Messermacher Erich Niemeier

Messermacher Erich Niemeier

Manche Messermacher sind auf den sozialen Medien omnipräsent, andere investieren den Großteil dieser Zeit in die Arbeit an Schraubstock und Bandschleifer. Zur zweiten Gruppe gehört der Messermacher Erich Niemeier aus dem oberbayerischen Altötting, der auf Messer mit feststehenden Klingen und vor allem auf Neck Knives spezialisiert ist. Insider kennen Erich Niemeier als 1. Vorsitzenden der Deutschen Messermacher Gilde, Sammler schätzen Qualität und kreative Vielseitigkeit seiner Messer. Ein Blick auf den Messermacher Erich Niemeier lohnt sich für alle Fans handgemachter Schneidwerkzeuge.

Aller Anfang war die Faszination für das Werkzeug Messer. Dass er einmal ein über die Grenzen Deutschland hinaus als Messermacher bekannt werden würde, hätte sich Erich Niemeier selbst in seinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Doch in der Messerszene schreibt das Leben gerne sein eigenes Drehbuch und nimmt dabei wenig Rücksicht auf Ziele und Absichten. John Lennon hat einmal gesagt „Leben ist das, was passiert, während du fleißig dabei bist, andere Pläne zu schmieden.“ Besser lässt sich der Werdegang des Messermachers Erich Niemeier nicht in einem Satz zusammenfassen.

Der Wandel vom Messerkäufer zum Messermacher vollzog sich bei Erich Niemeier unspektakulär und war von einer ganzen Reihe Zufällen gesteuert. Heute weiß Erich Niemeier, dass sein Weg in die Welt der Messer vorgezeichnet, genau genommen sogar zwangsläufig war. Doch der Reihe nach. Ende der 1970er-Jahre ist Erich Niemeier mit elf, zwölf Jahren im besten Lausbubenalter. Ein Taschenmesser hat er sich längst besorgt und trägt es – mit gehörigem Besitzerstolz – immer bei sich.

In seiner bayrischen Heimat ist das nichts Ungewöhnliches. Jungs und Mädchen besitzen Taschenmesser und bei Erwachsenen gehören schmuckvolle Messer mit Hirschhorngriff zur Tracht. Zeitgeist und Lebensumfeld machen die Messerfreiheit möglich, denn bis dato haben weder Politiker noch Medien Messer per se verteufelt. Im Taschenmesser eines jungen Menschen sieht niemand eine Waffe und der Konsens, dass Messer Werkzeuge sind, ist noch unangetastet.

Auch für Erichs Großmutter ist es völlig normal, dass jeder Bub ein Messer hat, und sie schenkt ihrem zwölfjährigen Enkel ein Springmesser. Eines mit seitlich austretender Klinge, Druckpunktauslöser und Entriegelungshebel im angedeuteten Parierelement. Ein Messer mit Spaßfaktor. Eines, für das heute ein Staatsanwalt an die Tür klopfen würde. Die Saat war ausgebracht …

Messermacher Erich Niemeier - Damastmesser

Erich Niemeier

Das Springmesser hat aus dem Lausbuben keinen Kriminellen gemacht, dennoch gehören Verbrechen zum beruflichen Alltag von Erich Niemeier. Als stellvertretender Leiter des Kriminaldauerdienstes in der oberbayrischen Kreisstadt Traunstein gehört Erich Niemeier oft zu den ersten Kriminalbeamten am Tatort. Zeugen befragen, Spurenlagen einschätzen, Todesermittlungen führen. Der Kriminaldauerdienst ist schon lange aktiv, bevor Harry den Wagen holt.

Zwanzig Jahre früher. Erich Niemeier ist längst bei der Polizei, verheiratet und Vater. Familie und Beruf stehen im Vordergrund, Geld und Zeit sind knapp. Die Liebe zum Steckenpferd Messer flammt wieder auf, als er in München durch die Gänge der Ausstellung „Jagen und Fischen“ schlendert. Ein Buch zum Thema „Messer machen“ kauft Erich spontan und verschlingt es. Schmieden, formen, härten, schleifen, Griffe anpassen. Beim letzten Kapitel angekommen, liest er das Buch von vorn. Immer wieder.

Der Wandel vom Laien zum Profi erfolgt in kleinen Schritten. Selbstgemachte Holzgriffe ersetzen das Plastik an den Küchenmessern des Haushalts. Das erste Messerprojekt führt zu einem rustikalen Bowie-Knife. Mangels Bandschleifer entsteht die Klinge in endlosen Stunden mühevoller Handarbeit mit Feilen aus Opas Scheune.

Messermacher Erich Niemeier, Messestand DMG 2019

Erich Niemeier an seinem Stand beim Jahrestreffen der Deutschen Messermacher Gilde in Sindelfingen 2019.

Allmählich wachsen Werkstatt und Erfahrung. Ein Bandschleifer von Stefan Steigerwald bringt Profiqualität in die Hobbywerkstatt. Als Glücksfall erweist sich ein Treffen mit Messermacher Richard Spitzel. Der alte Hase ist beeindruckt von der Begeisterung des Anfängers, erkennt sein Talent und nimmt Erich Niemeier fortan unter seine Fittiche.

Zurück in die Gegenwart. Die Jahre des Übens, Forschens, Lernens zeigen Wirkung. Aus dem Anfänger ist ein Profi und aus dem Schüler ein Lehrer geworden. Inzwischen fertigt Erich Niemeier zwischen 30 und 80 Messer pro Jahr, je nachdem, wie viel Zeit ihm sein Beruf lässt. Zu einer Institution sind seine Messermacherkurse geworden, die er seit 2008 mehrmals im Jahr veranstaltet und die notorisch ausgebucht sind.

Freie Wildbahn statt Vitrine!

Viele Messermacher haben sich auf einen bestimmten Stil bei Form, Design oder Finish ihrer Messer festgelegt. Oder sie verwenden stets den gleichen Klingenstahl und das gleiche Griffmaterial. Nichts davon trifft auf Erich Niemeier zu. Jedes seiner Messer ist optisch eigenständig und so unterschiedlich wie Formgebung und Finish fallen auch die verwendeten Griffmaterialien und Klingenstähle aus.

Eines haben alle Messer von Erich Niemeier gemeinsam: Sie sind für den täglichen Gebrauch und nicht für das klinisch reine Umfeld einer Sammlervitrine bestimmt. „Meine Messer sollen benutzt werden und müssen sich auch mal dreckig machen dürfen“, erklärt Erich im Knife-Blog Interview seinen Standpunkt. “Bei der Arbeit an einem Messer steht immer den Wunsch an erster Stelle, ein optimales Werkzeug und keinen aufgabenbefreiten Staubfänger zu produzieren. Egal ob beim Zeichnen oder am Bandschleifer, ich wünsche mir immer, dass dieses Messer seinem zukünftigen Besitzer ein hilfreiches Werkzeug sein wird.“

Zwei weitere Gemeinsamkeiten findet man doch noch an den Messern von Erich Niemeier:

Die Erste ist der Flacherl. Egal ob Jagdmesser, Allrounder oder Neck Knife, der Flacherl scheint bei Erich gesetzt zu sein.

Die zweite Gemeinsamkeit sind die Lederscheiden für seine Messer, dazu gleich mehr im folgenden Abschnitt.

Messer & Co - Lieber gleich ein Wanger!Messer & Co - Lieber gleich ein Wanger!
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Messermacherbedarf aus Meisterhand von Jürgen Schanz

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Nutzloses Dekor und optisches Chi-Chi sucht man bei Messern von Erich Niemeier vergebens, der Aufwand steckt in der bestmöglichen Umsetzung des Wesentlichen. Das heißt im Umkehrschluss nicht, dass die Messer nicht ansprechend aussehen dürfen. In Handarbeit satinierte Klingen und die aufwendigen Lederscheiden, die Erich für jedes Messer individuell entwirft, stehen für die Symbiose aus Noblesse und Alltagstauglichkeit.

Ein handgearbeitetes Messer erzählt immer etwas über seinen Macher, denn seine Persönlichkeit spiegelt sich zwangsläufig in der Gestaltung und der Umsetzung des Grundgedankens. Erich Niemeier ist keine Ausnahme. Er ist ein gradliniger Typ, der in Gesprächen nie herumlaviert. Selbst wenn das Thema heikel ist, werden seine Statements nie vage. Eine klare Frage führt bei Erich immer zu einer klaren Antwort, er druckst nicht herum, macht stattdessen verbindliche Ansagen. Und genau so sind seine Messer. Ehrlich, gradlinig und bodenständig.

Klingenstähle und Lederscheiden

Natürlich muss Erich Niemeier Knife-Blogs Standardfrage nach den von ihm verwendeten Klingenstählen über sich ergehen lassen und begründen, warum er genau diese Stähle als am besten geeignet für seine Messer ansieht.

Böhler N690 verwendet Erich Niemeier häufig. „Der Stahl ist unglaublich widerstandsfähig, schnitthaltig und besitzt gute Zähigkeit für die Klingen von Jagd- und Gebrauchsmessern“, diktiert er ins Protokoll. Härten lässt er den Stahl bei seinem Spezl Stefan Steigerwald.

Spezl, aa Spezi, is a Mo, mit dem wo a andara Mo befreindet is. Fraun san (in da Regl) koane Spezln und hom koane Spezln.

Boarische Wikipedia

Stefan Steigerwald gilt als der Fachmann für N690 in Deutschland. Das Thema hatten wir doch vor Kurzem schon mal, oder? Ja, richtig! Im Artikel über das True North Projekt.

M390 ist auch klasse, etwas schwerer zu bearbeiten, aber bei den PM-Stählen ein wirklich geniales Produkt“, schwärmt Erich Niemeier. „Manchmal passt zu einem Messer eine hochglanzpolierte Klinge, dann bevorzuge ich RWL34. Damast beziehe ich überwiegend von der Schmiede Balbach, weil die Qualität stimmt und die Damastmuster traumhaft schön sind. Am liebsten verwende ich den rostträgen DSC Inox auf N690 Basis.“

Fixed Blade mit Damastklinge von Erich Niemeier

Die Lederscheiden sind bei Messern von Erich Niemeier genauso wichtig wie das Messer selbst. Nur so erklärt sich die liebevolle Kleinarbeit, die Erich in jede Lederscheide investiert. Jede ist ein Unikat.

Jede Lederscheide wird in Form, Größe, Farbe und Stärke exakt auf das jeweilige Messer abgestimmt. „Mit Kydex und Plastik kann ich nichts anfangen“, lautet das eindeutige Statement des Messermachers, „die erfüllen eher schlecht als recht ihren Zweck, passen aber weder zu meinen Messern noch zu meiner Philosophie von Handwerk.

Auch die Neck Knives von Erich Niemeier kommen mit Lederscheiden. Die Lederscheiden zum “um den Hals hängen” sind längst eine Art Markenzeichen der kleinen Messer aus Altötting geworden.

Neck Knives als Leidenschaft

Erich Niemeier hat sich auf Messer mit feststehenden Klingen festgelegt und die stellt er in allen Varianten her. Die Spanne reicht von kleinen Neck Knives bis zu kompletten Messersets für die Küche. Letztere besitzen nur einen kleinen Anteil an Erichs Produktion, hauptsächlich fertigt er Fixed Blades, aber seine besondere Passion gehört den Neckies.

Warum gerade Neck Knives?“, frage ich Erich Niemeier und die Antwort kommt ohne Denkpause. „Weil sie ungemein praktisch sind, weil man sie immer dabei haben kann, weil sie unauffällig zu tragen sind und weil sie für 99 Prozent der Alltagsaufgaben gut geeignet sind.

Neck Knife von Erich Niemeier

Neckie von Erich Niemeier mit 45 Millimeter langer Klinge aus Balbach-Damast und Griffschalen aus Walnusswurzelholz (Gesamtlänge 10,8 cm).

Minimalistisch, praktisch, schön. Neckie mit fünf Zentimeter langer Klinge aus DSC Inox von Markus und Lukas Balbach. Die Griffauflagen sind aus stabilisiertem Kastanienholz gefertigt (Gesamtlänge 11 cm).

Minimalistisches Neck Knife von Erich Niemeier
Neck Knife mit Skinner-Genen von Erich Niemeier

51 Millimeter Böhler N690 zum Schneiden, dazu Griffschalen aus Wüsteneisenholz auf einem Liner aus Mammutelfenbein (Gesamtlänge 11 cm).

Natürlich tummeln sich handwerklich hergestellte Messer nicht in der gleichen Preisregion wie Serienmesser. Auch nicht die von Erich Niemeier. Logisch! Unerschwinglich muss Handwerkskunst dennoch nicht sein.

Die Messer von Erich Niemeier sind für die meisten Messerfans erschwinglich. Ein Neckie mit Damastklinge und handgearbeiteter Lederscheide kann man für gut 200 Euro aus Altötting entführen und selbst stattliche Fixed Blades mit einer Klinge aus Balbach Damast knacken die 700 Euro Marke meistens nicht.

Deutsche Messermacher Gilde

Seit September 2018 ist Erich Niemeier 1. Vorsitzender der Deutschen Messermacher Gilde und möchte den Verband mithilfe seiner Vorstandskollegen und frischen Ideen in die Zukunft führen. Zu einer der ersten Amtshandlungen gehörte, das unter dem Motto “Scharfe Sachen” stehende Jahrestreffen der DMG in Sindelfingen moderner zu gestalten. Das Festbankett mit seiner steifen Tischordnung wich einer lockeren Atmosphäre mit Büffet, Stehtischen und viel Freiraum für Gespräche zwischen Messermachern und Messerfans.

Für 2020 mussten die Ausstellung wegen der Corona Pandemie schon frühzeitig abgesagt werden und auch 2021 wird das Zwei-Tage-Event “Scharfen Sachen” wegen der unvorhersehbaren Entwicklung der Corona-Pandemie nicht in Sindelfingen stattfinden.

In diesem Jahr war geplant, die Jahreshauptversammlung der DMG in Solingen im Rahmen der KNIFE 2021 abzuhalten. Die neu konzipierte Ausstellung “KNIFE” wird auch für das Jahr 2021 abgesagt werden. Stattdessen soll am Sonntag des geplanten Wochenendes ein „Tag des Messers“ im Klingenmuseum Solingen stattfinden.

Trotz Corona und den weitgehenden Verzicht auf Treffen und Ausstellungen ist die DMG nicht nur bestrebt die Messermacherkunst zu erhalten, sondern gerade in dieser schwierigen Zeit den Nachwuchs bestmöglich zu fördern.

Corona hat uns gezeigt, dass die Fokussierung auf Messen und Ausstellungen mittel- und langfristig nicht ausreichend ist. Wir werden daher zukünftig die sozialen Medien stärker nutzen, um die Handwerkskunst unserer Mitglieder der Öffentlichkeit zu präsentieren“, lautet die Zukunftsplanung von Erich Niemeier.

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