Maxamet am Beispiel Spyderco Native 5
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Maxamet Messerstahl am Beispiel des Spyderco Native 5

Echte Innovationen bei der Herstellung von Messerstahl sind selten. Die letzte große Revolution fand ziemlich genau vor 20 Jahren statt, als die Herstellung der ersten pulvermetallurgischen Klingenstähle in industriellen Prozessen so ausgereift war, dass die Klingen für Serienmesser verwendet werden konnten. Seitdem wurde unzählige neue Stahllegierungen in der Messerszene vorgestellt, doch zumeist unterscheiden sich die neuen Stähle nur durch einen anderen Handelsnamen oder höchstens durch eine Neuauflage bekannter Legierungskonzepte. Maxamet macht den Unterschied, denn der Messerstahl lässt sich bis auf unglaubliche 69 HRC härten.

Vor zwanzig Jahren wagte sich Spyderco an den Einsatz pulvermetallurgischer Stähle in Serienmessern, kürzlich wurde in Golden ein Serienmesser mit dem ultraharten Klingenstahl Maxamet ausgestattet. Knife-Blog widmet sich dem Spyderco Native Ultralight Lightweight Grey Maxamet aber ganz besonders seiner höchst ungewöhnlichen Klinge aus Maxamet Stahl.

Spyderco gehört zum Urgestein der Messerszene. Dass die Firma aus Colorado aber auch seit über drei Jahrzehnten in Sachen Technik zur Avantgarde gehört, ist nicht jedem Messerfan bewusst. Einerseits orientiert sich Spyderco an Designelementen aus den 1980er Jahren, anderseits gehen zahlreiche Innovationen, vor allem bei neuen Messerstählen, auf das Traditionsunternehmen zurück.

Ein wirklich neues Konzept beim Legieren von Stahl deutete sich vor einigen Jahren an, als plötzlich mehrere Stähle mit ungewöhnlich hohen Anteilen von Kohlenstoff erschienen.

Bei einigen sogar über drei Prozent. Bei vielen erprobten Messerstählen liegt der Kohlenstoffanteil nur zwischen 0,3 Prozent und 1,70 Prozent. In diesem Bereich ist eine erfolgreiche Wärmebehandlung mit guten Werten für Härte und Zähigkeit problemlos möglich. Plötzlich tauchen jedoch Stähle mit Kohlenstoffanteilen auf, die nach alter Lehrmeinung überhaupt nicht funktionieren dürften. Wer ein altes Lehrbuch der Werkstoffkunde zu Hand hat oder bei Wikipedia nach „Stahl“ sucht, wird früher oder später auf einen Satz wie diesen stoßen:

Stahl ist eine Eisen-Kohlenstoff-Legierung mit einem Kohlenstoff-Massenanteil von maximal 2,06 %. Eisen-Kohlenstoff-Legierungen mit höheren Kohlenstoffanteilen werden Gusseisen genannt und sind nicht umformbar.

Diese Definition legt nahe, dass 2,06 % Kohlenstoffanteil quasi eine Art Schallmauer für die Legierung von Messerstählen darstellt, doch ZDP-189, Cowry-X oder der legendäre MC-66 übertreffen diesen Wert deutlich. Bei allen drei Stählen beträgt der Kohlenstoffanteil rund drei Prozent. Sogar eine neue Definitionsgruppe für diese Stähle ist in den USA entstanden, man nennt sie in Erweiterung der bestehenden Liste „Ultra High Carbon Steel“.

  • Low Carbon Steel: 0,05 % – 0,25 % Kohlenstoff und bis zu 0.4% Mangan.
  • Medium Carbon Steel: 0,29 % – 0,54 % Kohlenstoff mit 0.60%-1.65% Mangan.
  • High Carbon Steel: 0,55 %- 0,95% Kohlenstoffanteil.
  • Very High Carbon Steel: 0,96 % – 2,1 % Kohlenstoffanteil.
  • Ultra High Carbon Steel: 2,2 % – 4,0 % Kohlenstoffanteil.

Während vor einigen Jahrzehnten Stähle mit Kohlenstoffanteilen unter einem Prozent dominierten, zeigen viele moderne Stähle höhere Anteile des Legierungselements Kohlenstoff. Ein gutes Beispiel ist der in der Messerszene hoch geschätzte Böhler M390 Microclean. Mit knapp zwei Prozent Kohlenstoffanteil kratzt M390 bereits an der „Schallmauer“. Maxamet liegt nicht unter, sondern mit 2,15 % Kohlenstoffanteil sogar knapp über der magischen Grenze. Von „Gusseisen“ kann allerdings keine Rede sein …

Maxamet – Messerstahl mit ungewöhnlicher Legierung

Maxamet wurde von der Carpenter Technology Corporation („Cartech“) vor rund 15 Jahren entwickelt und Ende 2006 in den Handel gebracht. Zehn Jahre später entdeckten Messermacher den Stahl für sich. Anschließend wurde Maxamet in der Messerszene als neuer „Superstahl“ gefeiert. Die Eigenschaften von Maxamet sind in der Tat bemerkenswert, doch noch spannender ist sein Legierungskonzept.

Maxamet besitzt eine höchst ungewöhnliche Legierung, in der die erwähnten 2,15 Prozent Kohlenstoff bei weitem nicht die auffälligste Zutat ist. Unglaubliche 13 Prozent Wolfram und 10 Prozent Kobalt sind in diesem Stahl kombiniert. Chrom und Vanadium, die bei vielen anderen Messerstählen als Hauptlegierungslemente fungieren, sind in Maxamet nur in relativ kleinen Mengen enthalten (4,75 % Chrom, 6,0 % Vanadium).

Spyderco Native 5 mit Maxamet Klinge
Spyderco Native 5 mit Maxamet Klinge

Der Gesamtanteil der Legierungselemente im Verhältnis zu Eisen ist bei Maxamet mit rund 36 Prozent ungewöhnlich hoch und so ist nicht verwunderlich, dass Maxamet mit sehr speziellen Eigenschaften aufwarten kann. Zero Tolerance machte den ersten Versuch mit einer Maxamet-Klinge für das ZT0888, verzweifelte aber an der Widerspenstigkeit des Stahls.

Die Schwierigkeiten der Bearbeitung liegen in zwei Bereichen: einerseits neigt der Stahl zu Verwerfungen bei der Wärmebehandlung, andererseits ist der Stahl deutlich härter und abriebfester als „gewöhnliche“ pulvermetallurgische Stähle. Das Schleifen ist zeitaufwändig, wodurch die Stückkosten nach oben gehen und das industrielle Schleifen erfordert teure Spezialausrüstung.

Härte, Zähigkeit und Abriebfestigkeit („Wear Resistance“) kann man sich als Ecken eines Dreiecks vorstellen. Je nach Wahl der Legierungslemente und ihrem Anteil, kann man einen Stahl entweder besonders gut härtbar (hohe Härte), besonders zäh (bruchsicher) oder besonders abriebfest (schnitthaltig) konzipieren. Somit wandert der Zielpunkt in eine der drei Ecken oder anders gesagt: mit besonders hohen Werten in einer Disziplin erkauft man sich Schwächen in einer (oder mehreren) anderen Disziplinen.

Verfahrenstechnik: Spray Forming

Bei der Beziehung zwischen der Härte einer Klinge und ihrer Elastizität (Bruchsicherheit) wird dies besonders deutlich: Mit steigender Härte der Klinge nimmt ihre Bruchsicherheit ab. Die Kunst ist also, diese Beziehung zu durchbrechen. Generationen von Metallurgen und Verfahrenstechnikern haben sich an dieser Aufgabe die Zähne ausgebissen. Der Durchbruch kam erst mit der Herstellung pulvermetallurgischer Stähle in Reichweite, denn nur bei einem ausgefeilten Herstellungsverfahren lässt sich die Verteilung der Legierungselemente so gezielt steuern, dass das Stahlgefüge völlig gleichmäßig aufgebaut ist. Dies wurde erst durch neu entwickelte Verfahrenstechniken wie etwa „Spray Forming“ möglich.

Cartech nennt seine Spray-Forming-Technik „Micro-Melt“ und dahinter verbirgt sich Hightech pur. Atomisierte Pulver werden ultrahocherhitzt und im Vakuum durch Plasmaspritzen auf ein Trägermaterial gesprüht. Dabei entsteht das gewünschte, gleichmäßige Gefüge. Bei der Entwicklung waren natürlich keine Messerklingen im Fokus, sondern mit dieser Technik sollten die Oberflächen hochbeanspruchter Teile in Gasturbinen und Flugzeugtriebwerken widerstandsfähiger gemacht werden.

Bis neue Stähle oder anspruchsvolle Verfahrenstechniken Eingang in die Messerwelt finden, vergehen erfahrungsgemäß zehn bis fünfzehn Jahre. Ende der 1990er Jahre war es ebenfalls Spyderco, die mit CPM-440V den ersten pulvermetallurgischen Stahl in der Serienfertigung einsetzen (Spyderco Military, C36G). CPM-440V war bereits 1983 von Carpenter unter der Bezeichnung „CPM T 440 V“ entwickelt worden.

Eine ähnliche Geschichte bei Maxamet, der bereits 2006 von Carpenter vorgestellt wurde. CPM440V wurde noch nach einem alten Verfahren hergestellt, das „Spray Forming“ war noch nicht erfunden. Damals wurde ein Gemenge aus Eisen und den Legierungselementen mit Hilfe einer Vakuumpumpe entgast, anschließend verdichtet, bis knapp unter die Schmelztemperatur erhitzt und mit hohem Druck gepresst. Dieses Verfahren nennt sich „heißisostatisches Pressen“ (ugs. „sintern“). Dabei wird ein homogenes Gefüge ohne Lufteinschlüsse oder Hohlräume erzeugt.

Bei der Herstellung von Maxamet arbeitet man also nicht nur mit fein gemahlenen Pulvern, sondern verkleinert die Korngrößen durch thermodynamische Verfahren nochmals deutlich. Das Ergebnis ist ein Stahl, dessen Eigenschaften nicht in einer Ecke des Dreiecks, sondern optimalerweise in allen Ecken gleichmäßig ausgeprägt sind. Für Maxamet bedeutet dies in der Praxis: bei identischer Zähigkeit übertrifft der Stahl andere PM-Klingen bei Härte und Abriebfestigkeit deutlich.

Spyderco Native 5 Lightweight Maxamet (C41GY5)

Die Härte einer kurzen Klinge aus Maxamet liegt üblicherweise zwischen 66 HRC und 69 HRC. Spyderco gibt in seiner technischen Beschreibung keinen exakten Wert für den Härtegrad an, aber es ist ein offenes Geheimnis, dass der Wert eher bei 69 HRC denn bei 66 HRC liegt. Dass Spyderco keinen exakten Wert angibt, ist keine Missachtung des Kundeninteresses, sondern dient dem Schutz von Betriebsgeheimnissen.

Die Angabe der exakten Härte würde Rückschlüsse auf die verwendeten Temperaturen im Produktionsprozess zulassen und logischerweise möchte Spyderco keinen Konkurrenten schlauer machen als unbedingt notwendig.

Dazu passt auch, dass das Native 5 Maxamet wie seinerzeit das Military in Golden, Colorado produziert wird.

Wie auch immer, die Klinge des Spyderco Native Lightweight Grey Maxamet (C41GY5) ist etwas Besonderes. Zwar lassen sich Maxamet Klingen nicht so fein ausschleifen wie zum Beispiel BG-42 oder CPM-S90V aber dafür ist der Stahl weitaus schnitthaltiger.

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Damit keine Missverständnisse entstehen: Die Klinge ist nicht etwa stumpf! Im Gegenteil, sie ist sehr scharf und rasiert problemlos, Die Unterschiede zur einer fein ausgeschliffenen BG-42 Klinge liegen im unteren Prozentbereich. Dafür ist im EDC Alltag so gut wie kein Verschleiß feststellbar und auch Mikroausbrüche an der Schneidkante sind – allen Unkenrufen zum Trotz – in den ersten Monaten nicht aufgetreten.

Was steht hinter dem Begriff Lightweight? Tatsächlich wiegt der Folder mit 177 Millimeter langer Klinge nur 71 Gramm. Die Gewichtsreduzierung ist den ultraleichten Griffschalen aus FRN geschuldet, die Klinge hingegen ist deutlich schwerer als die Klingen anderer Native 5 Modelle. Der Grund liegt beim hohen Wolframanteil in der Legierung. Wolfram besitzt die Ordnungszahl 74, gehört im Periodensystem zur Übergangsgruppe und ist ein weißglänzendes, in reinem Zustand sprödes Schwermetall hoher Dichte.

Hohe Dichte = schwere Klinge. Um keine längst vergessenen Physikstunden zu rekapitulieren, unterbleibt der Ausflug zu Atommasse, Dichte von kristallinen Feststoffen und spezifischer Dichte. Eine einfache Faustformel ergibt einen brauchbaren Näherungswert: Wolfram ist dreimal schwerer als Eisen, Chrom oder Vanadium.

Spyderco Native 5, Klingenstahl: Maxamet

Maxamet ist Hightech-Hexenzeugs und daher etwas teurer als Karo-Einfach-Stahl. Lohnt sich die Anschaffung einer Maxamet-Klinge und merkt man einen Unterschied in der Praxis?

Klare Antwort: Jein! Tatsächlich gibt es keine kurze Antwort auf diese einfache Frage. Zunächst das Positive: 68 – 69 HRC sind erst einmal eine Hausnummer, an der sich sogar die viel gerühmten Rockstead-Stähle ZDP-189 und YXR7 die Zähne ausbeißen. Die überdurchschnittliche Härte macht sich im Alltag schon beim Zerkleinern von Kartons bemerkbar und ebenso merkt man, dass die Schärfe der Schneide nicht nachzulassen scheint.

Der Unterschied ist aber nicht so groß, dass er einen messbaren Vorteil bedeutet. Klar, Maxamet ist härter, aber der Leistungsvorteil gegenüber anderen pulvermetallurgischen Hightech Stählen fällt nicht so gewaltig aus, dass sich eine Rangfolge ergeben würde. Die Kernfrage dreht sich um die Bruchfestigkeit von Klingen aus Maxamet und noch liegen keine belastbaren Zahlen vor. Ebenso ist unklar, ob der Stahl zäh genug für große Klingen ist oder ob seine Verwendung auf Taschenmesser begrenz bleiben wird.

Das Native 5 Maxamet ist ein Folder, der im Gegensatz zu anderen Native 5 Modellen, eindeutig von seiner Klinge dominiert wird. Man könnte es treffend als Klinge mit Griff bezeichnen. Geöffnet wird das Messer auf die Spydero-typische Art, indem der Daumen das Loch in der Klinge tastet und die Klinge nach außen schiebt. Das geht ohne jeden Kraftaufwand und der Back Lock verriegelt mit einem hörbaren „Klack“. Wie das Öffnen ist auch der Schließvorgang leichtgängig und die Entriegelung kurz hinter der Griffmitte sitzt an der richtigen Stelle.

Spyderco Native 5 Maxamet – Fazit

In den letzten Monaten sind Messer und Klingenstahl in Foren und Reviews sehr kontrovers diskutiert worden und oft wurde die Frage erhoben, ob „man diesen Stahl braucht“. Ich denke man braucht ihn, weil er einen technischen Fortschritt darstellt und die Messlatte auf eine neue Höhe legt. Für den EDC-Alltag kann man hingegen geteilter Meinung sein, da auch herkömmliche Stähle so gut wie nie an ihre Belastungsgrenzen gebracht werden.

Über das Griffmaterial kann man streiten. Die Maxamet Klinge würde zu Titan oder Carbon vielleicht besser passen …

Spyderco Native Maxamet

Das Native 5 Ultralight Maxamet macht trotzdem Spaß. Es ist ein handliches, ergonomisch gut gemachtes Messer mit guter Bedienbarkeit. Bei Qualität und Verarbeitung lässt das Native keine Punkte liegen. Kommen wir zum Griff. FRN war noch nie mein Freund aber das Konzept hinter der (Lightweight-) Kombination FRN – Maxamet geht auf.

Spyderco veranschlagt einen Listenpreis von 250,- Dollar. Im deutschsprachigen Online-Handel werden zurzeit (November 2019) Preise um 200,- € verlangt. Dafür bekommt ein sehr effektives EDC mit einer Klinge, die selbst einen ausgereizten D2- Stahl in Sachen Härte klar hinter sich lässt, sich aber unter Umständen gegen das Nachschärfen mit Hausmitteln erfolgreich zur Wehr setzt.

Vergleicht man des Native mit Maxamet Klinge mit anderen Varianten des Native oder Sprint-Runs liegt der Preis nicht weit entfernt auseinander. Man kann nicht sagen, dass der Klingenstahl den Preis unangemessen nach oben treibt. Für sein Geld bekommt man ein potentes, kleines EDC in dem wesentlich mehr Power steckt, als die Erscheinung des Messers vermuten lässt.

Maxamet Messerstahl am Beispiel des Spyderco Native 5 1TUYA Knife
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Spyderco Native 5 Maxamet
In einem Satz:
An diesem Taschenmesser ist der Klingenstahl der Star.
Klingenstahl
Anschliff
Design, Praxistauglichkeit, Sicherheit
Material- und Verarbeitungsqualität
Ergonomie und Justage
Preis-Leistungs-Verhältnis
4.3
Knife-Blog Wertung