Kochmesser aus der Schmiede Balbach

Kochmesser aus der Schmiede Balbach mit Composite-Klinge

Küchenmesser gibt es wie Sand am Meer. Mehr Billige als Teure und vor allem mehr Schlechte als Gute. Supermärkte, Kaufhäuser und Fachgeschäfte bieten eine kaum überschaubare Auswahl und Hersteller aus China, Indien oder Pakistan versuchen, mit Allerweltsformen und Dumpingpreisen die Märkte zu erobern. Abseits des globalen Mainstreams und dem Solinger Einheitsbrei gibt es immer wieder Küchenmesser, die Aufmerksamkeit erregen und sich für einen Praxistest empfehlen. Das große Kochmesser aus der Schmiede Balbach mit dem Markennamen „Zwei Engel“ und Composite-Klinge aus Balbach-Damast ist ein solcher Fall.

Aus der Sicht des Journalisten ist ein neues Küchenmesser keine Nachricht, selbst wenn es qualitativ in der Oberliga antritt. Zu dicht ist das Angebot, zu klangvoll die etablierten Namen der Szene. Von Porsche bis Haiku, von Mizuno bis Nesmuk reicht das Angebot und bei den Letztgenannten kann man problemlos Messer zum Preis eines (leicht gebrauchten) Sportwagens des Erstgenannten erwerben. Die Grenzen der Nachvollziehbarkeit bei Preisen hat der Markt für Küchenmesser längst gesprengt. Manch Hobbykoch leistet sich Schneidwerkzeuge im mittleren vierstelligen Eurobereich aber der Preis für ein marketingtechnisch gut aufgemachtes Küchenmesser mit Damastklinge kann schon mal an 80.000 Euro heranreichen.

„Zwei Engel“. Dieser Name war mir im Zusammenhang mit Messern bisher noch nie untergekommen. Tatsächlich ist der Küchenmesser im heutigen Knife-Blog Review das erste Produkt einer südkoreanischen Firma mit deutschen Namen. Südkorea? Ja, teilweise wird das Messer dort gefertigt, doch wer jetzt einen asiatischen Billigheimer vermutet, irrt sich gewaltig.

Die aufwendig produzierte Composite-Klinge stammt aus der Schmiede von Markus und Lukas Balbach. Deutsche Handwerkskunst statt asiatischer Stanztechnik, das allein macht mich neugierig. Außerdem sind Formgebung und Optik des Messers so ungewöhnlich, dass die Neugier zusätzlich befeuert wird.

Kochmesser aus der Schmiede Balbach

Das Messer mit dem am asiatischen Geschmack orientierten „Zwei Engel“ Logo kann man mit 32 Zentimeter Gesamtlänge zu den großformatigen Kochmessern zählen. Die Klingenlänge beträgt 190 Millimeter; die Stärke des Klingenrückens beträgt am Kropf drei Millimeter. Der Klingenrücken verjüngt sich kontinuierlich bis zur Spitze, das Klingenblatt weist einen durchgehenden Flachschliff auf.

Ein Leichtgewicht ist das Messer aus der Feder südkoreanischer Designer nicht. Der mir als Testobjekt zur Verfügung stehende Prototyp bringt satte 296 Gramm auf die Waage und liegt damit für Kochmesser im oberen Bereich.

Kochmesser aus der Schmiede Balbach
Das Kochmesser aus der Schmiede Balbach überrascht mit ungewöhnlicher Formgebung

Die große Besonderheit an diesem Messer ist die Composite-Klinge. Das Klingenblatt besteht aus zähem 1.4034 Stahl, die Schneide hingegen aus Schichtdamast. Der Damast wird in der Schmiede Balbach handwerklich aus Böhler N690Co und Buderus Nitro-B hergestellt. Anschließend wird der fertige Damaststahl mit dem Klingenkörper feuerverschweißt, sodass beide Stähle eine untrennbare Einheit bilden.

Maße, Stähle und Gewichte

Die Schneide aus Damast ist etwa 176 Millimeter lang und erstreckt sich von der Klingenspitze bis etwa einen Zentimeter vor den Bart. Der Übergang wird durch eine rund zwei Millimeter breite und völlig gleichmäßige Schweißnaht gebildet, deren Färbung der dunklen Zeichnung des Damasts entspricht.

Auch der Damaststahl ist eine Besonderheit. Die Kombination aus N690Co und Nitro-B vereint zwei Stähle, die gemäß EU-Richtlinie zur Bearbeitung von Lebensmitteln zugelassen sind. Diese Eigenschaft vererbt sich auch auf den daraus bei Balbach geschmiedeten Damast. Das Schmiedeverfahren ist ein Betriebsgeheimnis von Markus und Lukas Balbach, durch das ein hochreiner Stahlverbund ohne Mikrofehlstellen erzeugt werden kann (Damast Super Clean, DSC®).

Eine weitere Besonderheit bei den Konstruktionsdetails findet sich am Griff. Dabei handelt es sich um eine Variante des Integralgriffs, der aus einem Stück Micarta gefräst wird. Die Unterseite des Micarta Griffs wird so ausgefräst, dass er sich über den Halberl schieben lässt. Sowohl der Kropf auf der Klingenseite wie auch am Griffende sind so abgeschrägt, dass das „Micarta-Integral“ zentriert und spielfrei gehalten wird. Auf Schrauben oder Stifte kann daher verzichtet werden, was Optik und Harmonie des Messers entgegenkommt.

Exkurs: Composite Blade

Der gequälte Halb-Anglizismus „Composite-Klinge“ definiert Klingen, bei denen zwei Stähle miteinander verschweißt werden. Das hat allerdings nichts mit der Verschweißung von mehreren Lagen Stahl wie bei der Herstellung von Damast, mit Laminatstählen oder San-Mai-Damast („Tapetendamast“) zu tun. Bei Composite-Klingen werden zwei verschiedene Stähle für Klingenrücken und Schneide feuerverschweißt. Der Klingenrücken sowie der obere Teil des Klingenblatts werden von einem elastischen, zähen Stahl mit geringer Härte gebildet, die Schneide besteht aus einem extrem harten und fein ausschleifbaren Stahl mit hoher Schnitthaltigkeit.

Jeder dieser Stähle wäre für die gesamte Klinge nicht geeignet. Härte, Schnitthaltigkeit und Zähigkeit auf möglichst hohem Niveau unter einen Hut zu bringen, ist seit Jahrtausenden der immerwährende Spagat für die Schmiede hochwertiger Klingen. Die Kombination eines zähen und eines harten Stahls lässt eine Klinge mit Eigenschaften entstehen, die ein einzelner Stahl nicht bieten kann.

Wieder einmal stellt die deutsche Sprache keinen wirklich prägnanten und unmissverständlichen Begriff zur Verfügung und so rette ich mich mit dem unschönen Wortverbund „Composite-Klinge“ in einen weiteren ungeliebten Anglizismus.

Design in Teamarbeit

Bevor wir der Klinge die gebotene Aufmerksamkeit schenken, beschert ein Blick auf die Form des Messers die nächste Überraschung. Das Messer besitzt nicht nur eine eigenständige, sondern eher eine eigenwillige Form. Viele Hersteller im Bereich hochwertiger Küchenmesser folgen beinahe sklavisch den traditionellen japanischen Grundformen. Deka, Gyoto, Nakiri, Usuba, Sabaki oder Yanagiba sind hochspezialisiert und gelten jeweils als Idealbesetzung für eine bestimmte Aufgabe.

Im Lauf der Jahrhunderte haben sich Koch- und Zubereitungstechniken allerdings stark gewandelt und Küchentrends unterliegen heute globalen Strömungen. Wer nicht gerade als Sushi-Koch arbeitet wird von hoch spezialisierten Messern eher eingeschränkt als befähigt. Heute sind mehr denn je Kochmesser als Allrounder gefragt, mit denen man Gemüse, Fleisch und Fisch gleichermaßen gut vorbereiten kann.

Kochmesser aus der Schmiede Balbach, Front
Das Kochmesser aus der Schmiede Balbach besitzt eine barocke Erscheinung und ergonomische Qualitäten

Sowie das gesamte Projekt entstammt auch das Design des Messers der Zusammenarbeit südkoreanischer Designer mit Markus Balbach, der seine jahrzehntelange Erfahrung als Schmied und Klingenfachmann eingebracht hat. Handlage und Balance bilden die entscheidenden Eckpunkte für die Gebrauchsfähigkeit jedes Küchenmessers. Diese Eigenschaften sind bei einem Allzweckmesser umso wichtiger, da man öfter und länger mit solch einem Messer arbeitet als mit Messern für spezielle Aufgaben.

Das Küchenmesser von „Zwei Engel“ folgt keiner traditionellen Spezialisierung. Es ist als Allrounder für Fleisch, Fisch und Gemüse konzipiert, wobei Ausbeinen und Filetieren natürlich ausgenommen sind. Einerseits erinnert es entfernt an den japanischen Allrounder Santoku, andererseits verfügt es über eine deutlich gestreckte und geschwungene Linienführung. Der Klingenrücken zeigt eine leicht aufwärts gerichtete Bogenlinie, um sich dann nachdrücklich in engem Bogen zur Spitze zu senken.

Die Schneide beschreibt einen leichten Aufwärtsbogen zur Klingenspitze, wobei der Radius vom Bart zur Spitze kontinuierlich zunimmt. Der Kropf (Übergang der Klinge zum Griff) ist bis zur Schneide heruntergezogen und voluminös gestaltet, sodass der Kehl (von der Griffseite erkennbare Klingengeometrie) nicht erkennbar ist. Die Bogenlinie des Klingenrückens setzt sich an der Oberseite des Griffs fort, so dass eine ungewöhnliche aber harmonische Linienführung entsteht.

Der Griff besitzt viel Volumen und füllt eine durchschnittliche Männerhand gut aus. Durch den bogenförmigen Verlauf der Griffoberseite, einem ausreichend großen Durchmesser in der Griffmitte sowie der insgesamt bauchigen Form des Griffes schmiegt sich das Messer wie von selbst in die Hand. Die Handlage des Messers kann vom ersten Moment an überzeugen.

Material und Verarbeitungsqualität

Der Damaststahl aus N690Co und Nitro-B hat seine Qualitäten schon vielfach unter Beweis gestellt. Auf 60 HRC eingestellt, dürfte er gleichermaßen hart und zäh genug sein, um sich im harten Kochmesseralltag gut zu behaupten. Ausbrüche an der Schneidkante, die bei einem ungewollten Kontakt mit Knochen oder beim Schinkenschneiden mit leicht verkanteter Klinge ein teures Messer mit ultraharter Carbonstahlklinge in Sekunden ruinieren können, sind bei der aufgesohlten Schneide aus Damast kaum zu befürchten.

Sowohl der klingenseitige Kropf wie auch sein Pendant am Griffende sind hochglanzpoliert. Der Verlauf der Maserung des Micarta-Griffs ist auf Lage und Form des Griffs abgestimmt und sehr gleichmäßig. Bei Metallarbeit und Finish macht das Messer mit den beiden Engeln eine gute Figur. Alle Oberflächen sind frei von Werkzeugspuren und besitzen ein feines und sehr gleichmäßiges Finish.

Der Übergang zwischen dem 1.4034 Stahl des Klingenblatts und der Schneide aus Damast verläuft so exakt und parallel zur Schneide, dass man unwillkürlich eher an eine Bemalung als an eine Schmiedearbeit denkt. Bei der Schärfe kann das Messer mit der Composite-Klinge aus dem Stand die volle Punktzahl einfahren: die Schneide aus Damast ist auf der gesamten Länge scharf wie ein Rasiermesser (10/10).

Das Kochmesser aus der Schmiede Balbach in der Praxis

Ich will ehrlich sein: als ich das Messer zu ersten Mal sah, war ich alles andere als begeistert. Gemessen an den geraden, schnörkellosen Linien japanischer Kochmesser verunsichert das Messer von „Zwei Engel“ mit seinen zahlreichen Bögen und Rundungen. Das Gewicht von knapp 300 Gramm lässt Fragen an der Ergonomie aufkommen. So beginne ich die praktische Erprobung mit gemischten Gefühlen.

Bereits die ersten Schnitte überraschen positiv. Die gute Balance relativiert das Gewicht und die Klinge gleitet mühelos durch Karotten und Sellerie. Die Ergonomie eines Küchenmessers ist nichts, was man innerhalb weniger Minuten beurteilen kann. Je nach Übung des Benutzers dauert es zwischen ein und zwei Stunden, bis Ermüdung in Hand und Unterarm oder ein schmerzendes Handgelenk erste Erkenntnisse liefern.

Die Schärfe der Klinge ist überzeugend und im Testzeitraum hat das Messer reichlich rohes Gemüse zu Julienne verarbeitet, Steaks portioniert sowie italienische Salami und Serrano Schinken in hauchdünne Scheiben verwandelt. Der Damast hat sich als sehr schnitthaltig erwiesen und wurde während der gesamten Erprobung nur zweimal auf dem Leder abgezogen. Auch einen Hardcore-Schnitttest an Knochenschinken mit leicht verkanteter Klinge hat das Messer klaglos überstanden.

Kochmesser aus der Schmiede Balbach mit Composite-Klinge 1

Die Ergonomie des Messers stimmt. Im Gegensatz zu geraden Griffen lässt der hochangesetzte, leicht gebogene Griff des Messers von Balbach eine unverkrampfte Handhaltung zu. Die gebogene Schneide konzentriert die Kraft der Schnittführung auf eine kleine Fläche, so dass mit wenig Krafteinsatz gearbeitet werden kann.

Beim Schneiden von Oliven, Zwiebeln oder Schinken fällt auf, dass durch die Struktur des Damaststahls nur relativ wenig Schnittgut an der Klinge kleben bleibt. Zudem erlaubt das Messer eine hohe Präzision bei der Schnittführung, was in Verbindung mit der guten Schneidleistung flottes Arbeiten ermöglicht. Die Masse des Messers tritt dabei sowohl positiv wie auch negativ in Erscheinung. Einerseits liefert sie ein hohes Momentum und man hat das Gefühl, die Klinge schiebt beinahe von selbst durch das Schnittgut, andererseits ist das Messer beim Umsetzen oder Positionieren spürbar träger als ein hundert Gramm leichteres Messer.

Kochmesser von Balbach: Fazit

An diesem Messer werden sich die Geister scheiden. Sie werden sich vermutlich an allem scheiden, was dieses Messer ausmacht. Die Form ist gewöhnungsbedürftig und nicht jeder Purist wird sich mit dem „koreanischen Barock“ anfreunden können. Die Symbolik der beiden Engel mag in Asien möglicherweise als Ausweis deutscher Wertarbeit betrachtet werden. Für mich wirkt es leicht antiquiert und steht dem innovativen Konzept irgendwie im Weg.

Wenn man sich auf dieses Messer einlässt, beginnt es nach kurzer Eingewöhnung seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Nach einigen Tagen bin ich in der Lage, mit dem Doppelengel mindestens genauso schnell zu arbeiten, wie mit meinem deutlich leichteren Santoku.

An den massiven Bart unterhalb des Kropfes muss man sich gewöhnen, wenn man Messer mit typisch japanischen Formen gewohnt ist. Dafür führt nicht jeder kleine Grifffehler zu einem punktierten Zeigefinger. Das Hacken mit dem letzten Klingendrittel ist bei diesem Messer Tabu, aber Schneidleistung und Arbeitsgeschwindigkeit beeinträchtigt der Bart keineswegs.

Kochmesser aus der Schmiede Balbach, Schneide
In der Praxis funktioniert das ungewöhnliche Konzept überraschend gut

Über das Gewicht des Messers sollte sich ein Käufer vorab im Klaren sein. Das Gewicht spielt immer dann eine Rolle, wenn Köche über Stunden unter Zeitdruck schnell, präzise und möglichst ermüdungsfrei schneiden müssen. Diese Aspekte spielen für Hobbyköche keine Rolle und wer gelegentlich eine Handvoll Karotten schneidet, braucht sich über das Gewicht seines Messers kaum Sorgen zu machen. Beide Stähle, Klingenblatt und Damastschneide, sind äußerst korrosionsträge und damit eine gute Alternative für Messerfans, die nicht nach jeder Zwiebel eine Putzaktion starten wollen.

Die Klinge ist spannend! Das Konzept eine Schneide aus Damast aufzusohlen, ist nicht neu, aber bei einem großen Kochmesser durchaus innovativ. Durch die Schneide aus Damaststahl entfällt der Spagat zwischen selektiver Härtung und dem Risiko einer insgesamt zu harten und damit bruchgefährdeten Klinge.

Die Composite-Klinge verzeiht den einen oder anderen Handhabungsfehler und dürfte vor allem für weniger erfahrene Anwender eine bessere Investition darstellen, als eine extrem ausgeschliffene Klinge aus Kohlenstoffstahl.

Das „Zwei Engel“ Messer aus der Schmiede Balbach  ist ein auf 500 Exemplare limitiertes Pilotprojekt. Mit einem Preis von rund 470,- Euro liegt das Messer in einem Preisbereich, in dem Käufer neben hoher Qualität auch ein gewisses Prestige erwarten. Letzteres kann das Messer (noch) nicht bieten, da die Meriten der Schmiede Balbach bisher in der Herstellung hochwertiger Damaststähle und nicht im Bereich Küchenmesser angesiedelt sind.

Dass ein Messer mit einer in Deutschland handwerklich hergestellter Composite-Klinge kein Schnäppchen sein kann, versteht sich von selbst. Ob das Konzept aufgeht, wird die Zukunft zeigen und vermutlich in Asien entschieden werden.

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