Framelock Folder mit einem Rahmen aus Titan sind mittlerweile das beliebteste Grundprinzip eines Klappmessers. Kein Wunder also, dass nahezu jeder Hersteller Dutzende solcher Modelle im Programm hat. Andere Firmen sind auf Framelock Folder spezialisiert und beschränken sich auf wenige, gut durchkonstruierte Modelle. Nein, die Rede ist nicht von Strider oder Chris Reeve, die Rede ist von Olamic Cutlery.
Inhalt und Übersicht
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Das kleine Familienunternehmen aus dem San Joaquin Valley in Kalifornien verfolgt eine ähnliche Philosophie. Die junge Firma hat sich in der amerikanischen Messerszene bereits einen guten Ruf erarbeitet, die Designs von Olamic Cutlery sind eigenständig und zeigen große Liebe zum Detail. Knife-Blog stellt das Modell Wayfarer 247 und die Menschen hinter Olamic Cutlery vor.
Einige der bekanntesten Namen der Messerszene sind auf Titan-Framelock Folder spezialisiert. Große Anbieter aus China findet man hier ebenso wie die Customs namhafter Messermacher. Der Markt ist so umkämpft, dass man nur von einem Haifischbecken sprechen kann. Wer nicht gut schwimmen kann oder schlechte Zähne hat, wird in diesem Becken nicht lange überleben.
Übertragen auf den Messermarkt heißt das: Man braucht eine stimmige Grundidee, ausgefeiltes Design und den unbeugsamen Willen, diese Eckpunkte miteinander zu einem qualitativ hochwertigen Messer zu verschmelzen.
Obwohl Olamic Cutlery bereits gut im US-amerikanischen Messermarkt verankert ist, kann man die Firma noch als junges Unternehmen bezeichnen. 2010 gründeten Eugene Solomonik und sein Vater eine Firma, die auf den Import von russischen Damaststählen in die USA spezialisiert war. Schnell folgten Messerklingen und fertige Messer, bis schließlich 2013 der Startschuss für die Herstellung eigener Messer fiel. Die Aufgabenverteilung ist klar: während der Vater als Techniker und Kaufmann hinter den Kulissen die Fäden zieht, ist Eugene Solomonik das Gesicht der Firma auf Messen und in den sozialen Medien.
Einen Titan-Framelock Folder baut man nicht mal eben nebenbei. Messermacher Mike Vagnino gab Starthilfe bei der Auswahl geeigneter Maschinen und dem grundlegenden Design. Obwohl alle Messer den Namen „Wayfarer“ trugen, handelte es sich anfänglich um lupenreine Customs. Sie entstanden in der Werkstatt von ABS „Master Smith“ Mike Vagnino in Visalia, CA. Die Messer besaßen eine vier Zoll Klinge, waren individuell gestaltet und entstanden in reiner Handarbeit. Das Grundmodell wird heute Wayfarer Classic genannt und die Customs von Mike Vagnino sind heute gesuchte Schätze auf dem Gebrauchtmarkt.
Das Wayfarer 247 von Olamic Cutlery
Im Mai 2016 folgte mit der Entwicklung eines Titan-Framelock Folders der nächste logische Schritt. Das Messer wurde von vornherein als Mid-Tech entwickelt. Wieder war Mike Vagnino federführend beteiligt und aus dem Konzept für Customs entstand ein EDC namens Wayfarer 247. Im Namen verbirgt sich etwas Symbolik und das Ziffernakronym „247“, das in der amerikanischen Umgangssprache für „24 Stunden, 7 Tage“ die Woche steht. Also ein Messer für „rund um die Uhr“, ein ausgesprochenes Alltagsmesser.
„Wayfarer“, bedeutet Wanderer und auch diese Symbolik steht für ein universell einsetzbares Messer. Der „Wanderer zwischen den Welten“ fühlt sich bei einer Brotzeit mit Freunden am Fluss ebenso wohl wie bei einem Einsatz am Hindukusch.
Zwei Klingenformen stehen beim Wayfarer von Olamic Cutlery zur Auswahl.
Oben: Harpoon
Unten: Drop Point
Genau genommen ist das Wayfarer 247 kein Messermodell, sondern ein Konzept. Abmessungen und äußere Form sind immer gleich, aber hinsichtlich Gestaltung von Farben, Griffmaterial, Taschenclip und Backspacer gibt es fast unbeschränkte Variationsmöglichkeiten.
Zwei unterschiedliche Klingenformen stehen zur Auswahl. Die Drop Point Klinge, mit der auch das Messer im heutigen Review ausgestattet ist, stellt dabei den größten Anteil und markanteste Eigenschaft ist ihre weit nach hinten reichende, aggressiv gestaltete Swedge. Die zweite Klingenvariante nennt sich „Harpoon“ und besitzt eine über die Linie des Klingenrückens nach oben gezogene Swedge. Auf Wunsch stehen die Klingen auch mit schwarzer PVD Beschichtung zur Verfügung und hören dann auf den Namen „Shadowfarer“ (Schattenwanderer).
Typisch für Taschenmesser von Olamic Cutlery sind die individuell gestylten Griffschalen mit passender Hardware.
Als Klingenstahl verwendet Olamic Cutlery bei seinen Wayfarer Modellen immer den pulvermetallurgischen M390 Microclean von Böhler-Uddeholm. M390 bringt es mit 20 Prozent Chromanteil, vier Prozent Vanadium sowie kleineren Anteilen von Silizium und Wolfram auf einen Anteil der Legierungselemente von über 28 Prozent. Die hohen Chrom- und Vanadium Anteile machen den Stahl überdurchschnittlich korrosionsträge und sorgen für sehr gute Hochglanz- und Poliereigenschaften.
Technik und Daten
Ein weiteres Merkmal von M390 Microclean ist der hohe Verschleißwiderstand. Bei dieser Eigenschaft überragt M390 nahezu alle anderen Messerstähle und man kann diese Eigenschaft beim Anlassen gezielt herausarbeiten. Ein auf maximale Verschleißfestigkeit ausgelegte Klinge erreicht eine Härte von 60 HRC bei ebenfalls überdurchschnittlich hoher Zähigkeit. M390 wurde ursprünglich als Werkzeugstahl, hauptsächlich für Formeneinsätze zur Pressung von CDs entwickelt. Als Klingenstahl gehört M390 Microclean zur Topklasse und lässt keine Wünsche offen.
Stahl | C | Cr | V | W | Mo | Mn | Si |
Böhler M390 | 1,90 % | 20,0 % | 4,0 % | 0,60 % | 1,0 % | 0,30 % | 0,70 % |
Das Wayfarer ist ein schmales Messer; die Breite des Griffs (ohne Taschenclip) beträgt nur 12 Millimeter. Die gegroovten Griffschalen – Olamic Cutlery nennt es „scalloped“ – unterstützen diesen Eindruck. Zwar bietet Olamic Cutlery das Wayfarer 247 auch mit glatten Griffschalen an, die Mehrheit der Griffe weist jedoch Grooves oder Bohrungen auf. Dadurch wird das Gewicht des Messers gesenkt, so dass die meisten Wayfarer Modelle unter 130 Gramm wiegen.
Die Klinge besitzt eine moderne Drop Point Form, der Radius der Schneide ist relativ groß. Die Gratlinie verläuft gerade im oberen Drittel der Klinge; unterhalb setzt der Flachschliff an. Typisch ist das gestreckte, ovale Daumenloch in der Klinge sowie der skelettierte Kicker. Zum Öffnen als Einhandmesser eignet sich das Daumenloch nur bedingt. Zwar gelingt es mit einiger Übung den Detent zu überwinden aber im Herzen ist das Wayfarer ein Flipper. Ein Impuls mit dem Zeigefinger auf den Kicker reicht, um die Klinge ins Lock zu befördern.
Eine technische Finesse im Verborgenen ist die Klingenführung. Auf einen Stop-Pin verzichtet Olamic Cutlery, stattdessen ist in jede Griffschale innen eine Nut gefräst, in der ein aus der Klinge ragender Pin läuft.
Dieses Design erzeugt einerseits viel gestalterischen Spielraum bei Griff und Backspacer, andererseits wird die Klinge nicht nur durch die Achse, sondern durch Achsschraube und Pins insgesamt dreifach stabilisiert.
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Die Klingenführung besteht aus zwei Käfigkugellagern, man kann das Messer also problemlos komplett demontieren und reinigen. Zwei Unterlegscheiben zwischen Klinge und Griff vervollständigen die Klingenführung.
Die aufwändige Klingenführung bewirkt, dass ein Wayfarer bespielt werden möchte, bis es sich vollständig eingelaufen hat. Das heißt im Umkehrschluss allerdings nicht, dass der Klingengang gehemmt ist. Bereits out-of-the-box flippt das Messer ausgezeichnet und erreicht den optimalen Klingengang nach einigen Tagen des Gebrauchs. Dass sich ein Messer mit kugelgelagerter Klinge einlaufen muss, ist nicht ungewöhnlich; Hauptgrund ist das „Einschleifen“ der Unterlegscheiben gegenüber dem Kugellager.
Der Detent des Wayfarer ist relativ straff eingestellt. Das führt zu sicheren Halt der Klinge im geschlossenen Zustand sowie knackiger Flipper-Action einerseits, wirkt sich andererseits aber auf den Klingengang aus, da der Detent wären des Öffnens konstant seitlichen Druck auf die Klingenwurzel ausübt. Trotz des relativ straffen Detent steht die Klinge perfekt zentriert.
Wie eingangs schon erwähnt, das Wayfarer 247 verriegelt die Klinge per Framelock. Ein auswechselbarer Stahleinsatz stellt den Kontakt zur Klingenwurzel her. Das Lock steht bei etwa 30 Prozent und verriegelt die Klinge sicher. Das Entriegeln benötigt wenig Kraftaufwand.
Eine Augenweide ist der Backspacer. Bei diesem Modell besteht er aus violett anodisiertem Titan mit unregelmäßigen Grooves an der Außenseite. Er erstreckt sich über rund zwei Drittel der Grifflänge und liegt innen nicht an den Griffschalen an. Durch die dreifache Verschraubung ergibt sich trotzdem eine sehr stabile Rahmenkonstruktion. Im hinteren, oberen Drittel des Griffs ist ein ovales Lanyard Hole integriert, das innen vollständig vom den Backspacer umschlossen ist. Solide Lösung!
Modellzeichnung und Seriennummer lasert Olamic Cutlery auf die Innenseite des Clips. Die Seriennummer ist dabei nicht an eine bestimmte Optik oder Ausstattung des Wayfarer 247 gebunden, sondern gilt fortlaufend für alle jemals gebauten Messer. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, ein Messer zumindest grob zu datieren.
Auf Kundenwunsch werden die Griffe mit kleinen Kunstwerken graviert.
Ähnlich aufwändig wie der Backspacer ist auch der Taschenclip gestaltet. Er wird optisch dem jeweiligen Messer angepasst. Beim Messer im Review besteht er aus Titan, das in der gleichen Farbe anodisiert wurde wie die Griffschalen. Die Grooves auf dem Clip sind praktisch eine verkleinerte Darstellung der Grooves auf den Griffschalen. Eine Besonderheit ist die Keramikkugel am Ende des Taschenclips, die das Messer sicher in der Tasche hält und dabei so gut wie keinem Verschleiß unterliegt.
Handlage und Ergonomie
Obwohl der Griff mit nur 12 Millimetern Breite ausgesprochen schmal ist, besitzt das Messer eine gute Handlage. Sowohl die Griffhöhe wie auch die Form des Griffs haben daran ihren Anteil. Die Griffhöhe beträgt hinter der Fingermulde für den Zeigefinger gut 25 Millimeter und steigt im Bereich des Lanyard Holes bis auf über 28 Millimeter an. Dadurch füllt der Griff eine mittelgroße Männerhand gut aus; das Wayfarer neigt beim Schneiden nicht zum Verdrehen in der Hand.
Die tiefe Fingermulde für den Zeigefinger sorgt für guten Halt während der Daumen auf einem kurzen aber stark konturierten Jimping auf dem Klingenrücken liegt. Das Griffende weist einen markanten Winkel auf und überragt bei Handschuhgröße 9.5 den Handballen um einige Millimeter. Sowohl geöffnet wie auch geschlossen lässt sich der Griff wie ein Kubotan handhaben.
Olamic Cutlery Wayfarer 247 – Qualität
Bei Material und Verarbeitung lässt das Wayfarer 247 weder Wünsche offen noch Punkte liegen. Die Passgenauigkeit alles Teile ist ausgezeichnet, das Messer wirkt trotz des geringen Gewichts ungemein stabil. Alle Oberflächen von Griff und Clip sind gleichmäßig anodisiert, die Grooves sind präzise geschliffen und sogar seitensymmetrisch.
Die Klinge ist fein satiniert. Das Finish wird bei Olamic Cutlery in Handarbeit erzeugt. Ein paar Details fallen auf. So besitzt das ovale Daumenloch in der Klinge auf der Innenseite eine umlaufende Fase; Ricasso und Kicker sind hochglanzpoliert. Mit Gravuren geht Olamic Cutlery sparsam um und beschränkt sich auf Firmenlogo und Stahlsorte. Der Klingenschliff ist winkelstabil und seitensymmetrisch; die Schneide ist auf der gesamten Länge sehr scharf (9,5/10).
Olamic Tactical prangt in weißen Lettern auf der schwarzen „Hard Shell“ Box mit Reißverschluss, in der alle Messer von Olamic Cutlery ausgeliefert werden. Unter einer Abdeckung aus Schaumstoff befindet sich das handgeschriebene Zertifikat und der Spezialschlüssel für die Achsschraube. Auf dem Zertifikat wird neben Modell, Seriennummer und Ausführung auch das genaue Herstellungsdatum des Messers angegeben.
Olamic Cutlery Wayfarer 247 – Preis und Fazit
Das Wayfarer 247 macht Eindruck. Sowohl die Detaillösungen wie auch die Verarbeitungsqualität heben es aus der Masse heraus. Viele Serienmesser haben es schwer, sich gegen die Liebe zum Detail zu behaupten, die in jedem Wayfarer steckt. Soviel Schönheit hat seinen Preis! Ein Wayfarer mit „einfachen“, glatten Griffschalen liegt im Internethandel bei knapp 400 Dollar. Mit dem Grad der Individualisierung und dem Aufwand der Gestaltung steigt der Preis. Ein Messer mit Grooves und farblich abgesetztem und aufwändig gestyltem Backspacer liegt bei rund 600 Dollar. Timascus Applikationen, Bolster oder Gravuren können den Anschaffungspreis auch noch höher treiben.
Das Wayfarer verkauft sich nicht über den Preis, sondern über seine Qualität und die aufwändige Gestaltung. In Sachen Style und Qualität ist das Wayfarer der Mercedes unter den taktischen Flippern. Der hohe Grad an Individualisierung ist nur durch Handarbeit zu erzielen und treibt den Preis selbstverständlich ebenfalls nach oben. Das Preis-Leistungs-Verhältnis geht daher absolut in Ordnung.
Olamic Cutlery fertigt von sich aus individualisierte Varianten des Wayfarer 247 und bietet sie im eigenen Onlineshop zum Kauf an. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, sich ein Messer nach eigenen Vorstellungen bauen zu lassen. Dadurch erhält man ein Semi-Custom, also ein Einzelstück, bei dessen Herstellung viele Schritte in Handarbeit durchgeführt werden. Durch die Massenfertigung der beiden Klingenvarianten bleiben die Kosten gegenüber einem Custom jedoch einigermaßen im Rahmen.
Das Wayfarer 247 ist ein Messer für die Individualisten unter den Messerfans und kann auch jene begeistern, „die schon alles haben“. Es gehört ohne Frage zu den besten Foldern, die jemals bei Knife-Blog auf dem Tisch lagen. Trotz seines hohen Preises ist das Messer sein Geld wert.
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Links, technische Daten und Bewertung
- Knife-Blog Thema: Titan Framelock Folder
- Bezugsquelle: Olamic Onlineshop
- Olamic Cutlery: Homepage
- Pro & Contra: Wie Knife-Blog wertet
Wayfarer 247 | Daten und Ausstattung |
---|---|
Messertyp | Titan Framelock Folder, Flipper Öffnung |
Hersteller | Olamic Cutlery |
Modell | Wayfarer 247 |
Klingenlänge / Schneide | 88 mm / 90 mm |
Klingenstärke | 3,3 mm |
Klingenform | Drop Point oder Harpoon |
Klingenhöhe | 26 mm |
Klingenstahl | Böhler M390 |
Länge offen / geschlossen | 207 mm / 118 mm |
Griffmaterial | Titan |
Gewicht | 130 Gramm |