Defcon Tactical

Defcon Tactical – Los Angeles Knives

Noch ein neuer Stern am Flipper-Himmel: Defcon Tactical. Die Firma mit US-amerikanischen und taiwanischen Wurzeln bedient das hart umkämpfte Segment der Titan Framelock Folder. Auf der IWA Outdoor Classics präsentierte Firmenchef Sam Sung die aktuelle Modellpalette und konnte sich über mangelnde Aufmerksamkeit nicht beklagen. Neben gelungener Optik könnte die aggressive Preispolitik der amerikanischen Firma selbst chinesische Hersteller in Zugzwang bringen. Geht das auf Kosten von Qualität und Alltagstauglichkeit? Knife-Blog hat zwei Flipper von Defcon Tactical im Praxistest auf die Probe gestellt.

Inhalt und Übersicht

Defcon. Hinter dem Firmennamen verbirgt sich eine Abkürzung für die „Defense readiness condition“, kurz „Defense Condition“ der US-Streitkräfte. Über die Skala von 5 (Frieden) bis 1 (maximale Einsatzbereitschaft) wird die aktuelle Bedrohungslage des Landes reflektiert. Der höchste jemals ausgerufene Bedrohungszustand war Defcon 2 während der Kuba-Krise 1962. Irgendwie ein cooler Name für einen Messerhersteller und durchaus geschickt gewählt, denn ohne martialische Formulierungen versieht Firmenchef Sam Sung seine Messer diskret aber unmissverständlich mit Assoziationen zu Sicherheit und Selbstverteidigung.

Der erste Folder mit dem „Defcon“ Schriftzug auf der Klinge ist mir bereits im vergangenen Jahr in die Hände gefallen. Das Messer mit der Modellbezeichnung „TD 1001“ hatte mich einige Wochen als EDC begleitet und qualitativ einen guten Eindruck hinterlassen. Auch das Karambit von Defcon Tactical hat im Test ein sehr ordentliches Resultat erzielt, sodass der Eigenimport von Messern der US-Firma nicht nur für Messerfans interessant ist, die vor allem auf ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis achten.

Ein eher beiläufig gepostetes Foto des Messers auf Facebook führte zu zahlreichen Fragen nach der neuen Marke. Damals waren die Vertriebsstrukturen für Europa noch im Aufbau und Interessenten mussten die Messer selbst aus den USA importieren. Auf der IWA 2018 wurden Nägel mit Köpfen gemacht: Sam und Battle Merchant (Klingenreich.de) aus dem Heavy-Metal-Kurort Wacken gingen eine Vertriebskooperation ein.

Defcon Tactical

Einen bestimmten Stil verfolgt Defcon Tactical bei seinen Foldern nicht und arbeitet mit Designern in vielen Ländern zusammen. Dazu gehören namenlose Praktiker aber auch bekannte Namen wie Michael Ruth Jr. Nicht wenige Designs gehen auf Sam Sung zurück, der auch unter den Vorschlägen externer Designer geeignete Modelle für die Defcon Reihe auswählt.

Titan Framelock Folder von Defcon Tactical
Titan Framelock Folder Modell 5289 von Defcon Tactical

Bei Messern von Defcon Tactical reicht die Palette von gefrästen Titan-Griffschalen in „Plain Jane“ Optik über eine große Zahl unterschiedlicher Arbeitsmesser bis zum Lifestyle Objekt mit farbenfroh anodisierten Griffkunstwerken. Auch bei den Klingenformen bietet Defcon eine reichhaltige Auswahl. Sam Sung kombiniert gerne Tanto-Querschneiden mit allen erdenklichen Klingenformen oder würzt klassische Drop Point Klingen mit einem Hauch fernöstlicher Klingenexotik.

Defcon Tactical TF 5289

Das erste Defcon Testmesser stammt noch aus der 2018er Modellreihe und trägt die Typenbezeichnung TF 5289. Mit einer Klinge aus S35VN, Titangriffschalen und IKBS Kugellager steht es bei Material- und Ausstattung der etablierten Konkurrenz nicht nach. Der Framelock Folder ist als Flipper ausgeführt und besitzt weder Thumb Studs noch Klingenheber. Beides ist auch nicht notwendig, denn an der Flipper-Action gibt es nichts zu mäkeln. Der Kicker besitzt leicht abgerundete Kanten, bietet dem Zeigefinger aber dennoch guten Halt und ist ausreichend groß.

Auffällig ist, dass der Kicker nicht als massiver Teil des Ricasso ausgeführt ist, sondern ausgefräst wie ein Bügel an der Klingenunterseite sitzt. Bei geöffneter Klinge verlängert er die Fingermulde des Griffs für den Zeigefinger. Schöne Detaillösung: Die Rundung der Fingermulde und die des Kickers passen exakt zusammen und liegen auf einer Höhe.

Klingenstahl CPM-S35VN – Legierungselemente und ihre prozentualen Anteile
Klingenstahl CPM-S35VN – Legierungselemente und ihre prozentualen Anteile
Kohlenstoff Chrom Molybdän Vanadium Wolfram Niob Silizium Nickel Schwefel Phosphor
1,34 % 14,0 % 2,0 % 3,0 % 0,40 % 0,50 % 0,50 % 0,25 % 0,04 % 0,03 %

Über CPM-S35VN als Klingenstahl muss man nicht mehr viele Worte verlieren. Dieser pulvermetallurgische Stahl wird von Crucible Steel produziert und wurde gezielt als Messerstahl entwickelt. Bei Klappmessern der Mittel- und Oberklasse ist er heute weiter verbreitet als jeder andere Stahl. CPM-S35VN gilt als guter Allrounder ohne Schwächen und lässt sich bis auf 61 HRC härten. Messerfans schätzen diesen Stahl, da er auch bei fein ausgeschliffenen Schneiden nicht zu Ausbrüchen neigt. Dazu ist S35VN ausgesprochen korrosionsträge.

Die Klingenform des Defcon TF 5289 ist spannend. Deckt man den vorderen Teil der Klinge ab, erwartet man den Verlauf einer ganz normalen Drop-Point Klinge. Tatsächlich jedoch setzt im vorderen Klingendrittel eine gerade Schneide an. Von American Tanto kann man nicht sprechen, dazu ist der Winkel zwischen Haupt- und Querschneide zu flach. Genaugenommen ist es noch nicht einmal eine Querschneide, sondern eher eine gerade Fortsetzung der leicht gebogenen Schneide. Die Zweiteilung der Klinge wird durch unterschiedliche Winkel des Flachschliffs optisch unterstützt.

Klinge und Design

Von der Spitze bis zum vordersten Punkt des Griffs beträgt die Länge der Klinge 95 Millimeter. Unterhalb der hohen Gratlinie setzt ein über das gesamte Klingenblatt reichender Flachschliff an. Dadurch wird von den ursprünglichen 3,6 Millimetern Klingenstärke viel Material abgetragen, was zu einer fein ausgeschliffenen Schneide führt. Messer mit solchen Geometrien sind oft ausgemachte Schneidteufel und das Defcon macht keine Ausnahme.

Das Defcon Tactical TF 5289 ist kein Messer fürs Grobe, kein „Haudrauf“ für den Wald, sondern ein Slicer wie er im Buche steht. Der vordere, gerade Teil der Schneide brilliert vor allem bei Druckschnitten, da die Kraft auf einen relativ kurzen Abschnitt der Schneide konzentriert wird.

Defcon TF 5289
Messertyp Flipper mit Framelock
Klingenlänge / Schneide 95 mm / 97 mm
Klingenstärke 3,6 mm
Klingenform Custom
Klingenhöhe 30 mm
Klingenstahl CPM-S35VN
Länge gesamt 230 mm
Griffmaterial Titan
Gewicht 143 Gramm
Defcon Tactical Folder, open
Die Klingenform ist eine gelungene Mixtur aus American Tanto und Spear Point

Ebenfalls 95 Millimeter misst der Unterseite zwischen Anfang und Ende der Fingermulden. Dadurch steht ausreichend Platz für große Hände zur Verfügung. Mit Handschuhgröße 9.5 liegt das Messer satt und sicher in der Hand. Die Fingermulden liegen an den richtigen Stellen. Auf Vorder- und Rückseite des Griffs sorgt eine breite, konkav geschliffene Fase für bequeme Handlage. Auf ein Jimping verzichtet der Designer des Defcon Folders; der Daumen liegt auf dem leicht abgerundeten Klingenrücken.

Dass die Flipper-Action überzeugt, habe ich schon am Anfang erwähnt. Die Klinge steht perfekt zentriert und läuft geschmeidig in ihrem Kugellager.

Axiales oder laterales Klingenspiel ist nicht vorhanden. Ein Detent Ball aus Stahl befindet sich am Ende des Lock Arms.

Die Vorspannung des Detent und die Justage des Messers sind gut. Einerseits besitzt der Flipper einen knackigen Druckpunkt, anderseits benötigt man nur wenig Kraft zum Öffnen.

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Verriegelt wird die Klinge per Framelock. Ein auswechselbarer Stahleinsatz im Lock Arm schützt das weiche Titan. Wie beim Öffnen benötigt man auch zum Entriegeln nur wenig Kraft. Ist die Klinge erst einmal entriegelt, gleitet sie bei senkrecht gehaltenen Messer fast von allein zurück zwischen die Griffschalen. Sollte man beim Entriegeln zu forsch vorgehen, begrenzt ein Überdehnschutz die Bewegung des Lock Arms.

Der blau anodisierte Taschenclip ist aus Titan gefertigt; das Messer lässt sich tief in der Tasche versenken. Die gleiche Farbgebung besitzt der mächtige, ebenfalls aus Titan hergestellte Backspacer. An seinem Ende befindet sich ein voluminöser Glasbrecher, der etwa 5 Millimeter über das Ende des Griffs hinaussteht.

Obwohl der Glasbrecher stabil und solide konstruiert ist, wird er beim Einsatz, vor allem gegen Verbundglasscheiben, deutliche Spuren davontragen. Ein auswechselbarer Glasbrecher aus Wolfram würde zukünftige Modelle aufwerten.

Defcon Tactical TF 3334
Defcon Tactical TF 3334

Defcon Tactical TF 3334

Der zweite Flipper von Defcon Tactical verzichtet auf optischen Aufwertungen und besitzt Griffschalen aus Titan mit Blackwash Finish. Auffällig sind vier längliche Ausfräsungen an jeder Griffschale, die zwei Ebenen besitzen und deren Innenteile Langlöcher bilden. Dadurch wird viel Gewicht aus dem Messer genommen und trotz einer 86 Millimeter langen Klingen bringt das TF 3334 nur 108 Gramm auf die Waage.

Der TF 3334 Folder ist sehr schmal gebaut; sein Griff ist nur elf Millimeter breit. So entsteht ein leichter, stabiler Folder mit Flipper-Öffnung, der die Taschen nicht ausbeult oder die Hosentasche in Richtung Erdmittelpunkt zieht. Fans leichter Folder werden dieses Messer lieben!

Im Gegensatz zum ersten Folder kommt das TF 3334 mit einer Klinge aus D2 Stahl. An der Clip Point Klinge fällt eine lange Reverse Swedge auf, die von der Klingenwurzel bis weit ins vordere Drittel reicht. Der Flachschliff setzt direkt unterhalb der durch die Swedge gebildete Facette an und mach das Defcon Tactical TF 3334 zu einem guten Slicer.

Defcon TF 3334
Messertyp Flipper mit Framelock
Klingenlänge / Schneide 86 mm / 90 mm
Klingenstärke 3,5 mm
Klingenform Custom
Klingenhöhe 28 mm
Klingenstahl AISI D2
Länge gesamt 208 mm
Griffmaterial Titan
Gewicht 108 Gramm
Defcon Tactical TF 3334
Defcon Tactical TF 3334

Die Handlage des Flippers ist besser, als der Wert für die Griffbreite vermuten lässt. Was an Breite fehlt, macht der Slicer aus Los Angeles durch die Griffhöhe wieder wett. Insgesamt ist die Handlage gut und der Entriegelungshebel des Framelock ist gut erreichbar.

Klingenstahl AISI D2 – Legierungselemente und ihre prozentualen Anteile
Klingenstahl AISI D2 – Legierungselemente und ihre prozentualen Anteile
C Cr V Mo Mn Si
1,55 % 11,30 % 0,80 % 0,80 % 0,40 % 0,30 %

Die Flipper-Eigenschaften dieses Messer steht denen des zuerst besprochenen Folders von Defcon Tactical nicht nach. Der Kicker ist an der richtigen Stelle positioniert und ein leichter Druck genügt, um die Klinge zu öffnen. Auch ein Überdehnschutz und ein Stahleinsatz zum Schutz der Lock Bar sind vorhanden.

Optisch dürfte dieses Messer eher Puristen ansprechen, denen Zierrat in Form von Timascus oder bunten Griffschalen ein Gräuel ist. Die Kombination von US-Design aus Los Angeles und chinesischer Fertigungspräzision ist auf jeden Fall gelungen.

Flipper von Defcon Tactical – Fazit

An seinen Modellbezeichnungen sollte Defon Tactical in den nächsten Jahren noch etwas Feinarbeit leisten. „TF“ für Tactical Folder und eine vierstellige Zahl mögen zu Lagerhaltung und Warenwirtschaftssystem passen, prägen sich dem durchschnittlichen Humanoiden aber kaum dauerhaft ein.

Keine Beanstandungen gibt es bei Qualität oder Funktion der Messer! Material- und Verarbeitungsqualität der Defcon Tactical Flipper sind ohne Makel. Auch bei der Justage gibt es keine Kritik: Die Klingen laufen geschmeidig, stehen zentriert und die benötigten Kräfte zum Öffnen und Schließen sind angemessen.

Damit sind wir beim Preis, der in Euro für beide Modelle zurzeit noch nicht bis auf den letzten Cent feststeht. Dennoch ist absehbar, dass die Preise deutlich unter 200 Euro liegen werden. Ein voll ausgestatteter, gut gemachter Titan Framelock Folder für schlappe 200,- Euro – da dürften sich wohl einige Mitbewerber verwundert die Augen reiben.

Nach mehreren chinesischen Newcomern, die vor Kurzem einwandfreie Auftritte hingelegt haben, schafft auch Defcon Tactical aus dem Stand den Sprung aufs Podest. Käufer dürfen sich über ein hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis freuen und die taktisch angehauchten Folder aus Los Angeles werden sicherlich auch Messerfans in Europa begeistern.

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Titelbild: iStock.com:innovatedcaptures, Composition: Knife-Blog