Führverbot für Multitools

Führverbot für Multitools in Deutschland

Die Schonzeit für Multitools ist in Deutschland definitiv zu Ende. Die Alleskönner von Leatherman, Swisstool oder Gerber haben oft eine oder mehrere Klingen, die mit einer Hand geöffnet und im geöffneten Zustand verriegelt werden können. Lange Jahre wurde das Führen von Multitools durch Gesetzgeber und Polizei nicht beanstandet. Inzwischen werden die Werkzeuge in vielen Bundesländern als verbotene Einhandmesser betrachtet. Seitdem haben sich Multitools zum „Bestseller“ in Sachen Sicherstellung entwickelt.

In den letzten Monaten wurde Knife-Blog von zahlreichen Lesern informiert, dass Multifunktionswerkzeuge durch die Polizei sichergestellt und ihre Besitzer angezeigt wurden. Was vor rund einem Jahr mit Einzelfällen begann, scheint sich zu einem Flächenbrand zu entwickeln.

Ein Grund liegt in der weiten Verbreitung dieser Werkzeuge. Viele Menschen tragen ein Multitool am Gürtel und sind sich keiner Schuld bewusst. Tatsächlich macht der Gesetzgeber keinen Unterschied mehr zwischen Einhandmessern und Multitools, wenn sich deren Klingen einhändig öffnen und verriegeln lassen.

Trotzdem gab es bis vor ein paar Monaten wegen eines in einer Gürteltasche getragenen Multitools keine polizeilichen Maßnahmen. Dann landeten diese Werkzeuge in einem Bundesland zusammen mit Einhandmessern, OTF, Balisong und Co. auf einer behördeninternen Informationsbroschüre. Im Lauf weniger Wochen wurden die Inhalte und Eingruppierungen offenbar von den Behörden anderer Bundesländer übernommen.

Führverbot für Multitools nach §42a WaffG

Unwissenheit schützt bekanntlich nicht vor Strafe. Eine Binsenweisheit, die allerdings zum Problembereich der Multitools passt wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Egal ob, Privatpersonen, Handwerker oder Jäger – Multifunktionswerkzeuge mit einer einhändig zu öffnenden und arretierbaren Klinge verstoßen gegen §42a, Abs. 1, Nr. 3 WaffG.

Handwerker sind besonders gefährdet, denn im Rahmen der Berufsausübung dürfen sie gemäß §42a, Abs. 3 ein Multitool führen. Auf dem Weg zu einer anderen Baustelle, nach Feierabend oder in öffentlichen Verkehrsmitteln ist der Ausnahmegrund aber bereits mehrfach bestritten worden. Diese Auslegung von §42a, Abs. 3 ist allerdings so kleinlich, dass einige Richter die Verfahren eingestellt haben (siehe auch Stellungnahme des bayrischen Innenministeriums).

BKA: Multitools sind Einhandmesser

Im Internet kursieren Fotografien einer angeblichen E-Mail des BKA, in der die Aussage getroffen wird, dass Multitools nicht mit Einhandmessern gleichgesetzt werden und nicht unter das Trageverbot fallen. Bei dieser E-Mail dürfte es sich jedoch um eine Fälschung handeln, denn auf Nachfrage erklärt das Bundeskriminalamt, niemals eine derartige Stellungnahme abgegeben zu haben!

Auf Nachfrage von Knife-Blog hat die Pressestelle des BKA am 03.09.2017 erklärt:

Sogenannte Multifunktionswerkzeuge, bei denen eine Messerklinge vorhanden ist, die sich einhändig öffnen und arretieren lässt, fallen als sogenannte Einhandmesser unter das Führverbot gem. § 42a Absatz 1 Nummer 3 WaffG.

Diese Rechtsauffassung vertritt das Bundeskriminalamt bereits seit Jahren. Bei dieser Regelung im Waffengesetz kommt es nicht darauf an, ob die fragliche Messerklinge eine Hieb- und Stoßwaffe oder eine Gebrauchswaffe darstellt. Da diesbezüglich keine waffenrechtlichen Zweifel bestehen, wird hier auch keine Notwendigkeit für einen Feststellungsbescheid gesehen, den es bisher auch nicht gibt.

Bei der Nachfrage hat Knife-Blog darauf hingewiesen, dass die Klingen von Multifunktionswerkzeugen keine Waffeneigenschaft besitzen und auch keine Fälle bekannt sind, bei denen diese Werkzeuge als Tatwaffe eingesetzt wurden. Die Gleichstellung mit Einhandmessern lässt sich daher weder von der Bauform noch von der möglichen Verwendung als Waffe ableiten. Auf den Einwand antwortet das Bundeskriminalamt:

Zu Ihren Fragen hinsichtlich der Zunahme von Multifunktionswerkzeugen als Deliktswerkzeuge liegen, mangels entsprechender Differenzierung in der Kriminalitätsstatistik, hier keine Zahlen vor.

Auch bei der Eingrenzung der Ausnahmen durch „berechtigtes Interesse“ gemäß §42a Abs. 2 Nummer 3 oder §42a Abs. 3 gibt das BKA keine Richtung vor und delegiert die Ermessensgrundlage an die jeweiligen Bundesländer:

Nach § 42a Absatz 2 Nummer 3 und Absatz 3 WaffG sind Ausnahmetatbestände zum Führen sogenannter Einhandmessern möglich. Fragen dazu fallen jedoch nicht in die Zuständigkeit des Bundeskriminalamtes. Ansprechpartner hierfür sind die jeweiligen zuständigen Behörden vor Ort.

Landespolizeidirektionen zum Thema Multitools

An diesem Punkt lernt man den Waffengesetzwirrwarr rund um Behörden, Zuständigkeiten, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten von seiner hässlichen Seite kennen. Nachdem der Bund durch das BKA die Fragen an die Behörden der Bundesländer delegiert hat, frage ich bei Landespolizeidirektionen und den Innenministerien der Länder nach.

Multitools sind nicht zwangsläufig vom Führverbot betroffen. Dieses Victorinox fällt nicht unter das Verbot

Erlaubte Multitools

Die Landespolizeidirektion in Saarbrücken antwortet innerhalb von wenigen Minuten per Telefon: „Die Landespolizei ist nicht zuständig! Waffenrechtliche Erlaubnisse und Einstufungen obliegen den Kreisen“. Der Aussage halte ich entgegen, dass Bürger auf der Straße von Polizisten und nicht von Mitarbeitern der Kreisverwaltung kontrolliert werden. Außerdem muss der Dienstherr – also Polizeiführung und Innenministerium – Richtlinien erlassen und Informationsmaterial für die Beamten zur Verfügung stellen. Nichts zu machen. Ich erbitte eine schriftliche Antwort und erhalten die Mitteilung:

Leider kann die Vollzugspolizei des Saarlandes Ihre Fragen nicht beantworten. Ihre Fragen betreffen alleine die waffenrechtliche Einstufung und Auflagen beim Mitführen von Multifunktionswerkzeugen, die mit Klingen versehen sind. Bitte wenden Sie sich an die für Ihren Kreis zuständige Waffenbehörde.

Im Landratsamt meiner Kreisstadt sitzt eine arme Seele, die alle waffenrechtlichen Erlaubnisse und Kontrollen der Jäger, Sportschützen, Händler, Sachverständigen und Waffenscheininhaber bearbeiten muss. Bundes- und Landesbehörden erklären sich für nicht zuständig und ein Sachbearbeiter auf der unteren Verwaltungsebene soll nun die Definitionskohlen aus dem Feuer holen …

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Das bayrische Innenministerium zum Thema Multitools

Die Pressestelle der Landespolizeidirektion in NRW bleibt – wieder einmal – die Antwort schuldig während die Antworten aus anderen Bundesländern zügig eintreffen und nahezu wortgleich ausfallen. Die Pressestelle des bayrischen Innenministeriums antwortet schnell und ausführlich.

Knife-Blog: Unterliegen Multifunktionswerkzeuge, sogenannte “Multitools”, in Bayern einem Führverbot?

Alle Messer mit einer einhändig feststellbaren Klinge sind vom Führverbot des § 42a WaffG erfasst. Der Begriff des Einhandmessers ist dabei weit auszulegen. Er erfasst nicht nur die typischen Einhandmesser, sondern bildet den Oberbegriff für alle Messer, die über eine einhändig aufklappbare und feststellbare Klinge verfügen.

Demnach stellen Springmesser eine Untergruppe der Einhandmesser dar. Ebenso zählen Gegenstände wie Teppichmesser und Multifunktionswerkzeuge zu den Einhandmessern, soweit sie über eine Klinge verfügen, die mit einer Hand aufgeklappt und festgestellt werden kann. (vgl. Gade/Stoppa, Waffengesetz, Rn 15 zu § 42 WaffG)

Knife-Blog: Wird der Transport in einer durch Klettband oder Schlaufe verschlossenen Gürteltasche als „verschlossenes Behältnis“ anerkannt, sodass sich keine Verbotseigenschaft nach §42a, Abs. 1 Nr. 3 WaffG ergibt?

Als „verschlossenes Behältnis“ ist regelmäßig ein abgeschlossenes Behältnis zu verstehen (z. B. eine mit einem Schloss versehene Tasche).

Knife-Blog: Gilt für Mitglieder handwerklicher Berufe, z. B. Zimmerleute, Dachdecker, technisches Servicepersonal etc., in Bayern die Ausnahme vom Führverbot nach §42a, Abs. 2 Nr. 3 oder §42a, Abs. 3 WaffG auch dann, wenn die Betroffenen zwischen Baustellen pendeln, sich auf dem Weg von oder zur Arbeit befinden und / oder sich auf der Anfahrt zu einem Kunden befinden?

Eine Ausnahme vom Führverbot knüpft an ein berechtigtes Interesse zum Führen an. Ist ein solches berechtigtes Interesse zu bejahen, so greift die Ausnahme und es liegt ein rechtmäßiges Führen der vom prinzipiellen Führverbot erfassten Einhandmesser vor.

Nach § 42a Abs. 3 WaffG liegt ein berechtigtes Interesse insbesondere vor, wenn das Führen des Einhandmessers bzw. Multifunktionsgeräts im Zusammenhang mit der Berufsausübung erfolgt. Im Zusammenhang erfolgt das Führen, wenn der Gegenstand zur Ausübung des Berufes benötigt wird und das Führen zudem einen zeitlich-räumlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit aufweist.

Erfasst sind daher bspw. auch Hin- und Rückwege oder Fahrten zum Kunden, selbst wenn diese unterbrochen werden (im Übrigen ist hierbei auch das Führen in der Gürteltasche erfasst). Die Beurteilung, wann eine Ausnahme vom Führverbot vorliegt, richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalles.

Wieder einmal rächt sich die konsequente Definitionsverweigerung im aktuellen Waffengesetz. Hinsichtlich der – aus waffentechnischer Sicht – harmlosen Multifunktionswerkzeuge ist keine Gesetzesänderung erfolgt. Stattdessen wurde der Begriff „Einhandmesser“ enger gefasst und die Vollzugsbehörden zu schärferem Vorgehen angehalten. Diese Veränderungen gelten auch für weitere Werkzeuge: Manche Bundesländer zählen auch Kartonschneider, Teppichmesser und sogenannte Cutter zum Bereich Einhandmesser.

Sollte man noch Multitools führen?

Für Privatpersonen ist es derzeit nicht ratsam, ein Multitool mit einhändig bedienbarer Klinge und Verriegelungsmechanismus sichtbar zu tragen. Hier sind beim Transport die gleichen Vorsichtsmaßnahmen angeraten, wie bei einem Einhandmesser. Das bedeutet: Mitführen nur in einem verschlossenen Behältnis, kein direkter Zugriff auf das Werkzeug und Multitools niemals sichtbar im Inneren eines Fahrzeuges transportieren.

Alle Multitools mit einhändig zu öffnender Klinge und Klingenverriegelung fallen unter das Verbot.

Verbotene Multitools

Leider gibt es für Multitools nur wenig Lichtblicke. Nicht unter das Führverbot fallen all jene Werkzeuge, bei denen man die Griffstücke umklappen muss, bevor Zugriff auf eine arretierbare Klinge besteht. Dabei handelt es sich aber häufig um ältere Modelle, bei denen die Klingen an der Griffinnenseite anstatt an der Griffaußenseite angebracht sind. Da die Handhabung von Multitools mit dieser Bauform umständlich und beschwerlich ist, werden sie kaum noch in guter Qualität produziert.

Wer für sich eine Möglichkeit der Ausnahme nach §42a Abs. 2 Nummer 3 oder §42a Abs. 3 WaffG sieht, kann sich beim zuständigen Landespolizeipräsidium oder seiner Kreisverwaltung erkundigen. Auf schriftliche Anfrage wird die Behörde erfahrungsgemäß Auskunft geben. Diese Vorgehensweise mag die polizeiliche Sicherstellung zwar nicht in jedem Fall verhindern, erhöht die Chancen auf einen Erfolg vor Gericht jedoch deutlich.

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