Rick Hinderer MP-1

Rick Hinderer MP-1 – Review und Praxistest

Das MP-1 ist eine Weiterentwicklung der populären XM-Serie des amerikanischen Messermachers. Hinter dem Konzept des Rick Hinderer MP-1 stehen mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Herstellung von EDC-tauglichen Taschenmessern; mit Fug und Recht kann man das Messer als “Hinderer 2.0” bezeichnen. Das MP-1 zeigt aber nicht nur typische Design-Merkmale von Rick Hinderer, es bringt auch einige technische Leckerbissen mit. Doch wie steht es um die Qualitäten des Messers als EDC?

Rick Hinderer gehört seit vielen Jahren in Europa zu den populärsten Messermachern aus den USA. Neben seinen unter eigenem Namen produzierten Messern ist er vor allem durch seine Kooperation mit Zero Tolerance bekannt geworden. Das von Rick entwickelte Modell ZT 0560 erreichte schon kurz nach seiner Vorstellung Kultstatus und ist bis heute ein Dauerbrenner geblieben. Auch das Zero Tolerance ZT 0393 konnte sich einen Platz im Herzen vieler Messerfans erobern.

Angefangen hatte jedoch alles einige Jahre früher mit den ersten Zeichnungen und Prototypen für die XM-Serie. Rick Hinderer war damals Feuerwehrmann und begann hobbymäßig mit dem Messermachen. Die Abkürzung „XM“ steht für „Experimental Model“ und ist dem Slang des US-Militärs entnommen.

Beides zusammen verschmolz zur Modellbezeichnung XM-18 für die ersten Prototypen, die Rick anschließend im Einsatz bei der Feuerwehr und als Rettungstaucher erprobte. Die Zahl 18 war Rick Hinderers Identifikationsnummer bei der Feuerwehr, also die Zahl, die vorne auf seinem Helm prangte.

Die Entwicklung des Rick Hinderer MP-1

Seit den ersten Experimenten in einem ausgedienten Truthahnstall sind viele Jahre vergangen, die XM-18 und XM-24 Modelle wurden ein weltweiter Erfolg und plötzlich standen Kooperationspartner und Kunden Schlange. Längst hat sich bei Rick Hinderer die Fertigung gewandelt. Statt Einzelstücke in einem kleinen Schuppen entstehen nun verschiedene Messermodelle in einer modernen Werkstatt.

Das Rick Hinderer MP-1 mit einem Inlay aus Carbon
Das Rick Hinderer MP-1 mit einem Inlay aus Carbon

Trotzdem kann man Rick Hinderers Messer nicht als Serienmesser bezeichnen, der Begriff „Midtech“ ist zutreffender. Obwohl es für Midtech Knives keine allgemeingültige Definition gibt, lassen sich drei Kriterien herausarbeiten. Bei einem Midtech sind Designer und Produzent im besten Fall die gleiche Person, die Herstellung aller Komponenten findet ausschließlich im eigenen Betrieb statt und der Produktionsprozess beinhaltet einen deutlichen Anteil an Handarbeit.

Alle Kriterien sind bei Rick Hinderer erfüllt und so steht hinter Messern mit seinem Namen keine anonyme Produktionskette, sondern der Namensgeber selbst. Unterstützt von einer Handvoll Mitarbeiter in der Produktion ist Rick gleichzeitig Designer und Techniker, Chef und Arbeiter, Marketing-Ikone und Qualitätskontrolleur.

Konstruktionsmerkmale und Design

Die Abkürzung „MP“ steht für „Modular Plattform“ und der Begriff funktioniert im Deutschen ebenso wie im Englischen. Die Ziffer „1“ steht für die Evolutionsstufe und lässt vermuten, dass Rick das Konzept zukünftig mit einer weiteren modularen Plattform für andere Klingenlängen oder -formen erweitern könnte.

Basis des Rick Hinderer MP-1 ist ein Rahmen aus zwei 4,2 Millimeter starken Griffschalen aus Titan, die über die Klingenachse und zweifach im Bereich des Backspacers miteinander verschraubt sind. An dieser Stelle wird eine technische Detaillösung sichtbar, die Rick Hinderer zum Patent angemeldet hat.

Mit einem kleinen Inbusschlüssel lässt sich der Backspacer durch Lösen einer einzigen Schraube entfernen. „HBMS“ (Hinderer Modular Backspacer System) nennt sich dieses System. Einerseits lässt sich das Messer besser reinigen, ohne es komplett demontieren zu müssen, andererseits kann der Backspacer getauscht und das MP-1 auf diese Weise individualisiert werden.

Der verbaute Backspacer ist aus Titan gefertigt. An seiner Oberseite besitzt er eine Jimping-ähnliche Struktur und stellt am Griffende ein Langloch für einen Lanyard zur Verfügung. Am hinteren Ende, in einer Vertiefung vor dem den Griff überragenden Lanyard Hole, befindet sich die kleine Inbusschraube.

Hinderer MP-1 Detail
Der innenliegende Klingenanschlag ist das herausragende technische Merkmal des Rick Hinderer MP-1

Der größte Unterschied des Rick Hinderer MP-1 zu den meisten anderen Messern liegt jedoch in der Konstuktion des Klingenanschlages. Die Thumb Studs liegen bei geöffneter Klinge nicht an der Vorderseite der Griffschalen an, wie es üblicherweise der Fall ist. Stattdessen hat Rick Hinderer einen innen liegenden Bolzen konstruiert, der durch eine Ausfräsung in beiden Griffschalen gleitet. Er stabilisiert nicht nur Klinge und Klingengang, sondern definiert auch den Anschlag bei der Klingenöffnung.

Im Mittelpunkt der Modularität und Kompatibilität der “Modular Plattform” des Rick Hinderer MP-1 steht der Gedanke, dem Benutzer weitreichende Möglichkeiten zu geben, sein MP-1 individuell anzupassen. Deshalb verwendet Rick beim MP-1 viele Komponenten, die Hinderer-Fans bereits in ihrer Sammlung haben und ermöglicht so eine Individualisierung des Messers, ohne neuen Teile kaufen zu müssen.

  • Taschenclip und Clip-Aufnahme: Kompatibel mit allen Hinderer XM-18 Modellen
  • Rahmenschrauben: Kompatibel mit Hinderer Eklipse-Schrauben
  • Achsschraube: Kompatibel zu XM-18, 3,5″ Schrauben

Die Rahmenkonstruktion des Rick Hinderer MP-1 ist ausgesprochen stabil, ohne dass das Rick Hinderer MP-1 dabei zu schwer oder gar überbaut wirkt. Kaum sichtbar ist der Überdehnschutz der Lock Bar, der sich unter dem Taschenclip versteckt. Für den Taschenclip sind zwei Montagepositionen möglich, beide befinden sich auf der Lock Side. Wahlweise kann das MP-1 Tip-Up oder Tip-Down getragen werden.

Auf der Vorderseite des Messers stört keine Montagemöglichkeit für den Taschenclip die Optik. Ein Clip an der Vorderseite wäre vor allem bei den Modellen mit einem Inlay aus Carbon auch alles andere als sinnvoll.

Klinge und Klingenstahl

Dass es sich beim Rick Hinderer MP-1 um einen Flipper handelt, wird eingefleischte Fans des Messermachers nicht überraschen. Vom „Slippy“ einmal abgesehen ist die Flipper-Öffnung eine Konstante bei den Entwürfen des Messermachers aus Ohio.

Obwohl eindeutig als Flipper konzipiert, besitzt die S35VN Klinge des Rick Hinderer MP-1 auch einen Daumen-Pin auf jeder Seite der Klinge. Allerdings benötigt man etwas Kraft und die richtige Technik, um die Klinge mit dem Daumen anzuheben. Anfängliche Versuche scheitern meist, doch mit etwas Übung gelingt es plötzlich immer besser, das MP-1 als Einhandmesser zu öffnen.

Die 3,25 Zoll (83 mm) lange Klinge aus S35VN ist eine Variante der Sheepsfoot Form, für die sich in der Messerszene die Bezeichnung „Insingo“ eingebürgert hat. Seit Chris Reeve Knives diese Klingenform beim Sebenza 21 vorgestellt hat, haben viele Messerfans die Schneidleistung und gute Schnittkontrolle bei dieser Klingenvariante schätzen gelernt.

Mit einer Stärke von 4,2 mm ist die Klingenstärke für ein Messer dieser Größe üppig bemessen. Selbst am vorderen Ansatz der Swedge ist der Klingenrücken noch 4 Millimeter breit.

Klinge im Insingo Stil beim Rick Hinderer MP-1

Die Klinge des MP-1 von Rick Hinderer besitzt einen Flachschliff, der beinahe über das gesamt Klingenblatt erstreckt. Die Gratlinie verläuft knapp unterhalb des Klingenrückens und setzt kurz hinter der Reverse Swedge an. Das Stonewash Finish der Klinge lässt sie deutlich dunkler als das Titan des Griffs wirken, woraus sich ein spannender Kontrast zwischen Klinge und Griff ergibt.

CPM-S35VN
C Cr Mo V Nb
1,40 % 14,0 % 2,0 % 3,0 % 0,50 %

CPM-S35VN ist ein pulvermetallurgischer Klingenstahl des amerikanischen Herstellers Crucible Industries. S35VN wurde gezielt als Messerstahl entwickelt und besitzt ausgezeichnete Allround-Eigenschaften.

Zwischen Schneide und Kicker befindet sich eine ausgeprägte Schleifkerbe, die einen Vorgriff ermöglicht. Für feine Schneidearbeiten lässt sich das Messer zwischen Zeige-, Mittelfinger und Daumen halten, wobei der Daumen etwa in der Klingenmitte aufliegt und viel Druck und Kontrolle ermöglicht.

Bei der Klingenlagerung hat sich Rick Hinderer für Teflon-Scheiben entschieden. Im Gegensatz zu Kugellagern müssen sich die Teflon-Scheiben ein wenig einlaufen. Out-of-the-Box flippt das MP-1 von Rick Hinderer ein wenig träge, verbessert sich jedoch im Gebrauch von Tag zu Tag. Der Klingengang ist weich und geschmeidig; die Klingenbewegung beim Öffnen und Schließen ist gut kontrollierbar.

Beim Klingenschliff gibt sich Rick Hinderer keine Blöße: das MP-1 ist im Hinblick auf Symmetrie zwischen linker und rechter Klingenseite sowie beim Schleifwinkel perfekt.

Die Klinge ist schneidfreudig und entlang der gesamten Schneide sehr scharf (9.5/10).

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Griff und Ergonomie des Rick Hinderer MP-1

Die beiden soliden Griffschalen aus Titan und die mit minimalem Zwischenraum eingepasste 4,2 Millimeter starke Klinge (0,165“) ergeben eine Griffbreite von 13,3 Millimetern bei einer Griffhöhe von 27 Millimetern. Das MP-1 von Rick Hinderer ist damit für mittelgroße bis große Hände gut geeignet und sein Griff füllt die Faust gut aus.

Die Unterseite des Griffs besitzt Fingermulden für den Zeigefinger, einen geraden Abschnitt für Mittel- und Ringfinger sowie eine weitere Fingermulde für den kleinen Finger. Form und Abstände sind perfekt gewählt und das Rick Hinderer MP-1 liegt wie angegossen in der Hand. Kanten oder Druckstellen sind nicht vorhanden.

Der Daumen liegt bequem auf dem breiten Jimping kurz hinter dem Klingenheber und kann viel Druck auf die Schneide ausüben, ohne dass es dafür einer Anstrengung bedarf. Auch im Reverse Grip passt die Griffgestaltung ausgezeichnet.

Qualität und Verarbeitung

Bei einem Messer von Rick Hinderer liegen die Erwartungen ebenso hoch wie die Messlatte und das MP-1 enttäuscht nicht. Die Metallbearbeitung ist hervorragend, das schließt das Äußere ebenso ein wie die aufwendigen Fräsarbeiten am “Semi Internal Stop”. Besonders beeindruckend ist die Einpassung des Carbon-Inlays. Übergänge zum Titan sind nicht tastbar, ein Spalt ist selbst unter der Lupe nicht erkennbar. Die feine Satinierung der Titan Oberflächen und des Carbon Inlays setzen Maßstäbe!

In jedem Jahr präsentiert Rick seine neuen Messer auf der IWA Outdoor Classics in Nürnberg und stellt sich geduldig den Fragen seiner Kunden und Fans. Rick ist am Feedback der User sehr interessiert und nimmt gern Anregungen auf.

Rick Hinderer

Die Flipper-Action des Rick Hinderer MP-1 ist ordentlich, doch mit seiner kugelgelagerten Konkurrenz kann das Messer nicht ganz mithalten. Dafür sind Klingenschliff und Justage perfekt. Hier zeigt sich der Aufwand, den Rick bei seinen Midtech Messern betreibt in aller Deutlichkeit.

Dem Messer liegt eine Visitenkarte des Mitarbeiters bei, der für Zusammenbau und Justage verantwortlich zeichnet. Eine schöne Geste, die über den praktischen Nutzen der Qualitätssicherung hinaus dem Messer für seinen Käufer eine individuelle Note verleiht.

Der Detent des MP-1 ist auf der strafferen Seite angesiedelt, was einen nachdrücklichen Impuls erfordert, um die Klinge ins Lock zu befördern. Dort angekommen steht die Lock Bar bei etwa 25 Prozent Überdeckung und verriegelt die Klinge sicher. Ein Stahleinsatz zum Schutz der Lock Bar ist nicht vorhanden.

Rick Hinderer MP-1 in der Praxis

Man kann das Rick Hinderer MP-1 trotz seiner Klingenlänge von “nur” 83 Millimetern bedenkenlos zu den Heavy Duty Foldern zählen. Der Flipper ist ungemein stabil und vermittelt in der Handhabung Solidität und Sicherheit. Alle EDC Aufgaben meistert das MP-1 mit unaufgeregter Lässigkeit.

Die Form der Klinge und die Schärfe des Anschliffs ergeben ein leistungsfähiges Schneidwerkzeug für den Alltag.

Die Spitze des Messers ist nicht so fein ausgeschliffen, dass man im harten EDC-Alltag einen Klingenbruch befürchten müsste. Erst auf dem letzten Zentimeter vor der Spitze verjüngt sich der Klingenrücken spürbar.

Die ergonomische Qualität des Messers ist genauso hoch, wie man es von einem erfahrenen Designer erwartet. Im Normalgriff ist das Rick Hinderers MP-1 ein potentes Werkzeug, im Vorgriff eignet es auch für diffizile Schnitte.

Nicht nur Rick Hinderer, sondern auch einer seiner Mitarbeiter bürgt für die Qualität jedes MP-1
Nicht nur Rick Hinderer, sondern auch einer seiner Mitarbeiter bürgt für die Qualität jedes MP-1

Hinderer MP1 – Fazit

Das MP-1 ist als reine Titanversion, in Titan mit einem Carbon Inlay auf der Vorderseite oder mit einer G-10 Griffschale verfügbar. Die Titanmodelle gibt es auch blau oder bronzefarben anodisiert. Für Rick Hinderers MP-1 mit G-10 Griffschale liegt der Listenpreis bei 450,- Dollar, bei den Titan und Titan/Carbon Modellen bei 695,- Dollar.

Große Preisunterschiede im Online-Handel lassen sich – wie gewohnt – bei Messern mit dem Rick Hinderer Logo nicht ausmachen. Preis- oder Rabattschlachten gibt es nicht. Daher sind die Messer für ihre Besitzer ungewöhnlich wertstabil und erzielen selbst auf dem Gebrauchtmarkt noch einen Großteil des Einstandspreises.

Die Preise im europäischen Online-Handel unterscheiden sich nicht wesentlich vom US-Markt. Für ein MP-1 in der Titanversion werden rund 690 Euro fällig. Das Rick Hinderer MP-1 überflügelt im Preis den Klassiker XM-18 genauso wie das Eklipse oder das deutlich günstigere Slippy.

Ein Midtech aus den USA, das in einer kleinen Manufaktur in perfekter Qualität gefertigt wird, konkurriert abstammungsbedingt nicht mit Serienmessern aus Niedriglohnländern. Angesichts der Verarbeitungsqualität und seiner Wertstabilität ist das MP-1 seiner Kosten zum Trotz ein guter Kauf, wobei ich die Titanversion gegenüber dem Modell mit G-10 Griffschale eindeutig den Vorzug geben würde.

Wer sich ein Rick Hinderer MP-1 gönnt, erwirbt eines der besten Messer, das Rick je entworfen hat und wird – wenn er die Ausgabe erst einmal verschmerzt hat – keinen Grund finden, seine Entscheidung zu bereuen.

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Rick Hinderer MP-1
In einem Satz:
Ein Taschenmesser für alle Lebenslagen, das mit hoher Qualität überzeugt, aber preislich an der Schmerzgrenze kratzt.
Klingenstahl
Anschliff
Design, Praxistauglichkeit, Sicherheit
Material- und Verarbeitungsqualität
Ergonomie und Justage
Preis-Leistungs-Verhältnis
4.6
Knife-Blog Wertung