Das Grundprinzip von Äxten und Beilen verkörpert vermutlich eines der ältesten Werkzeuge der Menschheit. Es begann mit einem Stock, an dessen einem Ende ein Stein befestigt war und dieses Prinzip wurde jahrtausendelang perfektioniert. Das Thema sollte inzwischen ausgereizt sein, könnte man meinen, aber dann beginnt ein gestandener Trapper das Thema Axt neu zu denken. Über ein Jahr ist zwischen Idee und Realisierung vergangen, doch in wenigen Wochen wird die Travelhawk von Anton Lennartz auf dem Markt kommen.
Inhalt und Übersicht
Werbung
Fast ein Jahr vor diesem Review läuft ein Mann mit einem geheimnisvollen Koffer über die IWA Outdoor Classics 2017. Der Mann ist Anton „Toni” Lennartz; im Koffer befindet sich seine neueste Erfindung: Eine zerlegbare Multifunktionsaxt für Outdoor-Fans. Dieses Projekt beschäftigt den Survival-Spezialisten schon lange, denn das Angebot brauchbarer Äxte für Outdoor-Sportler liegt irgendwo zwischen sehr gering und nicht vorhanden. Sorgsam schützt Anton Lennartz seine neueste Erfindung vor neugierigen Blicken, als er auf der Suche nach einem Hersteller über die Messe geht.
Damit Idee und Aufbau der „Travel Axe“ nicht von fernöstlichen Produktspionen fotografiert werden kann, wurde der Prototyp nur konspirativ in Nebenräumen und verborgenen Ecken gezeigt. Inzwischen ist viel passiert: Das Geschmacksmuster ist eingetragen und der Produzent hat Anton die ersten Exemplare der neuen Multifunktionsaxt zur Erprobung zukommen lassen.
Der Name hat sich zur Markteinführung geändert, aus „Travel Axe“ ist „Travelhawk“ geworden. Seit einigen Tagen steckt ein Vorserienmodell der Travelhawk bei Knife-Blog im Hackklotz. Damit mache ich die ersten Tests und prüfe, ob hinter der Travelhawk ein taugliches Konzept steckt. Später – rund zwei Wochen vor diesem Review – erhalte ich eine Travelhawk aus der ersten Produktionsserie. Beide unterscheiden sich hauptsächlich durch den Metallbügel, der den Axtkopf sichern soll, doch dazu später mehr …
Multifunktionsaxt Travelhawk
Wenn der erfahrene Trapper Anton Lennartz eine selbst entwickelte Axt auf den Markt bringt, darf man mit Fug und Recht ein Produkt erwarten, das sich von der etablierten Konkurrenz in Sachen Einsatzbandbreite und Praxistauglichkeit absetzt. Mit seinem GEK Outdoor-Messer (German Expedition Knife) hatte Anton Lennartz dieses Marktsegment seinerzeit belebt und maßgeblich beeinflusst. Knife-Blog hatte bereits vor einem Jahr vermutet, dass die Travelhawk einen ähnlich starken Effekt im Bereich der Outdoor-Äxte und Tomahawks ausüben könnte.
Der Ausgangspunkt war klar: Herkömmliche Äxte sind für Outdoor-Aktivitäten oft zu schwer, meistens zu unhandlich, in vielen Fällen zu teuer und fast ausnahmslos schlecht zu transportieren. Die Krux dabei ist, dass kleine Beile für viele Anforderungen nutzlos sind, ausreichend große Äxte passen aber nicht in den Rucksack passen und ihren Besitzer durch hohes Gewicht belasten.
Die Aufgabe, die sich Anton gestellt hat, klingt nach der Quadratur des Kreises. Die Axt sollte leicht aber stabil, zerlegbar aber in Sekundenschnelle einsatzbereit, preiswert, langlebig und universell verwendbar sein.
Antons Travelhawk lässt sich weder eine einen noch der anderen Gruppe eindeutig zuordnen, die Länge des Schafts liegt in der Mitte. Die Travelhawk lässt sich sowohl einhändig wie auch zweihändig gleichermaßen gut verwenden. Da sich sein Erfinder für den Begriff Axt entschieden hat, behalte ich diese Sprachregelung bei.
Axt oder Beil? Das Beil ist leichter und der Stiel etwa halb so lang wie bei einer Axt und kann daher mit einer Hand geführt werden. Im abweichenden Sprachgebrauch der Archäologie haben Äxte ein Schaftloch, Beile keines. (Quelle: Wikipedia (↑)
„Das Komplizierte ist, eine einfache Lösung zu finden“, erklärt mir Toni Lennartz im Gespräch. Mit diesem Leitgedanken hat sich Anton an die Entwicklungsarbeit gemacht. Wie bei vielen erfolgreichen Erfindungen steht auch hinter diesem Produkt nicht eine komplexe technische Apparatur, sondern ein neuer Gedankenansatz samt simpler Problemlösung.
Die Zerlegbarkeit der Axt realisiert Anton durch einen im vorderen Teil konisch geschliffenen Holzschaft und einen Axtkopf, der sich von der Griffseite aufschieben lässt. Bereits beim ersten Schlag wird der Schaft durch die Zentrifugalkraft im Auge des Axtkopfes fixiert, sodass er sich nicht mehr von allein lösen kann.
Der Axtkopf der Travelhawk ist so gestaltet, dass man ihn auch mit der Hand greifen und als Messer verwenden kann.
Nun lässt sich mit der Travelhawk arbeiten, wie mit jeder herkömmlichen Einhandaxt (Beil) oder einem Tomahawk. Durch einen leichten Schlag in Axialrichtung hinten auf den Schaft löst sich der Axtkopf und kann vom Schaft getrennt werden. Dieses simple System funktioniert in der Praxis überraschend gut und hat darüber hinaus viele Vorteile. Man kann auf Reisen nicht nur einen zweiten Schaft als Ersatz mitführen und ohne Anpassung und Zeitverlust in Betrieb nehmen, man kann auch für spezielle Einsatzzwecke einen kürzeren oder längeren Schaft montieren. Im Notfall könnte man sich sogar einen Ersatzschaft aus einem Stück Eschenholz anfertigen.
Axtkopf und Stiel
Beim aktuellen Vorserienmodell ist an der Oberseite des Schafts ein kleiner Metallbügel angebracht, der verhindern soll, dass der Axtkopf von selbst zurückrutscht. Am ursprünglichen Entwurf von Anton Lennartz fehlte diese Verriegelung und mit Verlaub, man braucht sie auch nicht.
Auf Nachfrage entschuldigt Anton diese Veränderung, sie sei wegen des geplanten Verkaufs in den USA und der Angst vor Schadensersatzklagen angebracht worden. Also eine Extrasicherung für Menschen, die Spielzeug und Schokolade im Überraschungsei nicht voneinander unterscheiden können und denen man erklären muss, dass man Kinder und Tiere nicht in der Mikrowelle trocken sollte. Die gute Nachricht lautet: man kann den Metallbügel abschrauben und auf dem nächsten Wertstoffhof entsorgen …
Die Form des Axtkopfes vereint Elemente alter Beschlagäxte („Zimmermannsaxt“), Breitäxten und indianischen Streitäxten („Tomahawk“). Statt eines durchgehenden Blatts ist die Schneide der Travelhawk über eine Art Steg mit dem oberen Teil verbunden. Dieser Aufbau gestattet, den Axtkopf ohne Schaft mit der Hand zu greifen und die Klinge als Hobel, Messer oder Spaltkeil zu verwenden.
Der Axtkopf ist so gestaltet, dass er auch ohne den Schaft ein brauchbares Werkzeug abgibt. Dazu greift man den Axtkopf von vorn, legt den Daumen ins Auge und fasst mit den Fingern den Steg. Die Größe des Axtkopfes ist so bemessen, dass eine mittelgroße Männerhand ihn bequem greifen kann.
Der Steg besitzt Fingermulden und ist ergonomisch gut gestaltet. Der Axtkopf lässt sich sicher greifen und in dieser Haltung für zahlreiche Aufgaben einsetzen. Der Nacken ist als Hammerkopf ausgeführt, sodass er zum Einschlagen von Nägeln oder zum Dengeln verwendet werden kann.
In der Praxis
In der Praxis hat mich Antons Travelhawk vom ersten Moment an überzeugt. Im Vergleich zu einer etwa gleichgroßen Axt von Fiskars ist die Travelhawk behänder, leichter und führiger. Die Spaltleistung ist hervorragend und liegt meilenweit über einem „normalen“ Beil gleicher Größe. Die Länge des Schafts ist gut gewählt. Beim Hacken wirkt der Holzschaft elastischer als die Kunststoffschäfte moderner Äxte. Dank höherer Rückprallelastizität erlaubt Antons Multifunktionsaxt ermüdungsfreies Arbeiten. Von der ergonomischen Seite gibt es an der Travelhawk nichts zu bemängeln.
Die Schneide der Travelhawk ist scharf – für eine Axt sogar sehr scharf. Bei manchen Aufgaben kann sie ein Fixed ersetzen. Der Anschliff ist ballig, die Schneide stabil.
Für Arbeiten mit geringem Krafteinsatz kann man den Schaft in der Mitte greifen und damit den Schlag noch präziser führen. Eine Einbuchtung an der Unterseite des Schafts definiert diese Griffposition und gewährt zusätzlichen Halt.
Werbung
Die ersten Angebote von Herstellern hätten zu Preisen deutlich oberhalb von 300 Euro geführt. Zwar besteht ein kleiner Markt für hochpreisige Äxte und Tomahawks aber der Käuferkreis wäre beschränkt geblieben. Anton Lennartz versteht seine Travelhawk nicht als Vitrinenstück, sondern als Hardcore-Werkzeug für den täglichen Gebrauch. Nach vielen Fragen und Angeboten konnte Anton schließlich die Firma Condor für die technische Realisierung gewinnen. Mit dem angepeilten Verkaufspreis von knapp 90 Euro ergibt sich ein ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis.
Für Dekor à la RMJ ist bei diesem Preis natürlich kein Raum. Für Hightech PM-Stähle auch nicht. Zum Einsatz kommt ein niedrig legierter Kohlenstoffstahl mit der Werkstoffnummer AISI 1060. Im Gegensatz zu Messerklingen liegt das Hauptaugenmerk beim Stahl für einen Axtkopf nicht auf der Härte, sondern auf Zähigkeit und Verschleißfestigkeit. Im Gegensatz zu ultraharten pulvermetallurgischen Stählen kann die Schneide mit einem normalen Schleifstein oder Handschärfer bearbeitet werden.
Auch die etwas rustikale Bearbeitung auf der Innenseite des Auges geht in diesem Preissegment in Ordnung. Zum Lieferumfang gehört eine stabile und gut verarbeitete Lederscheide, die nur die Schneide abdeckt und daher beim Zusammenbau nicht stört.
Bei der Travelhawk von Toni Lennartz lässt sich der Axtkopf mit wenigen Handgriffen vom Stiel trennen.
Die Trennung von Axtkopf und Schaft bringt zusätzlichen Mehrwert. Transportiert man beides getrennt, führt man keine zugriffsbereite Axt. Somit sollte man die (zerlegte) Travelhawk in Deutschland relativ unbeschwert im Wandergepäck transportieren können. Zwar steht eine entsprechende Einordnung der Behörden aus aber wenn man die Logik der Rechtsprechung bei Einhandmessern überträgt, stellt die „nicht unmittelbare“ Zugriffsmöglichkeit ein gutes Argument dar.
Travelhawk von Anton Lennartz – Fazit
Obwohl das Jahr gerade erst begonnen hat, lehne ich mich aus dem Fenster und zähle die Travelhawk jetzt schon zu den Produkten des Jahres. Sowohl das technische Konzept wie auch die Leistungen in der Praxis machen die Travelhawk zu einem heißen Kandidaten für Jäger, Outdoor-Sportler, Wanderer und alle Liebhaber praxistauglicher Klingenwerkzeuge.
Die Umsetzung ist sehr gut gelungen und die Einsatzbandbreite reicht vom Holz hacken bis zum Aufbrechen von Wild. Egal ob beim Schneiden von Gemüse oder dem Einschlagen der Kellertür – die Travelhawk zeigt sich jeder Aufgabe gewachsen. Verschleiß- oder Abnutzungsspuren waren nach dem Praxistest nicht feststellbar. Konstruktion und Handhabung verdienen Top-Wertungen und das Preis-Leistungs-Verhältnis geht absolut in Ordnung.
Zur Beschichtung kann ich derzeit noch nichts sagen, da nicht klar ist, ob die Serienmodelle in diesem Punkt der getesteten Travelhawk aus der Vorserie entsprechen werden. Silberfarben soll der Axtkopf aber in jedem Fall bleiben, um die Travelhawk optisch von taktischen Tomahawks abzugrenzen. Außerdem, und das ist dem kompromisslosen Praktiker Anton Lennartz wichtig, ist die Travelhawk dadurch auf Waldboden und im Gelände besser zu erkennen.
Der klapperig wirkende Metallbügel als – für Europäer – überflüssige Sicherung des Axtkopfes verunstaltet die ansonsten gelungene Konstruktion und erweist sich in der Praxis als hakelig. Eine Abwertung ist daher unvermeidlich.
Werbung
Links und Bewertung
- Website: Toni Lennartz
- Knife-Blog Rubrik: Ausrüstung und Outdoor-Equipment
- Knife-Blog Thema: Outdoor-Messer
- Datenblatt: AISI 1060
- Pro & Contra: Wie Knife-Blog wertet