Seit drei Jahren räumen italienische Hersteller auf der Blade Show reihenweise Auszeichnungen ab. Der Erfolg kommt nicht von ungefähr. Der Zusammenschluss vieler Hersteller aus Maniago zum Konsortium MKM und die Verpflichtung namhafter international bekannter Designer haben wesentlich zum Erfolg beigetragen. Doch auch auf der Qualitätsseite bewegt sich etwas. Das Taschenmesser MKM Arvenis repräsentiert die Veränderungen durch das neue Konzept und steht gleichzeitig für den „New Italian Knife Style“.
Inhalt und Übersicht
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Das Konsortium MKM (Maniago Knife Makers) ist ein Zusammenschluss von insgesamt 46 Firmen im Raum Maniago, die auf die eine oder andere Weise mit der Bearbeitung von Stahl oder der Herstellung von Messern befasst sind. Knife-Blog hat das MKM-Projekt bereits im Artikel zum MKM Fara ausführlich vorgestellt und die Hintergründe beleuchtet, die zu seiner Entstehung führten.
MKM hat mittlerweile durch Messermodelle und große Marketinganstrengungen einen guten Bekanntheitsgrad erreicht. Nicht alle Mitglieder des MKM Konsortiums sind an Entwicklung oder Produktion der Messer beteiligt. Weit weniger bekannt ist, dass es innerhalb der Kooperative MKM noch einen deutlich kleineren, exklusiveren Zusammenschluss gibt.
LionSteel, Fox Knives, Mercury und Viper haben sich im Netzwerk „MIKITA“ zusammengeschlossen. MIKITA steht für „Maniago Innovation Knives Italy“ und soll hauptsächlich dem Technologie-Transfer sowie der Bündelung von Ressourcen im IT- und Entwicklungsbereich dienen.
Zum Entwicklungsbereich gehört die Zusammenarbeit mit externen Designern, die keinen Vertrag mit einer Einzelfirma, sondern mit der MIKITA-Kooperative erhalten. So kann jede Mitgliedsfirma die Entwürfe vermarkten, ohne dass Lizenzgebühren mehrfach gezahlt werden müssen.
MKM Arvenis von Lucas Burnley und Bob Terzuola
Fast vom Start weg konnten zwei international anerkannte Designer für MIKITA gewonnen werden: Altmeister Bob Terzuola und als jungen Wilden den Amerikaner Lucas Burnley. Terzuola kann man als einen der Väter moderner Folder bezeichnen, er bringt jahrzehntelange Erfahrung im Design von Messern mit. Noch immer unvergessen sind seine Messer aus der Zusammenarbeit mit Spyderco. Bob Terzuola war der erste Designer, mit dem Sal Glesser eine Kooperation einging (Modell C15). Jahre später entstand in einem weiteren gemeinsamen Projekt das stilbildende Spyderco Starmate (C55).
MKM Arvenis in Carbon und in der Damast Version
Auch Lucas Burnley, der seit 2003 als Messermacher und Designer aktiv ist, hat bereits einige Meriten gesammelt. Zu seinen bekanntesten Kooperationen gehören neben dem bereits erwähnten MKM Fara auch das Böker Kwaiken sowie das Burnley Buku von CRKT. Darüber hinaus hat Lucas Burnley Tools und Gear entwickelt, das er über seine Homepage vertreibt.
Sechs Modelle vom MKM Arvenis
Das MKM Arvenis ist kein einzelnes Messermodell, sondern eher eine kleine Modellserie. Es gibt Arvenis mit G-10 Griffschalen, eine Carbon-Titan Version und das Topmodell mit Titan Griff und Damastklinge. Größe, Umriss und Bauform sind bei allen Modellen gleich. Für das Review liegen ein Arvenis mit Carbon-Griffschale und eines mit Damastklinge und Titangriffen bereit.
Alle MKM Arvenis Modelle sind Flipper, besitzen eine 85 Millimeter lange Klinge und verriegeln per Framelock. Die technischen Unterschiede sind marginal, die Hauptunterschiede betreffen die Materialwahl von Klinge und Griff. Mit Ausnahme der Damastversion kommt M390 zum Einsatz.
Vier Arvenis Modelle besitzen Griffe aus G-10. Die Farben Rot, Grün, Grau und Orange stehen zur Auswahl. Dabei sind nicht die Griffschalen gefärbt, sie sind immer schwarz. Die Farbvariante bezieht sich ausschließlich auf die Anodisierung der Hardware des Messers. Eingefärbt sind die Einfassung der Klingenachse, der Backspacer sowie das Inlay auf der Presentation Side.
Bisher waren die meisten Taschenmesser aus Maniago mit Klingen aus N690Co bestückt. Kein schlechter Stahl aber in einer Zeit, in der chinesische Firmen bei Mid-Class und Topprodukten auf pulvermetallurgische Stähle setzen, ist N690 kein schlagendes Verkaufsargument mehr.
2019 hat hinsichtlich der Klingenstähle eine Wende gebracht: Die guten, alten Werkzeugstähle sind auf dem Rückzug und schon in der 200 Euro Klasse sind CPM-S35VN und Böhler M390 die Platzhirsche geworden.
MKM Arvenis Carbon
Vom Arvenis mit schwarzen G-10 Griffschalen und grauem Inlay kann man das Carbon-Modell auf den ersten Blick unterscheiden. Es besitzt als Einziges eine schwarze Klinge. Die PVD-Beschichtung ist von sehr feiner Struktur und gleichmäßig aufgebracht.
Bemerkenswert ist das für die Griffschale verwendete Carbon. Es zeigt nicht die übliche Mattenstruktur, sondern ein zufälliges Auftreten heller und dunkler Abschnitte. Dieser Eindruck wird durch eine gefräste 3-D-Struktur verstärkt, die irgendwo zwischen Rautenmuster und Fischschuppen angesiedelt ist. „Marbled Carbon“ nennt MKM diese Variante und sowohl optisch wie auch bei der Haptik kann die Machart der Griffschale überzeugen.
Die umlaufenden Kanten des Griffs sind mit einer Fase versehen, sodass er nicht scharfkantig wirkt. Der Klingenrücken ist hingegen, genau wie der Kicker, mit einer deutlichen Rundung versehen. Der gerundete Klingenrücken hebt die wertige Erscheinung des Messers und verleiht ihm bei geschlossener Klinge ein angenehmes Handgefühl. Der stark abgerundete Kicker hinterlässt hingegen einen zwiespältigen Eindruck.
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Bei der Carbon Variante des MKM Arvenis ist der Detent ausgesprochen straff eingestellt und man benötigt einen knackigen Impuls, um die Klinge des Flippers ins Lock zu befördern.
Der Zeigefinger hat auf dem relativ kleinen Kicker nur wenig Auflagefläche, die zudem durch die Rundung weiter begrenzt wird. So benötigt man etwas Kraft und Übung, um die Klinge sicher zu flippen.
Ob diese Konfiguration einen Nachteil darstellt, muss jeder Messerfan für sich selbst entscheiden, denn straffe Detents haben ihre Fangemeinde. Allerdings nimmt der Detent deutlichen Einfluss auf den Klingengang. Der keramische Detent Ball drückt kräftig gegen die Klinge, sodass sie in jeder Zwischenposition stehen bleibt. Geschmeidiger Klingengang ist nicht das herausragende Merkmal des MKM Arvenis in Carbon.
Designer Lucas Burnley hat ein sehr harmonisches Messer entworfen, dessen Linienführung und Proportionen man als gelungen bezeichnen kann. Trotz des niedrigen, nicht voluminös wirkenden Griffs liegt das Arvenis gut in der Hand, denn Burnley holt das Volumen aus der Breite des Griffs. Gut 15 Millimeter Breite bei einer Höhe von ca. 23 Millimetern in der Griffmitte machen das Arvenis auch für große Hände geeignet.
Die Handlage des MKM Arvenis ist ausgezeichnet, der lange, schmale Taschenclip eignet sich als „Anker“ für die Fingerkuppen und gibt zusätzlichen Halt. Der Taschenclip ist nicht umsetzbar.
Nur auf der Innenseite des Backpacers gibt sich die Kooperative zu erkennen: „Made by MIKITA“.
Mit dem bloßen Auge ist der Schriftzug gut lesbar, aber unspektakulär. Unter der Lupe wirkt er nicht wie eine einfache Lasergravur, sondern leicht erhaben, als wäre Goldstaub aufgebracht. Ein apartes Detail, das den neuen Anspruch der Hersteller aus Maniago unterstreicht.
Die Qualität der Laserbeschriftungen fällt bei beiden Messern positiv auf. Sie sind knackscharf und farblich an das jeweilige Messermodell angepasst. Beim Carbon Modell erscheint beispielsweise die Lasergravur im Backspacer silberfarben, beim Messer mit Damastklinge goldfarben. Hier wurde offenbar nicht nur in neue Technik, sondern auch viel Liebe ins Detail investiert.
MKM Arvenis Damast
In Form und Umriss unterscheidet sich die Damast Variante des MKM Arvenis kaum. Trotzdem beginnt die Betrachtung dieses Messers mit einer Überraschung. Die Abmessungen des Griffs sind identisch mit der Carbon Version, doch die Damastklinge ist kurz hinter dem Ricasso einen Millimeter höher als die M390 Klinge. Das ist erstaunlich und lässt sich bereits mit bloßem Auge erkennen, wenn man beide Messer im geschlossenen Zustand betrachtet.
Normalerweise würde man davon ausgehen, dass bei ein und demselben Messermodell die Klingen aus verschiedenen Stählen keine unterschiedlichen Maße zeigen. Ein Manko für den Alltag stellt das leicht abweichende Maß der Damastklinge allerdings nicht dar. Sie passt sauber in den Griff und steht perfekt zentriert.
Beim Klingenstahl handelt es sich um Damaststeel der Spezifikation DS93X™. Das Damastmuster Vinland™ ist zufällig, „random“ heißt das beim schwedischen Hersteller aus Söderfors. Damaststeel besteht aus RWL34 (hellere Komponente) und PMC27 (dunklere Komponente).
RWL34 ist die pulvermetallurgische Variante von ATS34; PMC27 ist vom Typ her ein Rasiermesserstahl mit sehr feinem Korn. Er ist nicht separat erhältlich und taucht nur als Komponente im Damaststeel auf. Sowohl RWL34 wie auch PMC27 besitzen einen hohen Chromanteil und sind korrosionsträge.
Damasteel DS93X™ lässt sich auf Werte zwischen 56 und 61 HRC härten. Den oberen Wert findet man beim MKM Arvensis, dessen Damastklinge auf 60 – 61 HRC gehärtet wurde.
Die Justage des MKM Arvenis mit Damastklinge ist deutlich besser als die des Carbon Modells. Die Klinge steht perfekt zentriert und Detent ist nicht so straff, dass er sich negativ auf den Klingengang auswirkt. Das beeinflusst auch auf die Flipper-Eigenschaften. Das Arvenis Damast flippt deutlich besser als sein Pendant mit Carbon-Griffschale.
Ob es sich bei diesen Unterschieden um generelle Eigenschaften handelt oder ob innerhalb jeder Serie eine Streuung bei der Justage auftritt, kann ich nicht klären, da mir jeweils nur ein Exemplar jedes Modells zur Verfügung steht.
Das Inlay in der beiden Griffschalen besteht bei diesem Messer ebenfalls aus Damast, wodurch sich optisch eine ansprechende Verbindung zur Klinge ergibt. Schrauben und Backspacer des Arvenis Damast sind hellblau anodisiert und setzten farbliche Akzente.
Die Verarbeitung beider Messer liegt auf hohem Niveau, beim Carbon Modell mit den bereits geschilderten Einschränkungen bei der Justage. Dennoch kann man einen deutlichen Schritt nach vorn beobachten und die italienischen Hersteller sind sichtbar bemüht, den in den letzten Jahren entstandenen Abstand zu chinesischen Produkten zu verkleinern. Speziell an der Damastversion des MKM Arvenis finden sich keine Kritikpunkte.
Die Preise betragen derzeit 349,- Euro für das Carbon Modell und 599,- Euro für das Arvenis in der Damastversion. Damasteel ist ein Rohstoff, der den Preis für das fertige Messer spürbar nach oben treibt. Die Entscheidung, diesen hochwertigen Stahl einzusetzen ist mutig und für MKM sicherlich nicht ohne Risiko. In der Preisklasse um 600 Euro überlegen Kunden mehr als einmal, für welches Messer sie ihr Geld ausgeben.
Das Preis-Leistungs-Verhältnis beider Messer ist nicht überragend, aber akzeptabel. Titan, pulvermetallurgische Stähle, aufwendige Verarbeitung, viel Feinschliff im Detail und das formschöne Design von Lucas Burnley gehen beim MKM Arvenis eine stimmige Verbindung ein. Auch die EDC-Qualitäten der Messer geben keinen Anlass für Kritik.
Links, technische Daten und Bewertung
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- Lucas Burnley Homepage: BRNLY
- Bob Terzuola bei Instagram: Terzuola Custom Knives
- Knife-Blog Thema: Titan Framelock Folder
- Knife-Blog Rubrik: Reviews und Praxistests
- Pro & Contra: Wie Knife-Blog wertet
Daten und Ausstattung | |
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Messertyp | Framelock Folder mit Flipper-Öffnung |
Klingenlänge / Schneide | 85 mm / 87 mm |
Klingenstärke | 4,02 mm |
Klingenform | Drop Point |
Klingenhöhe | 27,3 mm |
Klingenstahl | Damasteel DS93X™ |
Länge offen / geschlossen | 203 mm / 118 mm |
Griffmaterial | Titan |
Gewicht | 152 Gramm |