Big Belly - Integralmesser aus Carbon von TUYA Knife

Big Belly – Integralmesser aus Carbon

Messer von TUYA Knife tauchen auf Knife-Blog mit derselben Regelmäßigkeit auf, wie Kino-Thriller mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum im Privatfernsehen. Damit enden die Gemeinsamkeiten auch schon wieder, denn Langeweile kommt bei Taschenmessern von TUYA garantiert nicht auf. Schon gar nicht beim Big Belly, das die Hauptrolle im siebenten Review zu Messern dieser Firma spielt. Ein Integralmesser aus Carbon und eine Klinge aus M390 bilden die technologische Basis und sorgen – um im cineastischen Bild zu bleiben – für spannende Unterhaltung.

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Hersteller von hochwertigen Taschenmessern haben alle das gleiche Problem. In diesem hart umkämpften Preissegment kann nur überleben, wer von den Messerfans als innovativ, modern und stilprägend wahrgenommen wird und wer sich gleichzeitig optisch wie technologisch von der Konkurrenz absetzen kann. Dass Material- und Verarbeitungsqualität dabei auf hohem Niveau liegen müssen, versteht sich von selbst.

Ein Messer, das über ordentliche Materialien und gute EDC-Eigenschaften nicht hinauskommt, lockt heutzutage keinen Messerfan mehr hinter seinem Ofen vor. Der Markt ist voll von solchen Messern. Brechendvoll, um genau zu sein. Diese Schneidwerkzeuge sind praktisch, mögen mehr oder weniger hübsch sein, besitzen aber nur geringe Individualität und noch weniger Charisma. Hier lauert das Problem für die Hersteller: Ein solches Messer kauft niemand, der bereits einige Dutzend spannender Taschenmesser in seiner Vitrine beherbergt.

Viele Hersteller versuchen, das fehlende Charisma ihrer Produkte mit massiv überzogen Preisen und die geringe technologische Individualität ihrer Schneidwerkzeuge mit einer wortgewaltigen Story zu kompensieren. Gemeinhin bezeichnet man solche Erzeugnisse als Mogelpackung. Statt steigender Umsätze gäbe es in der Filmbranche prompt eine Goldene Himbeere oder bei Lebensmitteln den Goldenen Windbeutel von Foodwatch. In der Messerszene hingegen funktioniert das Modell „Spitzenpreise für Messerdurchschnitt“ dagegen erstaunlich gut. Auf jeden Fall öfter, als man seinen – ansonsten sehr kritischen – Mitmenschen zutrauen möchte.

Genug der Negativbeispiele und der scharfzüngigen Kommentare, denn klar ist: Bei der hohen Zahl aktueller Messermodelle ist es unerlässlich, die technologische Eigenständigkeit eines Messers in den Mittelpunkt stellen, um das Besondere mit einem Spotlight zu versehen und nicht im grauen Einheitsbrei versinken zu lassen. Ob das Big Belly nicht nur aus technischer Sicht eine Perle ist, klärt sich im EDC-Check.

TUYA Knife Big Belly

Das Big Belly ist ein Einhandmesser mit Daumenhebern. Verriegelt wird die 82 Millimeter lange Klinge aus M390 durch ein modifizierten Axis Lock. Die Klinge läuft geschmeidig in einem keramischen Kugellager und hat durch ihre voluminöse Form dem Taschenmesser seinen Namen gegeben. Big Belly kann sowohl „Großer Bauchnabel“ oder einfach „Dicker Bauch“ bedeuten und steht im zweiten Fall mit leichter Selbstironie für eine Variante der beliebten „Leaf Shape“ Klingenform.

TUYA Big Belly Integral Carbon Knife - Open, Clip Side

Carbon als Griffmaterial ist an sich nicht exotisch, aber ein aus einem Stück gefräster Integralgriff aus Carbon hingegen schon. Damit haben bereits mehrere namhafte Messerhersteller experimentiert. Einige sind an der Bearbeitung des Werkstoffs oder der Stabilität des Griffstücks gescheitert und mussten ihr Messermodell nach Kundenbeschwerden wieder vom Markt nehmen. Kein Wunder also, dass TUYA Knife rund zwei Jahre an der Herstellungs- und Frästechnik für das Big Belly getüftelt hat.

Das Ergebnis überzeugt und die Präzision der Fräsarbeit nimmt auch in den Ecken und Winkeln nicht ab. Die Mechanik des Verriegelungssystems ist auf der linken und rechten Seite des Messers hinter zwei dünnen Abdeckungen aus Edelstahl verborgen. Die Platten sind versenkt und schließen wie auch die Achsschraube bündig mit dem Griff ab. Eingefräst sind alle Bauteile so präzise, dass sich selbst bei starker Vergrößerung keine Spalten erkennen lassen.

Als Einhandmesser unterliegt das Big Belly in Deutschland einem eingeschränkten Führverbot. Alle Details sind im Artikel „Taschenmesser – Was ist erlaubt, was ist verboten?“ nachzulesen.

Michal Galovic Design

Designer des „Big Belly“ ist der Slowake Michal Galovic. Bereits sein Vater war Messermacher und so wurde ihm die Liebe zu edlen Taschenmessern buchstäblich in die Wiege gelegt. Michal ist Mitte 20, hat in Deutschland Maschinenbau studiert und spricht fließend Englisch und Deutsch. Eines seiner bekanntesten Messerdesigns, dass von einem internationalen Hersteller realisiert wurde, ist das „Slicer Lockback“ von Kizer Cutlery. Inzwischen hat Michal in seiner Heimat eine eigene Firma gegründet, viele Messer gezeichnet, an der Weiterentwicklung des Recoil Lock mitgearbeitet und zahlreiche Kunden gewonnen, sodass er trotz seiner jungen Jahre in der Messerszene kein Unbekannter mehr ist.

TUYA Big Belly - Carbon- Integralmesser, front, open

Michal ist ein Künstler im Umgang mit CAD-Software. Statt Bleistiftskizzen fertigt er in der halben Zeit anschauliche 3-D-Modelle, die einen realistischen Eindruck des fertigen Messers liefern. Messer aus der Feder von Michal Galovic besitzen stets klare Formen, sind weder verspielt noch mit Zierrat behaftet und kompromisslos auf Praxistauglichkeit getrimmt. Seine Designs orientieren sich mit ihrer Sachlichkeit am skandinavischen Stil, sind stets auf das Wesentliche beschränkt, manchmal fast ein wenig unterkühlt, aber immer formschön und voller Anmut.

Bei den Klingenformen für seine Messer setzt Michal auf bewährte Klingenformen anstatt auf Schaustücke aus der Science-Fiction-Welt oder exotische Experimentalklingen.

Klinge und Klingenstahl

Auch die Klingenform des Big Belly favorisiert die praxiserprobte Leaf-Shape-Form, die trotzdem erkennbar die Handschrift von Michal Galovic erkennen lässt. Beim Klingenstahl fiel die Wahl auf den bewährten Böhler M390, einen pulvermetallurgischen Stahl der Spitzenklasse. M390 ist bei der hohen Härte von 61 HRC sehr schnitthaltig und lässt sich fein ausschleifen. Die Zähigkeit des Stahls ist für eine Taschenmesserklinge bei dieser Härte absolut ausreichend.

Die 3,5 Millimeter starke Klinge des Integralmessers besitzt bei genauem Hinsehen nicht eine, sondern zwei „Bäuche“. Die Schneide beschreibt einen weiten Bogen mit unterschiedlichen Radien; erst auf dem letzten Zentimeter vor dem Ricasso geht die Schneide annähernd in eine Gerade über. Diese Geometrie sieht nicht nur schwungvoll und elegant aus, sie bringt auch praktische Vorteile mit.

Beim Schneiden kommt immer nur ein kurzer Abschnitt der Schneide mit dem Schnittgut in Berührung, wodurch einerseits weniger Kraft für den Schnitt aufgewendet werden muss und andererseits die Schneidleistung real und gefühlt höher ist als bei einer Klinge mit gerader Schneide.

Der zweite Bauch an Michals Big Belly liegt der Schneide gegenüber. Ausgehend von der auf halber Höhe befindlichen Klingenspitze erhebt sich der ebenfalls bogenförmige Klingenrücken, um dann in einen abwärts weisenden Bogen zu münden, der als Daumenauflage ohne Jimping dient.

Ein markantes Stilmerkmal der Klinge ist die Reverse-Swedge, die etwa einen Zentimeter hinter der Klingenspitze beginnt und sich beinahe über den gesamten Mittelteil des Klingenrückens erstreckt.

Eine Swedge (früher: „Fehlschärfe“) hat ihren Ausgangspunkt üblicherweise an der Klingenspitze und erstreckt sich über einen Teil des Klingenrückens. Eine Reverse-Swedge hingegen läuft der Klingenspitze entgegen, ohne sie zu erreichen.

Praktischen Nutzen besitzt die Reverse-Swedge nicht, sie ist ein Design-Element und nimmt allenfalls ein wenig Gewicht aus der Klinge.

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Ein weiteres Feature beim Design des TUYA Knife Big Belly ist das Two-Tone-Finish des Klingenblatts. Während der erhabene Teil hochglanzpoliert ist, zeigt der Flachschliff unterhalb der Gratlinie den gleichen feinen Bürstenstrich wie die Seitenflächen der Swedge. Das sieht nicht nur nobel aus, es kostet in der Herstellung einige zusätzliche Arbeitsschritte und erfahrenes Personal in der Schleiferei.

Beim Anschliff hat TUYA Knife noch nie gepatzt und auch beim Big Belly findet sich kein Ansatzpunkt für Kritik. Kein Wackler im Schleifwinkel, keine Symmetriefehler im Bereich der Schneidfase, ein sauberer Flachschliff und kein verkorkster Übergang zum Ricasso. Besser kann man es nicht machen. Maximalpunktzahl!

Ergonomie, Handlage und Design

Zum Öffnen des Taschenmessers sind an der linken und rechten Klingenseite Thumb-Studs als Ankerpunkte zum Anheben der Klinge mit dem Daumen angebracht. Ein Einhandmesser der klassischen Art. Das Öffnen der Klinge benötigt weder Kraft noch Verrenkungen, gelingt auf Anhieb spielerisch und ist mit der linken oder rechten Hand möglich.

Die Idee der Beidhändigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch das Design des Big Belly. Das Adjektiv „ambidextrous“ kennzeichnet Werkzeuge, die von Links- und Rechtshändern ohne Einschränkungen verwendet werden können. Vor allem in den USA ist „Ambidextrous Design“ ein wichtiges Verkaufsargument. Während sich Deutschland im Kauderwelsch gestelzter Gendersprache verliert, ist gesellschaftlich akzeptiert, Linkshänder beim Gebrauch von Alltagsgegenständen als Mitmenschen zweiter Klasse zu behandeln.

Auch das Schließen der Klinge kann wahlweise mit der rechten oder linken Hand erfolgen. Als Verriegelungssystem kommt eine überarbeitete Version des Axis Lock zum Einsatz, wobei einige Komponenten so umgestaltet wurden, dass die nachteiligen Eigenschaften des AXIS Lock eliminiert werden konnten. Hauptproblem bei diesem Verriegelungssystem ist die zentrale „Omega-Feder“, die häufig bricht oder deren Vorspannung nachlässt, sodass die Klinge bei älteren Messern hin-und-her schlackern kann. Beides ist beim Big Belly nicht zu befürchten, denn Michal hat das Federsystem komplett neugestaltet.

Entriegelt wird die Klinge des TUYA Big Belly durch das Zurückziehen der beidseits angebrachten Verriegelungsstange mittels Daumen, Zeigefinger oder beiden. Solange die Verriegelungsstange gegen den Federdruck nach hinten gezogen bleibt, kann die Klinge durch Schwerkraft einklappen.

Auch hinter dem Taschenclip aus Titan steckt mehr konstruktiver Aufwand, als der ersten Blick vermuten lässt. Noch einmal steht „ambidextrous Design“ im Vordergrund. Der Taschenclip lässt sich an der linken oder rechten Seite des Messers montieren, ohne dass auf der gegenüberliegenden Seite unschöne Löcher, Gewinde oder Aussparungen sichtbar sind. Der Deep Carry Clip ist lang und stabil genug, um das Big Belly sicher in der Tasche zu halten.

Spielfreude pur statt Langeweile!

Das Schließen der Klinge auf die eben geschilderte Weise funktioniert nicht nur ausgezeichnet, es bereitet auch jede Menge Spaß. Mit ein wenig Übung kann man die Klinge vollständig in die Endposition gleiten lassen oder durch vorzeitiges Loslassen der Verriegelungsstange kurz vor Erreichen der Endposition abstoppen. Auf eine leichte Berührung mit einem Finger hin schnappt die Klinge dann mit einem vernehmlichen Klacken in ihre Ruheposition.

Beim geschlossenen Messer hält der Detent die Klinge fest, sie klappert nicht, fällt schon gar nicht ungewollt aus dem Griff und lässt sich selbst mit Gewalt nicht herausschütteln. Dennoch benötigt man beim Öffnen kaum Kraft, um den Detent zu überwinden. Für die hervorragende Justage haben sich die Macher des Big Belly ein Extralob verdient.

Aufwendige Frästechnik beim Integralmesser TUYA Big Belly

Seit der Patentschutz für das ursprünglich Benchmade gehörende Axis Lock ausgelaufen ist, haben viele Designer und Hersteller eigene Varianten dieses Verriegelungssystems entwickelt. Fast alle sind gut, die meisten sogar besser als das Original von Benchmade. Die Konstruktion von Michal Galovic ist nochmals einen Tick besser und in Sachen Bedienbarkeit, Kraftaufwand und Präzision zurzeit das Nonplusultra.

Integralmesser sind selten, denn ihre Herstellung ist aufwendig, fehleranfällig, teuer und erfordert eine spezielle CNC-Fräse. Ein Integralgriff aus Carbon verkompliziert die Herstellung zusätzlich, denn neben Unterschieden bei der Bearbeitung sind Berechnungen und Tests zur Stabilität der Struktur notwendig. Vor ein paar Jahren musste ein anderer Hersteller sein Integralmesser mit Carbon-Griff vom Markt nehmen, da sich der Rahmen des Messers als zu instabil für den Alltagsgebrauch erwiesen hatte.

Diese Gefahr besteht beim Big Belly nicht. Zunächst haben Michal Galovic und TUYA Knife emsig gerechnet und einige Vorserienmodelle auf Herz und Nieren geprüft. Danach war ein Big Belly bei Knife-Blog volle vier Wochen als EDC in Gebrauch. Dabei hat sich das Messer als ebenso stabil erwiesen wie Taschenmesser mit Linern aus Titan und aufgeschraubten Carbon-Griffschalen.

Das Big Belly ist das erste Serienmesser, das in drei Disziplinen fünf Sterne mit den maximal möglichen Punkten erzielen konnte. In den Kategorien Anschliff, Justage und Verarbeitungsqualität lässt sich TUYA Knife bei keiner noch so kleinen Ungenauigkeit erwischen und räumt zu Recht die Maximalwertung ab.

Licht und Schatten bei den Lasergravuren. Positiv ist, dass TUYA auf großflächige Gravuren verzichtet und die Klinge nicht mit Schriftzügen und Motiven überfrachtet ist. Auf der linken Klingenseite prangt nur das Logo von TUYA Knives, Stahlsorte und Seriennummer befinden sich im Bereich der Klingenwurzel. Wenig ansprechend ist der Schriftzug „Michal Galovic Design“ in einem antiquiert wirkendem Typewriter-Font auf der rechten Klingenseite. Ein kleines Logo wäre ansehnlicher und würde auch besser zu diesem Messer passen. Untypisch für TUYA Knife ist auch, dass die Gravuren nicht so knackscharf erscheinen, wie man es von anderen Messern des Herstellers kennt. Möglicherweise war die Leistung des Lasers einen Tick zu hoch eingestellt.

Im Alltag macht das Big Belly als EDC eine gute Figur, sodass man es gern zur Hand nimmt. Mit seinem Gewicht von 99 Gramm lässt sich das Taschenmesser auch mit leichter Sommerkleidung tragen. Es ist universell einsetzbar und taugt für Wanderungen ebenso wie für den Arbeitsalltag. Die „Klinge mit dem zwei Bäuchen“ ist auch bei feinen Schnitten erstaunlich präzise steuerbar. Das Öffnen und Schließen des Messers klappt spielerisch.

Wie bei TUYA Knife üblich, werden Messermodell nicht auf Dauer oder in immensen Stückzahlen produziert. Auch das Big Belly ist eine Limited Edition; weltweit gibt es nur 220 dieser Messer. Wer sich eines der verbliebenen Exemplare sichern möchte, sollte möglichst schnell 299.- Euro in die Hand nehmen und im Onlineshop von Writing-Turning-Flipping den Bestell-Button drücken.

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Technische Daten

  • Klingenlänge / -stärke: 82 mm, 3,5 mm
  • Klingenstahl / Härte: Böhler M390, 60-61 HRC
  • Länge offen / geschl.: 190 mm / 108 mm
  • Klingenlager: Keramisches Kugellager
  • Gewicht: 99 Gramm

Titelbild (Hintergrund): iStock.com:beerkoff, Messer und Composition: Knife-Blog

TUYA Knife Big Belly
In einem Satz:
Dieses EDC ist ein technischer Leckerbissen in Top-Qualität, das viele Messerfans begeistern wird.
Klingenstahl
Anschliff
Design, Praxistauglichkeit, Sicherheit
Material- und Verarbeitungsqualität
Ergonomie und Justage
Preis-Leistungs-Verhältnis
4.8
Knife-Blog Wertung