaan als EDC? Ja, wenn man sich mit der Größe des Folders anfreunden kann. Hinsichtlich Stabilität und Gebrauchsfähigkeit muss das Umnumzaan keinen Vergleich fürchten. Als einziges Messer von Chris Reeve Knives besitzt es einen Glasbrecher und qualifiziert sich damit erst recht als EDC. Trotzdem geben viele Messerfans dem kleineren Inkosi den Vorzug, da es leichter ist und in der Hosentasche weniger aufträgt.
Ein Phänomen könnte man als „Umnumzaan-typisch“ betrachten: Messerfans verkaufen ihr Umnumzaan, vielleicht weil es ihnen zu groß ist und wechseln auf ein anderes Modell. Kaum ist das Messer aus dem Haus, setzt der Trennungsschmerz ein und bald darauf erwerben sie ein neues „Umnum“. Einige haben diesen Zyklus schon mehrfach durchlaufen und schnell wird klar: Kein Umnumzaan ist auch keine Lösung!
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Links und Bewertung
- Knife-Blog Thema: Titan Framelock Folder
- Homepage: Chris Reeve Knives
- Wörterbuch: Zulu
- Pro & Contra: Wie Knife-Blog wertet