WE Knife Trogon

Black Beauty: WE Knife Trogon

Ein Einhandmesser als Framelock Folder mit Titangriff. Das klingt eher nach Langeweile als nach einem spannenden Taschenmesser. Doch Messer von WE Knife besitzen stets das Potenzial, gelangweilte Messerfans mit einer deftigen Überraschung aus ihrer Lethargie zu reißen. Das Trogon ist in diesem Punkt keine Ausnahme und besitzt eine bemerkenswerte Klingengeometrie mit einem noch bemerkenswerteren Anschliff. Das Messer ragt aus der Masse der aktuellen Neuerscheinungen heraus wie ein Leuchtturm. Knife-Blog hat das Trogon im Alltag erprobt und die Qualität des Taschenmessers und seine EDC-Fähigkeiten getestet.

Stammleser von Knife-Blog kennen unseren Tick, den Namen eines Messermodells zu ergründen und nach eventuellen Beziehungen zwischen der Bezeichnung und den Eigenschaften des Messers zu forschen. So auch beim Trogon. Was zunächst nach einem Planeten oder einem Volk aus einer Science-Fiction-Saga klingt, entpuppt sich beim näheren Hinsehen als tropische Vogelart. Da sich abgesehen von der schwarz-goldenen Farbgebung zwischen Messer und Vogel keine Analogie erkennen lässt, hat es unser gefiederter Freund nicht aufs Titelbild geschafft.

WE Knife Trogon

Das Trogon von WE Knife ist ein mittelgroßer Folder mit Einhandöffnung, dessen Klinge mittels Daumenpin geöffnet und durch ein Reeve Integral Lock (Framelock) verriegelt wird. Der Aufbau des Messers ist klassisch mit zwei Halbschalen aus 6AL4V Titan, die durch einen Backspacer aus Titan und die Klingenachse miteinander verbunden sind.

Die Klingenlänge des Trogon beträgt gut 81 Millimeter. Obwohl durch die kleine Schleifkerbe verkürzt, beträgt die Länge der Schneide stattliche 83 Millimeter. WE Knife gibt die Klingenform ganz bescheiden als „Spear Point“ an. Daran ist nichts falsch, denn die Klingenspitze liegt auf Höhe der Längsachse. Sofern man die Facetten außer Acht lässt, ist auch die für Spear-Point-Klingen notwendige Symmetrie gegeben.

WE Knife Trogon Nightmare Grind
Erst mit Überbelichtung gibt die schwarze Klinge des Trogon das Geheimnis ihres Anschliffs preis.

Doch von einem schnöden Dolch unterscheidet sich die Klinge des Trogon durch ihre komplexe Gestaltung. Die Klinge des WE Knife Trogon besitzt die charakteristischen Merkmale einer American Tanto Klinge von der Swedge auf dem Klingenrücken bis zur geteilten Schneide mit Hohlschliff.

Strider Knives war berühmt für die Kombination aus Flachschliff im vorderen Klingendrittel und einem Hohlschliff entlang der Schneide bis zum Ricasso. Allerdings blieb dieser aufwendige Anschliff den edlen Customs von Mick Strider und Duane Dwyer vorbehalten, während die Serienmodelle zumeist mit einem einfachen Flachschliff versehen waren.

Klingengeometrie und Anschliff

Nicht ohne Grund trägt diese Form des Anschliffs den Namen „Nightmare Grind“ (Albtraumschliff), denn die kleinste Ungenauigkeit beim Schleifen des Übergangs zwischen Flach- und Hohlschliff verwandelt die Klinge in Metallschrott. Nur selten wagen sich Hersteller von Serienmessern an den ebenso berüchtigten wie ausschussträchtigen Nightmare Grind.

WE Knife hat ganze Arbeit geleistet und wer immer dort am Bandschleifer steht, verdient Respekt. Nicht nur der Übergang zwischen Flach- und Hohlschliff ist ohne Fehl und Tadel, auch die Symmetrie zwischen linker und rechter Klingenseite ist perfekt gelungen. Selbst im Bereich vierstelliger Custom Knives sind fehlerfreie Nightmare Grinds eher die Ausnahme als die Regel.

Die Swedge auf dem Klingenrücken endet rund einen Zentimeter vor der Klingenspitze und erstreckt sich bis zu den Daumenpins, verjüngt den Klingenrücken also beinahe auf der gesamten Länge. Dadurch wird etwas Gewicht aus der Klinge genommen, hauptsächlich dient dieses Stilmittel aber dem Design des Messers. Durch die Facette wirkt die Klinge eleganter und gleichzeitig schlägt die „middle swedge“ optisch eine Brücke zu taktischen Messern.

Beim Klingenstahl setzt WE Knife bei Trogon auf den pulvermetallurgischen Stahl CPM 20CV der amerikanischen Firma Crucible Steel. Technisch entspricht dieser Stahl dem bekannten und geschätzten Böhler M390, der allerdings in China seit geraumer Zeit nicht verfügbar ist. CPM 20CV kombiniert alle Eigenschaften, die man von einem Taschenmesserstahl erwartet: gute Korrosionsträgheit, Bruchsicherheit und leichtes Nachschärfen trotz hoher Härte. Zudem lassen sich Schneiden aus CPM 20CV auf Null ausschleifen, ohne dass die Schnitthaltigkeit vorschnell in die Binsen geht.

Die Präzision der Klingengeometrie findet sich auch beim Anschliff der Klingen. Sowohl Klingenspitze, Flachschliff und Hohlschliff sind ebenso exakt und sorgfältig gearbeitet. Besser kann man es nicht machen und daher ist die Wertung von fünf Sternen mit Höchstpunktzahl redlich verdient.

Öffnen und Schließen der Klinge

Die Klinge des WE Knife Trogon wird mittels Daumenpin angehoben und in die Verriegelungsposition geschoben. Das funktioniert am bequemsten, wenn man Druck mit dem Daumengelenk auf den Pin nach schräg vorn ausübt. Obwohl der Detent straff genug ist, um die Klinge in jeder Situation sicher in der eingeklappten Position zu halten, ist der Kraftaufwand zum Öffnen niedrig. Für den geschmeidigen Klingengang sorgt ein keramisches Kugellager in halb offener Bauweise.

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Ein austauschbarer Stahleinsatz am Ende der Lockbar stellt bei geöffneter Klingen den Kontakt zur Klingenwurzel her, was einerseits den Verschleiß minimiert und andererseits das Festkleben von Titan auf Stahl („Sticky Lock“) verhindert. Zur Ausrüstung des WE Knife Trogon gehört außerdem ein Überdehnschutz („Overtravel Stop“) für die Lockbar, der verhindert, dass die Lockbar beim Entriegeln versehentlich zu weit nach außen gedrückt wird.

Das Entriegeln der Klinge benötigt ebenso wenig Kraft wie das Öffnen. Obwohl WE Knife beim Trogon auf eine Auskehlung der gegenüberliegenden Griffschale verzichtet, lässt sich der Druckpunkt zielsicher ansteuern.

Design, Ergonomie und Handlage

Schwarz-Gold geht immer! Die goldfarbenen Akzente des Trogon beugen der Einstufung als „Tacticooles“ Messer vor. Designer Brian Brown hat sein Augenmerk auf harmonischen Formen und Usability gelegt und verzichtet auf optische Gimmicks. Die Stärke des WE Knife Trogon liegt nicht in vordergründiger Effekthascherei, sondern im Aufwand bei der Gestaltung der Details. Der Taschenclip ist ein anschauliches Beispiel. Material und Farbgebung entsprechen den Griffschalen, seine Form unterstreicht die Linienführung des Messergriffs wobei Länge, Stärke und Vorspannung klar auf Praxistauglichkeit ausgerichtet sind.

Die Länge des Griffs beträgt beim WE Knife Trogon 115 Millimeter über alles. Rund 95 Millimeter stehen als Platz für die vier Finger zur Verfügung. Bei einer mittelgroßen Männerhand liegt der kleine Finger auf der kleinen Schräge am Griffende. Eine Fingermulde für den Zeigefinger im klassischen Sinn ist nicht vorhanden, stattdessen ruht der Finger auf einem geraden, leicht nach innen eingezogenem Abschnitt an der Griffunterseite. Durch eine Rundung mit engem Radius kann sich das Trogon wirkungsvoll am Zeigefinger abstützen. So besteht keine Gefahr, dass das Messer in der Hand nach hinten rutscht, wenn Druck auf die Klingenspitze ausgeübt wird.

Beide Griffschalen sind stark gewölbt. In der Mitte beträgt die Materialstärke 3,9 Millimeter, am Rand etwa 2,6 Millimeter. So ergibt sich in Längsrichtung leicht ovales Profil, wodurch sich das WE Knife Trogon bequem in die Hand schmiegt.

WE Knife Trogon, CNC handle scales
Mittels höchst präziser CNC-Technik entstehen Profil und Muster auf den Oberflächen der Griffschalen des Trogon. (Foto: WE Knife)

Die Oberflächen beider Griffschalen sind mit einem aufwendigen Fräsmuster versehen, das aus Hunderten eng nebeneinanderliegenden Rinnen besteht. Je dieser nach innen gewölbten Rinnen ist gerade einmal 0,7 Millimeter breit. Das Fräsmuster ist zu filigran, um es tasten zu können, haptisch wirkt die Oberfläche, als wäre sie mit grobkörnigem Sandpapier gleichmäßig aufgeraut worden.

Das Muster verläuft in einem 45° Grad Winkel zur Längsachse des Messers und natürlich besitzt die Oberfläche des Taschenclips das gleich Fräsmuster im exakt gleichen Winkel wie die Griffschalen. Im Alltag erweist sich die Struktur der Oberflächen als wirkungsvoller Schutz gegen ungewolltes Verrutschen des Messers in der Hand. Da es keinerlei Kanten, Übergänge oder Zwischenräume gibt, lassen sich die Griffschalen trotz ihrer feinen Struktur leicht reinigen.

Das WE Knife Trogon im Alltag

Die Klingenform funktioniert nicht nur, sie beeindruckt, nein, sie begeistert. Gegenüber einer typischen American Tanto Klinge liegt der große Vorteil der Trogon-Klinge im bogenförmigen Übergang zwischen Quer- und Hauptschneide. Beim „Original“ ist der Übergang in einem schroffen Winkel gestaltet, der ist bei Schneidearbeiten oft im Weg, setzt häufig ungewollt auf, nutzt sich in Rekordzeit ab und ist ein Albtraum beim Nachschleifen der Klinge. Brian Brown hat das Design der Grundform aufgenommen und gleichzeitig dessen Schwäche eliminiert.

Mit dem hervorragenden Anschliff setzt WE Knife das Potenzial frei, das der Designer im Konzept seiner Klinge verankert hat. Bei Schnitzarbeiten lässt sich die hohlgeschliffene Schneide leicht kontrollieren und hebt Späne ohne Kraftaufwand ab. Die Klingenspitze eignet sich für filigrane Schnitte und wenn einmal gröbere Aufgaben zu bewältigen sind, tritt wieder die Hauptschneide in Aktion. Alltagsaufgaben meistert das Trogon mit links.

Technische Daten

  • Bauart: Einhandmesser mit Framelock
  • Klingenlänge: 81,5 mm
  • Klingenstärke: 4 mm
  • Klingenstahl: CPM 20CV
  • Härte der Klinge: 60 HRC (+/- 1)
  • Griffmaterial: Titan
  • Griffbreite: 12,8 mm
  • Gesamtlänge: 197 mm
  • Länge geschlossen: 116 mm
  • Gewicht: 127 g

Bild: Qualitätskontrolle einer Griffschale während der Produktion im Werk von WE Knife. (Bild: WE Knife)

WE Knife Trogon,, Qualitätskontrolle

Öffnen, Schneiden, Schließen. Das klappt so einfach und zuverlässig, wie man es sich wünscht und das Arbeiten mit dem Trogon macht Spaß. Weil man keine Kompromisse eingehen muss, weil Optik und Haptik immer wieder aufs Neue begeistern, weil die Qualität stimmt und weil das Trogon vielen sauteuren Customs ganz lässig den Schneid abkauft.

Framelock Folder sind aufgrund der nur von einer Seite frei zugänglichen Klingenentriegelung für Linkshänder immer nur eingeschränkt nutzbar, öffnen lässt sich das Trogon aber durch die beidseitig angebrachten Daumenpins auch mit der linken Hand. Zwar können Linkshänder das Messer in der Hand um die Längsachse drehen und das Framelock mit dem linken Daumen entriegeln, aber „ambidextrous“ (beidhändig) ist die Konstruktion dennoch nicht. Der Taschenclip ist nur einseitig montierbar, sodass das WE Knife Trogon nur Tip-up auf der rechten Seite getragen werden kann.

Farbvarianten und Preise

Neben der schwarz-goldenen Farbvariante mit Black Stonewash Finish ist das Taschenmesser auch mit bronzefarbenen Titangriffschalen sowie mit unbeschichteten Klingen auch mit hellblauen oder titangrauen Griffschalen erhältlich.

Das Trogon wird in einer stabilen schwarzen Pappschachtel geliefert, in der sich neben einer gut verarbeiteten Cordura-Tasche einige Beigaben finden. Neben Poliertuch und einer englischsprachigen Gebrauchsanweisung (Wartung, Garantie) ist vor allem das beigelegte Datenblatt bemerkenswert. Jedes Detail von den verwendeten Materialien über Abmessungen und Farbvarianten des Messers bis hin zu Bestellnummern und Preisen ist akribisch aufgeführt.

WE Knife Trogon, Lieferumfang

What’s in the box?

Neben der Cordura Pouch, die über zwei Fächer für Messer verfügt, legt WE Knife umfangreiches Informationsmaterial, ein Poliertuch und eine Mini-Broschüre mit Tipps zur Wartung und Pflege bei. Letztere leider nur in Englisch.

Bei den Preisen handelt es sich um die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers (MSRP) sowie den weniger bekannten MAP (Minimum Advertised Price), also den nicht zu unterschreitenden Verkaufspreis. Letzterer liegt für das Trogon bei knapp 300,- US-Dollar. Die Preise im deutschen Online-Handel dürften sich etwa auf dem Niveau des MAP in Euro einpendeln. Etwas mehr als das Doppelte muss ein Messerfan für die rare Variante mit einer Klinge aus schwedischem Damaststeel ausgeben.

Die Preisexplosion bei Kraftstoffen, Logistikkosten und dem Rohstoff Titan ist längst bei Messern und Werkzeugen angekommen. Im ersten Jahr der Corona-Epidemie konnte man Framelock Folder der oberen Qualitätsklasse noch für deutlich unter 300,- Euro erwerben, heute wird diese Marke regelmäßig übertroffen. Gemessen an der Qualität des WE Knife Trogon erscheint dieser Preis heute fast günstig.

Messer von WE Knife sind auf dem Secondhand-Markt erfahrungsgemäß preisstabiler als viele Konkurrenzprodukte. Auf Zeit zu spielen, bis die ersten Exemplare in Foren und auf Messerbörsen auftauchen, wird sich finanziell vermutlich nicht lohnen und könnte eine Hängepartie werden, da die produzierte Charge schnell Liebhaber finden wird.

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Bildnachweis

Titelbild Hintergrund: Depositphotos.com:kobrin-photo , Composition: Knife-Blog

WE Knife Trogon
In einem Satz:
Man kann ein EDC anders machen, aber nicht besser.
Klingenstahl
Anschliff
Praxistauglichkeit
Qualität
Preis-Leistung
4.9
Knife-Blog Wertung