Anfang Juni wurden auf der Blade Show in Atlanta die Messer des Jahres 2016 gekürt. Messer, die eines der begehrten Blade Show Awards gewinnen können, werden anschließend von der weltweiten Messergemeinde nicht nur auf Herz und Nieren getestet, sie werden regelrecht seziert. Jeder kleine Fehler, jede minimale Schwäche im Design oder Exemplarstreuung während der Serienfertigung werden schonungslos offengelegt und rund um den Globus diskutiert. Der Spartan Blades Harsey Folder siegte in einer der Topkategorien und wurde als „Bestes Messer aus amerikanischer Produktion“ ausgezeichnet. Im Review wird sich zeigen, ob der Gewinner ein würdiger Sieger oder nur ein vorlauter Dopingsünder ist.
Inhalt und Übersicht
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Die Messer des Jahres werden vom Blade Magazin und einer Auswahl von Fachjournalisten und Experten gewählt. Wie schon in den letzten Jahren hat die Jury auch 2016 einige Entscheidungen getroffen, über die man – vorsichtig formuliert – kontrovers diskutieren kann.
Ein Titelgewinn auf der Blade Show ist allerdings noch lange nicht der Messer-Olymp, sondern nur der erste Schritt auf einer sehr langen Leiter. Ob ein Messer in der globalen Messerszene als „verdienter Sieger“ anerkannt wird, entscheidet sich erst in den Wochen und Monaten nach der Show. Auch der Spartan Blades Harsey Folder wird sich in der nächsten Zeit den kritischen Augen der Fachwelt stellen müssen.
Nicht in allen Fällen konnten sich die Gewinner anschließend im Urteil der Käufer und Rezensenten behaupten. Einige Titelträger, zum Beispiel das Modell 0999 von Zero Tolerance, ernteten weltweit Beifall für Innovation, gestalterischen Mut und die avantgardistische Kombination von Materialien. Auf den Markt kam das Messer allerdings nie, was im Nachgang für Enttäuschung und reichlich Kritik sorgte.
Andere Hersteller begannen sofort ihren Sieger in hohen Stückzahlen zu produzieren und mussten, wie Lionsteel beim legendären Flop seines T.R.E., wegen Qualitätsmängeln herbe Kritik und Ansehensverlust einstecken.
Spartan Blades SHF
Ein mehrwöchiger Praxistest mit mehr als einem Messer ist also unerlässlich, wenn man einen Blade Show Sieger auf Herz und Nieren prüfen möchte und genau diesem Szenario muss sich der Spartan Blades Harsey Folder in diesem Review stellen. Bereits auf der IWA 2016 hatte Spartan Blades einige Prototypen und Vorserienmodelle des Akribis Nachfolgers präsentiert und mit seiner Neuvorstellung viel Aufmerksamkeit erzeugt.
Permanent wedeln Händler und Messerfans auf der IWA Outdoor Classics mit Geldscheinen und geizen nicht mit guten Worten, um eines der raren Exemplare zu ergattern. Schon der erste Eindruck auf der Messe zeigt: Hier kommt ein Messer, das weder als Flop noch als Eintagsfliege enden wird.
Im Knife-Blog Praxistest befinden sich zwei nahezu baugleiche Messer mit schwarzer DLC Beschichtung. Unterscheidungsmerkmal sind blau anodisierte Schrauben und Spacer bei einem Messer, das direkt von Spartan Blades stammt. Das zweite Messer wurde an einen Händler in Europa geliefert und repräsentiert die Serie. Alternativ wird das SHF auch in einer Variante mit silberfarbenen Griffschalen und einer Klinge mit stonewashed Finish angeboten.
Die Abkürzung SHF steht für „Spartan Blades Harsey Folder“ und würdigt den Messerdesigner William W. Harsey Jr., der seit Jahren mit Spartan Blades zusammenarbeitet und auch für viele Fixed Blades der Firma aus North Carolina Pate stand. Die Menschen hinter Spartan Blades sind Mark Carey und Curtis Iovito, zwei Veteranen der US Army Special Forces.
Der Vater des Spartan Blades SHF.
William „Bill“ Harsey ist einer der Veteranen der US-amerikanischen Messerszene.
Schon während seiner aktiven Zeit hatte Curtis Iovito Kampfmesser für seine Kameraden hergestellt. Nach ihrer Pensionierung gründeten Mark und Curtis die Firma Spartan Blades in der Nähe des großen Armeestützpunkts Ft. Bragg.
„Knives with intent“ lautet der Slogan der kleinen Firma und er soll zu Ausdruck bringen, dass hinter jeder Entwicklung nicht nur die jahrzehntelange Erfahrung der Firmengründer, sondern auch die Feinabstimmung jedes Messermodells auf einen speziellen Einsatzzweck steht.
Der Harsey Folder bildet in diesem Punkt keine Ausnahme: Das Messer ist ein großer, stabiler Folder mit vier Zoll Klinge, Titanrahmen und Framelock Klingenverriegelung. Das SHF ist als Arbeitsgerät für den militärischen bzw. behördlichen Alltag und als EDC für Messerfans mit Neigung zu Foldern im taktischen Stil gedacht.
Design, Technik und Daten
Titan ist das dominierende Material an diesem Folder. Bis auf Klinge, Achsschraube und Stop Pin bestehen alle Teile aus Titan, also auch der Taschenclip, die Schrauben und die kleine Titanplatte auf der linken Griffschale. Hinter der Platte verstecken sich die Bohrlöcher für den umsetzbaren Taschenclip. Die Achsschraube besitzt auf der linken Griffseite einen auffällig großen Kopf und einen deutlich Kleineren auf der rechten Seite. Die Inbusschrauben an der Klingenachse und den Griffschalen weisen unterschiedliche Größen aber ein einheitliches Design auf, was den harmonischen Gesamteindruck fördert.
Harmonie im Design ist ein Merkmal der Entwürfe von William W. Harsey Jr. und das SHF macht in diesen Punkt keine Ausnahme. Alle Proportionen sind stimmig, die Linienführung ist für ein Messer im taktischen Stil ausgesprochen elegant und das Verhältnis von Klingenlänge zu Klingenhöhe ist für einen Allrounder gut gewählt. Die Qualität des Designs zeigt sich noch ausgeprägter bei Ergonomie und Handgefühl.
Das SHF passt wie angegossen in eine Männerhand mit Handschuhgröße 10. Es liegt nicht nur einfach in der Hand, sondern verschmilzt regelrecht mir ihr. Deutlich ausgearbeitete Mulden für Zeige- und Mittelfinger, eine ergonomisch sinnvolle Rundung des Griffs und die umlaufende 30° Grad Fase an den Griffschalen ermöglichen eine angenehme und ermüdungsfreie Handlage.
Auch im Reverse Grip kann die Handlage des Messers voll überzeugen und an dieser Stelle zeigt sich die Qualität des Designs erst in vollem Ausmaß. Wieder liegt das Messer in der Hand, als wäre es maßgefertigt! Das Griffende ist so geformt, dass der Daumen flächig im richtigen Winkel aufliegt. Dadurch wird eine unglaublich stabile Handlage erzeugt. Der Messergriff ist in der Faust regelrecht eingekeilt, ohne dass Druckstellen wahrnehmbar sind. Ein Abrutschen mit den Fingern in die Schneide, wenn man bei einem Stich auf großen Widerstand trifft, wird dadurch wirkungsvoll verhindert.
An drei Stellen sind grob strukturierte Jimpings eingefräst: oben auf der Klingenwurzel, im vorderen, oberen und im hinteren, unteren Abschnitt des Griffs. Alle Jimpings besitzen die gleiche, grobe Struktur und erhöhen die Rutschfestigkeit deutlich.
Spartan Blades SHF: Der Harsey Folder besitzt den typischen Pocketclip, wobei Optik und Machart des Clips wohl der größte Schwachpunkt an diesem Messer ist.
Mit Griffschalen aus 6AL-4V Titan und dem S35VN Klingenstahl von Crucible Steel ist das SHF materialmäßig auf der sicheren Seite. Der Klingenstahl besitzt gute Allroundeigenschaften und hat sich im Bereich der hochwertigen Serienmesser in den letzten zwei Jahren fest etabliert. Der Framelock ist einteilig, der Lockarm ist also Teil der Griffschale.
Fast am Ende des Lockarms sitzt der Detent Ball, der für den Halt der Klinge im geschlossenen Zustand verantwortlich ist. Die Kraft, die man aufwenden muss, um den Detent zu überwinden, ist genau richtig gewählt, was eine entscheidende Eigenschaft für den Bedienungskomfort eines Einhandmessers ist. Die Klinge sitzt beim SHF so straff, dass sie sich auch bei starkem Schütteln nicht bewegt, sie lässt sich aber trotzdem ohne nennenswerten Kraftaufwand öffnen.
In den Lockarm ist eine schräg verlaufende Fingermulde eingefräst, die im Normalgriff dem Zeigefinger zusätzlichen Halt gibt und im Reverse Grip für den kleinen Finger zur Verfügung steht. Für beide Griffarten stimmen Lage und Winkel der Fingermulde ausgezeichnet; bei der Ergonomie des Griffs hat Designer Bill Harsey ganze Arbeit geleistet.
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Ein auffälliges Merkmal des SHF ist ein überdimensionales Lanyard Hole mit circa sieben Millimeter Durchmesser. Größer als ein typisches Lanyard Hole für Paracord wirkt das Loch, als hätte man es hinter dem Haus mit einer M16 in den Griff gestanzt.
Tatsächlich ist der große Durchmesser aber hilfreich, wenn man das SHF beim Transport oder während des Einsatzes mittels Schlaufen oder einem kleinen Karabinerhaken sichern möchte. Eine weitere Besonderheit ist die identische DLC Beschichtung von Griffschalen und Klinge.
Bei der Verarbeitungsqualität gehört Spartan Blades zu den Besten der Branche und das SHF macht in diesem Punkt keine Ausnahme. Beide Messer sind in Sachen Qualität untadelig und fast identisch. Die Qualität der Materialbearbeitung ist sehr hoch, auch an nicht von außen sichtbaren Stellen gibt es weder Bearbeitungsspuren noch Abstriche am Finish. Der Klingenschliff ist sehr gleichmäßig, symmetrisch und winkelstabil aber erkennbare Handarbeit.
Bei dem Messer vom freien Markt hat der Grinder offenbar einen kleinen Kampf mit der Klinge gehabt und hat kurz vor der Klingenwurzel noch einmal neu angesetzt. Dabei hat er einen Minikratzer am Ricasso verursacht. Nicht perfekt aber auch kein Drama.
Der Preis für ein Spartan Blades SHF mit Stonewash Finish beträgt 460 Dollar; für Messer mit der DLC Beschichtung werden 495 Dollar fällig. Spartan Blades fertigt seine Messer ausschließlich in den USA und verzichtet auf Importe aus Billiglohnländern, trotzdem ist das Messer nicht schnäppchenverdächtig.
Spartan Blades SHF in der Praxis
Das SHF hat mich nun einige Wochen als einziges EDC begleitet und einen rundum positiven Eindruck hinterlassen. Es ist ein sehr stabiler, solide aufgebauter Folder, der ohne Zerstörungswut kaum an seine Grenzen zu bringen ist. Mehrlagigen verleimten Karton schneidet das Spartan Blades SHF wie ein Boxcutter, ein Ast aus 40 Millimeter starken Eschenholz ist in Windeseile auf Länge gebracht und angespitzt. Immer wieder überzeugt in der Praxis die Handlage des Messers, die zum besten gehört, was mir bisher bei einem Folder untergekommen ist.
Trotz seiner guten EDC Eigenschaften verleugnet das SHF seine militärischen Gene nicht. Wer das Messer einmal im Reverse Grip gehalten hat merkt, dass die Entwickler Erfahrungen in Kampfeinsätzen gesammelt haben. Ein Kubotan wird zum vermeidbaren Ballast, wenn man das SHF in der Tasche trägt. Mit der Klingenwurzel voran, den Daumen auf dem ideal geformten Griffende, dient das SHF der wirkungsvollen Selbstverteidigung. Dabei ragt an der Klingenwurzel ein kleiner, fieser Zacken heraus, der die eingesetzte Kraft auf einen Punkt konzentriert und im Notfall auch als Glasbrecher dienen kann.
Die DLC Beschichtung zeigt sich abriebfest, der bisherige Gebrauch hat an der Klinge keine Spuren hinterlassen. Die Klinge ist leichtgängig und der Klingengang weich, ein nagelneues Spartan Blades SHF muss sich jedoch ein wenig einlaufen. Out-of-the-Box kann es zunächst etwas schwergängig wirken; nach ein paar Tagen ist das Klingenlager eingelaufen.
Das Spartan Blades SHF hat sich im Alltag als robustes Arbeitsmesser erwiesen.
Der Taschenclip, den der Pfeil der Spartaner ziert, hält das Messer sicher an seinem Platz. Auch beim Clip fällt die präzise Justage auf. Die Vorspannung ist exakt bemessen – nicht zu hoch und nicht zu niedrig. Das einhändige Öffnen des Messers kann anfänglich Schwierigkeiten bereiten. Ein Druck mit der Fingerkuppe des Daumens auf einen Thumb Stub kann ohne Wirkung bleiben, wenn man im falschen Winkel ansetzt.
Dieses Phänomen teilt das SHF mit dem Umnumzaan von Chris Reeve. Wenn man sich auf das SHF eingestellt hat, öffnet das Messer leichtgängig und spielerisch. Am besten lässt sich das SHF öffnen, indem man den Thumb Stud mit dem Daumengelenk und nicht mir der Fingerkuppe anschiebt.
Spartan Blades SHF: Fazit
Mit dem SHF ist Spartan Blades ein großer Wurf gelungen und die Auszeichnung als „Bestes Messer aus amerikanischer Produktion“ (American-Made Knife of The Year®) geht absolut in Ordnung. Die Gebrauchseigenschaften sind sehr gut; das Messer ist ein ausgezeichneter Allrounder. Es ist kein Pseudo-Taktiker, sondern ein reinrassiger „Fighting Folder“ mit sehr guten EDC Qualitäten.
Auf den ersten Blick mag der Spartan Blades Harsey Folder unscheinbar sein. Das Messer besitzt keine effektheischenden Verzierungen, keine optischen „Aufheller“ oder technische Gimmicks. Das kann dazu führen, das der eine oder andere Messerfreund achtlos am SHF vorbeigeht. Die Qualität des Designs zeigt sich um so mehr, je länger man mit dem Messer umgeht.
„Knives with Intent“. Dem eigenen Anspruch werden Mark Carey, Curtis Iovito und William Harsey gerecht! In der Praxis überzeugt der Folder von Spartan Blades mit einem bis ins letzte Detail durchdachten Design, verlässlicher Qualität und hoher Gebrauchsfähigkeit. Er gehört in die Topklasse amerikanischer Serienmesser. Das bereits erwähnte Umnumzaan liegt qualitativ und preislich auf Augenhöhe, kann aber weder bei der Handlage noch bei den Self Defense Qualitäten mithalten.
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Links, technische Daten und Bewertung
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Spartan Blades SHF | Daten und Ausstattung |
---|---|
Messertyp | Einhandmesser mit Framelock |
Klingenlänge / Schneide | 100 mm / 97 mm |
Klingenstärke | 3,9 mm |
Klingenform | Drop Point |
Klingenstahl | CPM-S35VN |
Länge offen / geschlossen | 224 mm / 124 mm |
Griffmaterial | Titan |
Gewicht | 168 Gramm |