Klingenstahl ATS-34 am Beispiel des Linder SuperEdge Bushcraft Messers

Linder Super Edge – Messer für Outdoor-Fans

Die Marke „Linder Messer“ ist seit gut einem Jahrhundert fest in der Solinger Messertradition verwurzelt und startet nach schwierigen Jahren nun ihr Comeback. Hinter dem Messermodell „Linder Super Edge“ verbergen sich mehrere Varianten, wobei die Palette vom kleinen Helferlein für Angler und Jäger über typische EDC mit verschiedenen Klingenlängen bis zum soliden Bushcraft‑Messer reicht. Abgerundet wird die Messerserie durch optionale Leder- und Kydex-Scheiden. Doch nicht nur die Messer, auch der Klingenstahl der Linder Super Edge Messer ist erwähnenswert, denn Fixed Blades mit ATS-34 Klinge haben inzwischen Seltenheitswert.

Das Titelbild zeigt das Linder Super Edge 5 mit der optionalen Lederscheide. Als Symbiose aus Bushcraft- und Jagdmesser ist es für einen breiten Einsatzbereich konzipiert und passt als EDC ebenso wie als Werkzeug für Angeln und Jagd. Hinter dem Namen „Linder Super Edge“ verbirgt sich eine ganze Messerfamilie, deren Mitglieder sich durch unterschiedliche Klingenlängen und -formen unterscheiden. Im Namen weist nur eine nachgestellte Ziffer auf das jeweilige Modell hin. Weil alle Messer aus der Super-Edge-Serie zudem mit identischen Grifffarben erhältlich sind, lässt sich ein gewisses Verwirrungs- und Verwechslungspotenzial nicht leugnen.

Linder Super Edge

Dabei ist es nicht kompliziert. Das Super Edge 1 ist mit rund 90 Millimetern Klingenlänge das kleinste Modell, hinter der Ziffer 2 verbirgt sich ein Messer mit einer klassischen, 119 Millimeter langen Drop-Point-Klinge. Das Super Edge 6 ist ein weiteres Outdoor-Messer mit Jagdmesser-Genen, besitzt aber eine minimal kürzere Klinge und eine andere Klingenform als das Super-Edge 5. Die Modelle 1,2 und 6 fallen aufgrund der Klingenlänge nach § 42a des deutschen Waffenrechts nicht unter das eingeschränkte Führverbot in der Öffentlichkeit.

Wanger Linder Super Edge, alle Modelle
Linder Wanger Super Edge mit Klingenlängen zwischen 90 und 130 Millimetern.

Einzig das Super Edge 5 überschreitet die magische Grenze um rund einen Zentimeter, sodass dieses Modell im öffentlichen Raum nur mitgeführt werden sollte, wenn ein Zusammenhang mit der Berufsausübung, der Brauchtumspflege, dem Sport oder einem allgemein anerkannten Zweck besteht. Die aktuellen Bestimmungen im deutschen Waffenrecht hinsichtlich des Führens von Messern mit fester Klinge findet ihr im Artikel “Das deutsche Waffenrecht für Messer einfach erklärt“.

Aufbau und Materialien aller Messer der Super Edge Serie sind weitgehend identisch. Die Klinge mündet in einen Steckerl, der so lang ist, dass er genaugenommen bereits ein Flacherl ist. Da der Erl vollständig in einem Griff aus einem thermoplastischen Elastomer (TPE) steckt, handelt es ich technisch um einen Steckerl. Das Griffmaterial besteht aus einem Kunststoff mit weicher, ja geradezu handschmeichelnder Haptik, die an Gummi erinnert und doch erstaunlich belastbar und widerstandsfähig ist. Griffmaterial und Erl sind fest miteinander verklebt und werden zusätzlich durch eine Metallhülse stabilisiert, die gleichzeitig zur Befestigung eines Lanyard dienen kann.

Griff und Griffmaterial

Besitzen die Super Edge Messer etwa einen Griff aus Gummi? Kunststoff an einem Messer, das klingt immer nach billigem Material und irgendwie auch nach zweitbester Lösung. Doch das Vorurteil trügt, wenn auch der Begriff „Gummi“ nicht ganz falsch ist. Hinter TPE verbirgt sich eine Familie von gummiähnlichen Materialien, die die Eigenschaften von Gummi mit der Recyclingfähigkeit und den Verarbeitungsvorteilen von Kunststoffen kombinieren.

TPEs zeigen ähnlich wie Thermoplaste bei Erwärmung und unter Scherkräften Fließverhalten, kehren jedoch nach Abkühlung zu ihrer ursprünglichen Struktur und Stabilität zurück. Im Gegensatz zu den chemischen Vernetzungsprozessen, die bei duroplastischen Kautschuken auftreten, beruht die Vernetzung bei TPEs ausschließlich auf physikalischen Mechanismen. Diese können durch erneute Wärmeeinwirkung reversibel gemacht werden, was eine Wiederverwendung von Produktionsabfällen ermöglicht und die einfache Wiederaufbereitung von End-of-Life-Produkten erleichtert.

Die Elastizität von TPEs ähnelt der vernetzter Gummimaterialien. Ihre Härte wird üblicherweise auf der Shore-Durometer-Skala gemessen. TPEs sind in einer breiten Spanne verfügbar, von ultraweichen, gelartigen Materialien bis zu starren Materialien mit Shore-D-Werten um 65. Die hohe Designflexibilität, Leistungsfähigkeit und einfache Verarbeitung machen TPEs zu einem bevorzugten Material für Konstrukteure. Sie finden Anwendung in verschiedenen Branchen wie der Automobil-, Medizin-, Bau- sowie der Elektroindustrie und nun gehören auch Messergriffe auf die Anwendungsliste.

Zugegeben, beim Auspacken und dem ersten Kontakt mit den TPE-Griffen war ein leise gestöhntes „Ach-du-lieber-Gott“ zu hören und meine anfängliche Skepsis war groß. Doch im EDC-Alltag verwandelt sich die Skepsis in positives Erstaunen. Unabhängig von Modell und Klingenlänge liegen alle Super Edge Modelle gut und sicher in der Hand. Da wabbelt nichts, da schwabbelt nichts und die Kontrolle über die Schnittführung ist keinen Deut geringer als bei Messern mit konventionellen Griffen. Bei winterlichen Bedingungen wirken die Griffe angenehm warm und tatsächlich kühlt die Hand nicht so schnell aus wie bei Messern mit Full-Tang-Konstruktion und Griffschalen aus Holz, Carbon oder Micarta.

Quer durch die Modellpalette sind die ergonomischen Eigenschaften der Linder Super Edge Messer gut bis sehr gut. Querschnitte und Durchmesser der Griffe passen ausgezeichnet für kleine und mittelgroße Hände. Für Pranken oberhalb von Handschuhgröße 10,5 dürften die Griffe allerdings etwas voluminöser ausfallen. Unschlagbar ist die Rutschhemmung der TPE Griffe. Egal, ob trocken, nass oder blutverschmiert liegen die Griffe sicher in der Hand, ohne dass man sie krampfhaft mit der Faust umschließen muss.

Klingen und Klingenstahl

Dem Klingenstahl ATS-34 hat Knife-Blog kürzlich ein ausführliches Feature gewidmet und die Geschichte sowie die Eigenschaften des Stahls ausführlich beschrieben (s. Links). ATS-34 ist ein Schmiedestahl, dessen Geschichte über seinen Vorläufer CM154 bis ins Jahr 1959 zurückreicht. Nachdem ATS-34 in den 1970er-Jahren einen Siegeszug durch die amerikanische Messermacherszene angetreten hatte, setzte er sich kurz danach auch in Europa durch, eroberte ab Mitte der 1990er-Jahre den Serienmesserbereich und dominierte den Markt für Messerstähle bis zur Jahrtausendwende.

Linder Super Edge 1 ATS 34 Jagdmesser Orange
Linder Super Edge 1 ATS 34 Jagdmesser Orange

ATS-34 ist ein japanischer Schmiedestahl, der durch 14 Prozent Chrom und vier Prozent Molybdän äußerst korrosionsträge ist. Zudem reduziert die markante Kombination aus Chrom und Molybdän das Auftreten großer Chromkarbide, wodurch der Stahl weniger spröde und damit auch weniger bruchanfällig wird. Für Klingenlängen zwischen 90 und 130 Millimetern, wie sie bei den unterschiedlichen Linder Super Edge Modellen vorkommen, ist die Zähigkeit des Stahls auf jeden Fall ausreichend.

Die bemerkenswerten Vorteile von ATS-34 liegen jedoch in zwei anderen Bereichen. Trotz zufriedenstellender Zähigkeit hält der Schmiedestahl eine fein ausgeschliffene Schneidkante, ist im EDC-Alltag also schnitthaltig. Zum Zweiten lassen sich Klingen aus ATS-34 ohne große Mühe auf Spielglanz polieren. Auch wenn keine Spiegelpolitur gewünscht ist, punktet der Stahl mit schöner Optik. Satinierte Klingen aus ATS-34 wirken sauber und blank, da der Stahl nicht zu schmierig wirkenden Oberflächen neigt, wie man es von einigen stickstoffhaltigen Stählen wie Nitro-B oder von Niolox kennt.

Mit der Kombination aus 14 Prozent Chrom und vier Prozent Molybdän gilt ATS-34 als Vater der 14-4er Stahlfamilie, zu der neben BG-42 eine Vielzahl weiter Stähle mit ähnlichem Legierungskonzept gehören.

Kaum ein anderer Stahl war in der Geschichte hochwertiger Taschenmesser und Fixed Blades länger in Gebrauch als ATS-34. Chris Reeve nutzte diesen Stahl 17 Jahre lang für seine Sebenza-Modelle und damit beinahe ebenso lange wie S30V und seinen Nachfolger S35VN zusammen.

Als Ende der 1990er-Jahre die erste Generation der neuen Pulverstähle serienreif und ausreichend getestet war, erwuchs ATS-34 ernsthafte Konkurrenz.

Während Serienhersteller die neuen Pulverstähle sofort in ihr Programm aufnahmen, galt ATS-34 bei vielen handwerklichen Messermachern noch jahrelang als erste Wahl. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert, nach wie vor findet man ATS-34 bei handwerklich gefertigten Messern und Kunstobjekten häufiger als jeder andere Stahl.

ATS-34

Legierung

Kohlenstoff

1,15 %

Chrom

14,0 %

Molybdän

4,0 %

Vanadium

0

Mangan

0,40 %

Silizium

0,35 %

Phosphor

0

Schwefel

0

Für mittelgroße Fixed Blades ist ATS-34 bis heute eine gute Wahl. Im EDC-Alltag kann der Stahl seine positiven Eigenschaften ausspielen und muss sich vor seiner modernen Konkurrenz nicht verstecken. Die Schnitthaltigkeit des Stahls liegt nach heutigen Maßstäben noch immer im oberen Mittelfeld, trotzdem bereitet das Nachschleifen der Klingen mit Wassersteinen, Sharpmaker oder dem neuen Tool von Work Sharp keine Probleme. Dieser Punkt ist für alle Messerfans bedeutsam, die ihre Klingen gelegentlich fernab der heimischen Werkstatt mit möglichst einfachen Mitteln schärfen möchten.

Die Zähigkeit von ATS-34 ist für die Klingenlängen der Linder Super Edge Modelle völlig ausreichend. Klingenbrüche sind in der langen Geschichte dieses Stahls bei korrekter Wärmebehandlung nicht häufiger aufgetreten als bei anderen Stahlsorten.

Die Modellbezeichnung “Super Edge” lässt sich mit “tolle Schneide” übersetzen und so rammt Dirk Wanger bereits mit der Namensgebung einen Pfahl in die Erde, denn nichts wäre alberner als ein Messer mit diesem Namen und mäßiger Schneidleistung. Tatsächlich muss sich keines der Super Edge Modelle schämen, denn alle verfügen über eine gleichmäßig scharfe, seitensymmetrisch geschliffene Klinge. Vom kleinen Einser bis zum fetten Sechser punkten alle Messer mit einer fein ausgeschliffenen Schneide und überdurchschnittlicher Schärfe.

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Linder Messer aus Solingen

Der Name „Linder“ ist seit mehr als einem Jahrhundert eng mit der Messerstadt Solingen verknüpft. Bereits im 19. Jahrhundert übte Carl Wilhelm Linder ein Gewerbe als Meßmacher (Messermacher) aus, gehörte aber stets zu den kleineren, weniger bekannten Messerherstellern in der Klingenstadt im Bergischen Land.

1937 wurde die Firma einschließlich Firmen- und Markennamen von der ortsansässigen Familie Rosenkaimer übernommen, die selbst in der Schneidwarenbranche tätig war. Linder war für eine breite Palette gefertigter Messertypen bekannt, wobei der Schwerpunkt stets auf Jagd- und Outdoor-Messern lag. Handgefertigte Jagdmesser mit dem Schriftzug „Handmade by Carl Linder – Solingen – Germany“ besaßen Weltruf und haben zur Blüte ihrer Heimatstadt beigetragen. Bis heute sind diese Messer gesuchte Sammlerstücke, deren Fabelpreise selbst bei hart gesottenen Fans regelmäßig Schweißausbrüche verursachen.

In der Nachkriegszeit und verstärkt seit den 1970er-Jahren hat Linder versucht, mit preiswerten Gebrauchsmessern im Massenmarkt Fuß zu fassen. Dabei wuchs das Portfolio der Firma stark an und umfasste lange Zeit auch Balisong verschiedener Qualitätsstufen, Dolche, Küchenmesser und dazu eine breite Auswahl von Taschenmessern und Fixed Blades. Doch die Innovationen der vergangenen Jahrzehnte fehlten und allmählich geriet das Traditionsunternehmen gegenüber der Konkurrenz aus Solingen und Billigprodukten aus China ins Hintertreffen.

Schließlich wurde die Fortführung des Geschäftsbetriebs für das kleine Unternehmen während der Corona-Jahre immer schwieriger. Mitte 2022 übernahm Dirk Wanger nicht nur die Markenrechte an der Firma Carl Wilhelm Linder, sondern auch den kompletten Lagerbestand neuer und älterer Modelle sowie den größten Teil des Maschinenparks.

Linder Super Edge – Preise und Fazit

Ein Bushcrafter mit vermeintlichem Steckerl und Gummigriff – noch vor Kurzem hätte sich mancher Messerfan über so ein Projekt scheckig gelacht und demonstrativ ein doppelt so großes Messer mit Flacherl und Micarta-Griffschalen aus dem Hosenbund gezogen. Doch nicht nur die Zeiten, auch die Materialien ändern sich. In absehbarer Zukunft wird man sich individualisierte Messer aus mit 3D-Druckern bestückten Verkaufsautomaten ziehen können, die Gewöhnung an neue Griffmaterialien ist also vorprogrammiert.

Wanger Linder Super Edge 6 Drugar ATS 34
Wanger Linder Super Edge 5 mit ATS 34-Klinge

Hat man sich erst einmal an Optik und Haptik des TPE-Griffs gewöhnt und seine Vorurteile entsorgt, lernt man die Linder Super Edge Messer aus dem Hause Wanger schnell schätzen. Die Handlage ist ergonomisch gelungen und die Messergriffe sind angenehm warm, ungewohnt weich und dennoch erstaunlich griffig. Mechanisch ist das TPE stabil und die Reinigung von Messer und Griff ist ein Kinderspiel. Die Super Edge Messer sind als Arbeitstiere und nicht als Schaustücke konzipiert, dadurch passt dieses Griffmaterial nicht nur für Angler und Jäger, sondern bringt auch im EDC-Alltag praktische Vorteile mit.

ATS-34 als Klingenstahl für die “Super Edge” Messerserie ist ebenfalls eine gute Wahl und passt ausgezeichnet zu den üppig dimensionierten Klingenstärken. Um die knapp fünf Millimeter starke Klinge des Super Edge 5 in der Bushcraft Version muss man auch bei harter Beanspruchung nicht fürchten.

Preislich bewegen sich die Linder Outdoor-Messer zwischen gut 140,- Euro für das kleine Einser und knapp 170,- Euro für das Linder Super Edge 5. Mitgeliefert wird jeweils eine solide und ordentlich verarbeitete Steckscheide aus Nylon. Optional ist für den Bushcrafter die Lederscheide auf dem Titelbild gezeigte Lederscheide erhältlich, die nicht nur ausgesprochen gut verarbeitet ist, sondern im Alltag durch hohen Tragekomfort und angenehme Handhabung überzeugt.

Hergestellt werden alle Super Edge Messer komplett in Solingen, auch der Kundendienst durch Messer&Co befindet sich in Deutschland. Dass die Preise schon deshalb nicht auf China-Niveau liegen können, versteht sich von selbst. Auch die gute Verarbeitung von Messer und Zubehör sowie ATS-34 als Klingenstahl rechtfertigen den Preis. Wer ein solides, ja beinahe unverwüstliches Messer für den ganzjährigen Outdoor-Einsatz sucht, sollte die Linder Super Edge Messer auf jeden Fall in Betracht ziehen.

Linder Super Edge

No. 1

No. 2

No. 5

No. 6

Klingenlänge

90 mm

120 mm

130 mm

119 mm

Klingenstärke

4,25 mm

4,25 mm

4,8 mm

4,8 mm

Klingenhöhe

26 mm

26,9 mm

27,5 mm

28 mm

Grifflänge

119 mm

116 mm

117 mm

117 mm

Gesamtlänge

209 mm

236 mm

247 mm

235 mm

Gewicht o. Scheide

138 g

148 g

170 g

149 g

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