Roland lannier - Spring Heeled Jack Review

Roland Lanniers “Spring Heeled Jack” im Review

Wieder einmal liegt ein handwerklich hergestelltes Messer eines noch relativ unbekannten Messermachers aus Frankreich auf dem Tisch. Die Rede ist von Roland Lannier. Sein Markenzeichen sind aufwendig verarbeitete Zweihandmesser, die hohe handwerkliche Qualität mit einer ganz eigenen Fantasiewelt verknüpfen. Auch wenn seine Messer zu thematischen Serien gehören, macht sie ihr individuelles Design zu Einzelstücken. Eine neue Serie von handgearbeiteten Messern hat Roland Lannier erst kürzlich präsentiert, Knife-Blog stellt zwei Exemplare vor.

Inhalt und Übersicht

Als die Messer von Roland Lannier bei mir eintreffen und ich sie erstmals in die Hand nehme, ahne ich nichts. Zwei Taschenmesser. Nichts deutet in diesem Moment darauf hin, dass ein völlig anderes Review entstehen wird als ursprünglich geplant. Während ich die Klinge aus- und einklappe und das Messer von links nach rechts drehe, beginnt das Messer plötzlich, mich von der Realität in eine Fabelwelt aus bösen Clowns und bizarren Figuren zu entführen.

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Zauberwelt!

Nach kurzer Zeit stelle ich fest, dass dieses Review nicht der Autor, sondern das Messer und sein Macher selbst schreiben werden.

Ich verwerfe mein vorbereitetes Konzept, lege das Messer neben die Tastatur des Notebooks und lasse den Dingen ihren Lauf …

Jeder Messermacher, jede Custom Schmiede und vielen Firmen fertigen Messer nach einer unverkennbaren Philosophie. Dabei kann es martialisch zugehen, wie bei Strider und Medford, krampfhaft futuristisch wie bei WE Knife oder schillernd und bombastisch wie bei Darrel Ralph oder Todd Begg.

Roland Lannier – Spring Heeled Jack

Keines dieser Adjektive trifft auf die Messer von Roland Lannier zu. Auf den ersten Blick wirken die Messer mit ihren flachgeschliffenen Klingen unscheinbar, erst der zweite Blick offenbart die Komplexität der Gestaltung. Roland stellt seine Messer in einen ungewöhnlichen Kontext und schafft dadurch ein spannendes Ambiente mit dezenter Extravaganz.

Zum einen entstaubt Roland die französische Messertradition, bedient sich aber der erprobten Funktionalität dieser Messer, zum anderen kombiniert er ungewöhnliche Materialien mit Impressionen aus der Fantasiewelt der Comics. Am Ende entstehen vermeintlich brave Gentleman Folder, in deren ungewöhnlicher Gestaltung sowohl ein Hauch Pop-Kultur wie auch harte Punk- und Ska Rhythmen mitschwingen können.

Roland Lanniers Slipjoint "Spring heeled Jack" mit Carbon Griff
Roland Lanniers Slipjoint “Spring heeled Jack” mit Carbon Griff

Roland Lannier hat sein Handwerk in einer der namhaftesten Messerfirmen in Thiers erlernt. Sechzehn Jahre lang arbeitete er bei Atelier Perceval, wo er unter anderem die bekannte Modellreihe „L“ schuf. Nach gut anderthalb Jahrzehnten wurde der Ruf seiner Seele nach freier Entfaltung immer lauter und 2014 wagte er den Schritt in die Selbstständigkeit. Heute hat Roland Lannier seine Werkstatt in einer ehemaligen Poliererei im Stadtzentrum von Thiers. Zwei Mitarbeiter gehen ihm bei der Herstellung der Messer zur Hand.

Jedes Messer erzählt eine Geschichte

Messer von Roland Lannier sind eigentlich keine Messer, sondern Geschichten mit einer Klinge. Viele Messer haben einen Bezug zu einem Superhelden aus einem Marvel-Comic oder einem alten britischen Comic, vorzugsweise aus der Feder von Lanniers Lieblingsautor Warren Ellis. Szenen aus berühmten Comics oder deren Verfilmungen zieren manchen Messergriff und auch die Namen einzelner Messer und thematischer Serien sind der Comic-Szene entliehen. Um die Messer von Roland Lannier zu verstehen, muss man einen kurzen Ausflug in seine Motivation beim Messermachen und die Welt der Comic-Gestalten unternehmen.

Die erste Messerserie von Roland Lannier trug den Namen „Why so serious?“. Diesen Satz sprach der böse Clown in der berühmten Batman Verfilmung von 2008 mit Heath Ledger („The Dark Knight“). Die Szene erzählt aus der Kindheit des Clowns, als sein Vater ihm mit einem Messer beide Wangen aufschlitzt, so dass der Junge nun scheinbar immer lacht. Dabei fragte der Vater seinen Sohn: „Why so serious?“. Den Satz kann man je nach Kontext mit „Warum so ernst?“ oder mit „Warum so traurig?“ übersetzen. Es ist oft der Doppelsinn in Worten oder Sätzen, die den Messermacher zu faszinieren scheint, und damit sind wir beim zweiten Teil des doppeldeutigen Satzes.

Lanniers Meinung nach sind die (französischen) Messerhersteller zu ernsthaft, zu wenig experimentierfreudig und zu stark der Tradition verhaftet. Die Eintönigkeit der Formen, Farben und Materialien, das „herumlatschen auf ausgetretenen Wegen“ und der Verzicht auf Spaß und Humor hatten ihm die Freude an seiner Leidenschaft beinahe genommen. Schließlich begehrte er auf. „Why so serious?“, fragt er und kritisiert damit die Traditionshörigkeit des französischen „Messer-Establishments“. Offen bricht der Punk-Rock Fan mit Eckpfeilern französischer Messerstile und weigert sich fortan, Olive, Maserbirke oder gar Edelhölzer, Tierknochen und andere klassische Materialien für seine Messergriffe zu verwenden.

Roland Lannier: Ungewöhnliches Griffmaterial

Stattdessen setzt Roland Lannier auf ungewöhnliche Griffmaterialien. Die Palette ist weit gesteckt. Manchmal besteht der Griff aus alten (Vinyl) Schallplatten, manchmal aus dem Kunststoff Corian, manchmal aus Carbon und gelegentlich werden Aluminiumchips in Acryl gegossen.

Wenn Roland Lannier tatsächlich einmal Holz verwendet, ist es Bambus, den er aber nur für Backspacer einsetzt. Gegenstände und Materialien für den Bau von Messergriffen zu recyceln, macht Roland besonders viel Spaß. Die Stoffe schottischer Kilts verarbeitet er zu Leinen-Micarta, sodass sich an den Oberflächen die Farben und Linien des Tartans deutlich erkennen lassen.

Die Affinität zu Tartan (Stoff mit einem Webmuster, das charakteristisch für einen schottischen Clan ist) hat seinen Ursprung von Lanniers Verbindung zur englischen Punk-Szene. Dort wurden Kilts oder aus Tartan hergestellte Kleidung provokativ zur Verächtlichmachung des Establishments getragen. Und da schließt sich endlich der Kreis: Der Punk im Geiste kritisiert die Bourgeoisie und demaskiert die Leitsätze französischer Messerstile durch den Einsatz neuer Materialien sowie den Spaß, neue Wege zu gehen.

Spring heeled Jack von Roland Lannier mit eine Pouch aus Filz

Die Rückenfeder des Spring Heeled Jack ist ein Laminat aus Stahl und G-10.

Seine Ausflüge in die Welt der Comics mit ihren Supermännern und Antihelden sowie harte Punk-Rock oder Ska Rhythmen als Würze bilden die Kulisse auf dem Weg zu einem anderen Messerstil.

„Just a little serious“. Eine weitere Messerserie, ein weiteres Wortspiel. Wörtlich übersetzt bedeutet der Satz „nur ein wenig ernsthaft“ , aber Roland Lannier hebt nur auf das Wort „little“ (klein) ab. Da die Exemplare seiner zweiten Messerserie kleiner sind als die „Why so serious?“ Modelle, sie sie eben nur “ein kleines bisschen serious”.

Spring Healed Jack

Nach diesem kleinen Ausflug in die Gedankenwelt von Roland Lannier kommen wir nun endlich zu Messern aus seiner neuen Kollektion. Sie trägt den Namen „Spring heeled Jack“ und auch dieser Name nimmt Bezug auf eine bizarre Fabelgestalt. Diese Kunstfigur taucht erstmals im frühen 19. Jahrhundert im englischen Sheffield auf und findet später auf vielfältige Weise Eingang in zeitgenössische Romane und Comics.

Anfangs wird „Spring heeled Jack“ eher als Kobold beschrieben, der seinen Mitmenschen Streiche spielt. Im Lauf der Jahre driftet die Fabelgestalt aber mehr und mehr in Richtung eines bösen Clowns, der – Jack The Ripper nicht unähnlich – mordlüstern jungen Frauen nachstellt. „Spring heeled Jack“ ist eine Gruselgestalt mit brennend roten Augen, klapperdürrer Statur und grässlichen Händen. Seinen Namen verdankt er der Tatsache, dass er in großen Sprüngen von seinen Tatorten flieht, geradewegs als hätte er Stahlfedern in den Absätzen.

Die Bauform des Messers ist Slipjoint. Fans adeln diese Messer als „Gentleman Folder“ während Technik Freaks sie gern als „Opas Taschenmesser“ gering schätzen.

Klinge auf, Klinge zu – fertig! Klingt langweilig, ist manchmal auch langweilig.

Wenn das Messer von Roland Lannier stammt, hat Langeweile allerdings keine Chance.

Er motzt das konstruktiv simple Slip Joint nicht nur optisch, sondern auch technisch auf. Eisgehärtete Klingen aus 14C28N treffen nun auf berylliumhaltige Bronzescheiben, Achsschrauben aus Titan und bei manchen Modellen auch auf einen Detent Ball aus Keramik.

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Warum heißt die aktuelle Messerserie „Spring heeled Jack“? Wieder treffen wir auf eines von Roland Lanniers Wortspielen. Eine Besonderheit ist die Gestaltung der Rückenfeder, die ein 3-fach Laminat aus Stahl mit einer Mittellage aus farbigen G-10 ist und neben dem optischen Effekt in zweierlei Hinsicht praktischen Nutzen bietet. Die Federkraft und somit die Handhabung des Messers lässt sich besser beeinflussen und justieren, gleichzeitig kann das Gewicht des Messers gesenkt werden.

Die Klinge aus 14C28N Stahl ist 93 Millimeter lang, 23 Millimeter hoch und drei Millimeter stark. Der Flachschliff erstreckt sich über das gesamte Klingenblatt. Am Klingenschliff lässt sich erkennen, dass Roland Lannier nicht nur auf gute Optik und einen interessanten Background Wert legt: Die Schneide des Zweihandmessers ist perfekt geschliffen und scharf wie ein Skalpell (10/10!). Nur etwa 75 bis 80 Gramm bringen die Messer der „Spring heeled Jack“ Serie auf die Waage – gemessen an Klingenlänge und Format sind es ausgesprochene Leichtgewichte.

Durch die Griffe zum Unikat: "Spring heeled Jack" von Roland Lannier
Durch die Griffe zum Unikat: “Spring heeled Jack” von Roland Lannier

Der Griff ist ein Hingucker und jeder Ästhet unter den Messerfans wird seine wahre Freude daran haben. Es handelt sich um eine Multi-Layer Konstruktion, wobei ich mir nicht darüber klar werde, ob das Laminat aus fünf oder sieben Schichten pro Griffschale besteht. Auf der Innenseite verbaut Roland Lannier Carbon, darüber liegt eine sehr dünne Schicht Papier-Micarta, noch einmal Carbon, dann die Motiv Schicht wieder eine mit Harz überzogene Schicht aus Papier-Micarta.

Das Papier-Micarta stammt selbstverständlich aus einem Comic Heft, dass sich mit „Spring heeled Jack“ befasst. Natürlich hat Roland nicht irgendeine Stelle zufällig ausgewählt. Roland hat für dieses Messer auf der linken Griffseite eine Textstelle gewählt, auf der die Worte „I don’t like looking back“ deutlich lesbar sind („Ich blicke nicht gern zurück“). Egal ob schlichtes Lebensmotto oder zynischer „Gruß“ an sein altes Leben bei Atelier Perceval – er verklausuliert die Botschaft durch einen Papierfetzen aus einem Comic Heft und transportiert sie über den Griff eines Messers. Ganz ehrlich Leute, wer über Roland Lannier und seinen Humor nicht schmunzeln kann, dem bleibt nur noch die Flucht in den Alkohol…

Dass das Messer handwerklich hervorragend gemacht ist, geht im komplexen Kontext beinahe unter. Die Klinge hat einen straffjustierten Detent und einen Rastpunkt in der 90° Grad Position. Auf den altbackenen Ästhetikkiller „Fingernagelkerbe“ verzichtet Roland Lannier erfreulicherweise und das tut der Funktion keinen Abbruch. Die Klinge lässt sich mit Daumen und Zeigefinger gut greifen und mühelos öffnen. In der geöffneten Position sitzt die Klinge straff und es besteht kaum Gefahr, dass sie ungewollt einklappt und den Messerbesitzer zum Horrorclown werden lässt.

Roland Lanniers "Spring Heeled Jack" im Review 1

Die Schrift auf dem Messergriff ist keine Spiegelung, sondern besteht aus alten (Comic-) Heften, die zu durchsichtigem Micarta verarbeitet sind.

Das Sahnestück bleibt aber der Griff. Egal ob Leinen- oder Papier-Micarta, egal ob Carbon oder Kunststoff – Roland Lannier gelingt es immer, den Griffschalen das „besondere Etwas“ zu verleihen. Dass der Aufwand bei der Gestaltung, der hohe Anteil echter Handarbeit und die Fertigungsqualität nicht für ein Butterbrot zu haben sind, versteht sich von selbst. Zwischen 280.- und etwa 400 Euro liegt die Preisspanne für ein Unikat des Messer-Punks aus Thiers.

Messer von Roland Lannier sind nichts für Zahlenmenschen oder Schnäppchenjäger! Sie sind völlig ungeeignet für Messerfans, die sich ausrechnen, wie viele Messer aus China oder den USA sie für diesen Betrag kaufen könnten. Ein Messer von Lannier ist ein Kunstwerk mit Klinge und ganz gezielt wendet sich der bekennende Weinliebhaber an die Messer-Gourmets dieser Welt. „Die Kunst ist die stärkste Form von Individualismus…“, hat Oscar Wilde einmal formuliert und nur die Individualisten unter den Messerfans werden Spaß an den ausgefallenen Ideen und Designs von Roland Lannier haben.

Taugt das Messer als EDC? Jein! Seine Stärken sind gleichzeitig auch seine Schwächen. Als Brotzeitmesser bei einer Rast ist das „Spring heeled Jack“ die Idealbesetzung aber für den harten Arbeitsalltag vieler Messerfreunde ist dieses Messer einfach zu schade. Jeder tiefe Kratzer in einer Griffschale wäre ein Debakel und als brachialer Hebel taugt die Klinge schon gar nicht. Ein kleiner Beipackzettel warnt davor, die Griffschalen mit kochendem Wasser in Berührung zu bringen oder das Messer in der Mikrowelle zu trocknen. Die Notwendigkeit des zweiten Hinweises ist gleichmassen amüsant und beunruhigend.

Spring heeled Jack mit Pouch und Metallbox

Zu jedem Spring heeled Jack gehört eine Pouch aus Filz und eine solide Metallbox, die an einen Henkelmann erinnert.

Kunst und Gestaltung eines Produktes geht bei Roland Lannier über das Messer selbst hinaus. Verpackt wird ein „Spring heeled Jack“ in einer stylishen Metalldose in Form eines kleinen „Henkelmanns”. Tatsächlich ist die Dose als Transportbehälter für kalte Speisen – vielleicht anlässlich eines Picknicks – durchaus geeignet.

Zusätzlich gibt es zu jedem Messer eine Pouch, die nicht irgendwo in der Dritten Welt, sondern ebenfalls bei Roland Lannier hergestellt wird. Logischerweise besteht die Pouch nicht aus Kalbs- oder Schlangenleder, sondern aus schnödem Filz. Ein Stück Tartan verdeckt die Naht, eine letzte Reminiszenz des Messermachers an die britische Punk-Szene. Unwillkürlich hört man ein tosendes Crescendo von „The Clash”. Und damit schließt sich der Kreis.

Die Messer von Roland Lannier haben Stil. Sie passen zu einem Glas „Gallety Blanc“ aus der Ardèche genauso wie zu einem edlen Roten aus dem Vallée du Rhône. Sie passen zu Ziegenkäse und frischem Baguette unter freiem Himmel. Die Messer haben Potenzial für Sammler und werten jede Messervitrine auf. Als Ergänzung zu einem soliden Fixed-fürs-Grobe das Messer ein praxistaugliches EDC, das jeden Tag aufs Neue Spaß macht. À la vôtre, Roland!

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Links und Bewertung

Spring healed Jack von Roland Lannier
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Ergonomie und Justage
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