Zum „Le Français“ von Atelier Perceval passt der berühmte Satz „It‘s a Klassiker“ von Franz dem Kaiser wie die Faust aufs Auge. Auch wenn sich der Stil des Messers bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen lässt, handelt es sich um ein zeitgemäßes Taschenmesser mit durchdachter Konstruktion und modernen Materialien. Technisch ist das Zweihandmesser mit Liner Lock auf dem Stand der Zeit. Das „Le Français“ ist mit zwei Klingenstählen und einer Vielzahl von Griffmaterialien erhältlich, wodurch Atelier Perceval einen breiten Kundenkreis ansprechen kann.
Inhalt und Übersicht
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Atelier Perceval ist ein Hersteller von Taschenmessern, Outdoor-Messern und Werkzeugen für Küche, Tisch und Restaurant aus der französischen Messermetropole Thiers. Das klingt bestenfalls nach einem Hersteller mit jahrhundertelanger Erfahrung im Messerbau und schlimmstenfalls nach verstaubter Tradition. Beides ist falsch, denn das Atelier Perceval ist für im Segment der Messerhersteller eine ausgesprochen junge Firma. Erst 1995 wurde das Atelier Perceval von Eric Perceval gegründet, doch inzwischen befindet sich die Firma in Händen von Julien Mignot.
Der Wechsel von Eigentümern ist bei Messerherstellern selten. Außergewöhnlich selten sogar. Ein Besitzwechsel nach wenigen Jahren ist umso erstaunlicher in einer Szene, in der viele Firmen von Chris Reeve Knives über Utica Cutlery bis zu Böker seit Jahrzehnten, wenn nicht über ein Jahrhundert in Familienbesitz sind. Tatsächlich ist die Geschichte des Atelier Perceval nicht völlig frei von Schatten. Angetreten ist man nach Firmengründung als Hersteller von klassisch französischen Taschenmessern, Kochmessern und wertvollen Tafelmessern in bester Qualität. Anfänglich besaß der französische Hersteller einen respektablen Ruf.
Dem eigenen Qualitätsanspruch ist man aber in der Folge nicht immer gerecht geworden. Ich kann mich gut an die Wut-Mail eines deutschen Messerhändlers vor einigen Jahren erinnern, der bei Messern von Atelier Perceval überdurchschnittlich viele Qualitätsmängel feststellen musste. Nach endlosen Reklamationen, Retouren, Versandrückläufern und verärgerten Kunden platzte dem Händler der Kragen und die französische Firma flog achtkantig aus dem Sortiment.
Atelier Perceval
Die Probleme betrafen zumeist das „Fit & Finish“ der Messer und lagen weniger in den Bereichen Konstruktion oder Materialien. Viele Griffschalen waren von beeindruckender Schönheit und gleichzeitig so schlecht angepasst, dass man zwischen Griffmaterial und Platinen eine „Pudelmütze durchwerfen“ konnte. Dazu gelegentlich Edelholz mit Rissen oder Fehlstellen und schließlich eine Preisgestaltung, die vorne und hinten nicht zu den gelieferten Qualitäten passen wollte.
In Sachen Qualität hat sich inzwischen einiges zum Positiven gewendet, woran Julien Mignot vermutlich nicht ganz unbeteiligt ist. Sonst hätte es das „Le Français“ auch nicht in diese Artikelreihe geschafft. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die französische Firma sich dauerhaft in der Qualitätsoberliga behaupten kann. Lichtblicke sind vorhanden: Das Modell 9.47 von Atelier Perceval gehört inzwischen (wieder) zur Standardausstattung der Sternerestaurants und auch bei den Taschenmessern lässt sich eine positive Entwicklung beobachten.
Fortschritte müssen aber unter Beweis gestellt werden und somit ist klar, wo beim heute zur Begutachtung vorliegenden Messer das Hauptaugenmerk liegen wird. Material- und Verarbeitungsqualität wird dabei ebenso akribisch unter die Lupe genommen wie die Justage von Klinge und Liner Lock.
Bevor wir uns dem „Le Français“ zuwenden, ist zum Verständnis dieses Messermodells ein Ausflug in die Vergangenheit hilfreich.
Exkurs: Tafelmesser Atelier Perceval 9.47
Die Bezeichnung „Perceval 9.47“ klingt eher nach Sturmgewehr als nach Tafelmesser und geht auf eine Begebenheit im Jahr 2004 zurück. Der damalige Firmenchef Yves Charles hat seine Wurzeln in der Gastronomie und musste feststellen, dass sich die sorgsam gegarte Entenbrust mit den zur Verfügung stehenden Tafelmessern nicht zufriedenstellend schneiden ließ. Also zückte er sein „Le Français“ Taschenmesser von Atelier Perceval, das die Aufgabe mühelos bewältigte.
Die illustre Runde begann bei einigen Flaschen Beaujolais darüber zu philosophieren, warum die Schneidleistung von nobelsten Tafelmessern nicht an ein normales Taschenmesser heranreicht. Sofort begann die Tischgesellschaft Pläne für ein solches Messer zu schmieden, wobei der Beaujolais mit seinem Alkoholgehalt von 9.47 Prozent die Gedanken beflügelte. Die alkoholinduzierte Modellbezeichnung hat es dank ihrer Originalität zu einiger Berühmtheit gebracht.
Interessanterweise hat diese Begebenheit weniger den Ruf des 9.47 als vielmehr den Ruf des „Le Français“ als unverzichtbares Accessoire für Damen und Herren begründet, obwohl das 9.47 vom „Le Français“ abstammt und nicht umgekehrt.
Das Taschenmesser „Le Français“
Wie das Modell 9.47 ist auch das „Le Français“ hauptsächlich zur Verwendung bei Tisch gedacht. Mit dem Begriff „Vespermesser“ liegt man nicht falsch, Steakmesser zum Mitnehmen wäre vielleicht sogar noch passender. Egal, ob in einem Pariser Sterneschuppen eine Entenbrust tranchiert werden muss oder beim Landausflug Käse und Baguette stilvoll zerteilt werden sollen, immer wenn es um leibliche Genüsse geht, ist das „Le Français“ in seinem Element.
Natürlich ist das „Le Français“ nicht auf die Verwendung bei Tisch oder auf eine zünftige Vesper beschränkt. Im Alltag kann das Taschenmesser zahlreiche leichte EDC-Aufgaben übernehmen. Es ist gut für den Büroalltag oder als abendlicher Begleiter beim Besuch von Freunden oder als nobles Zweitmesser auf Wanderungen geeignet.
Konstruktiv ist das Taschenmesser nicht auf hohe Belastungen ausgelegt und es möchte auch kein Hardcore-EDC für alle Lebenslagen sein. Schwächlich, klapprig oder gar instabil ist das „Le Français“ deshalb aber nicht. Es ist ein solides Taschenmesser, dessen kompakte Bauweise begeistert und dessen Klinge mit 88 Millimetern deutlich über länger ausfällt, als man es von Gentleman Foldern gewohnt ist.
Das „Le Français“ lässt sich nur beidhändig öffnen, ein Nagelhau auf der linken Klingenseite dient als Öffnungshilfe. Das Öffnen ist bequem und ohne Kraftanstrengung möglich, wobei der Nagelhau nicht unbedingt genutzt werden muss. Auch mit Daumen und Zeigefinger lässt sich die Klinge greifen und anheben.
Als Zweihandmesser mit Klingenverriegelung umgeht das „Le Français“ die deutschen Führverbote und darf legal im öffentlichen Raum getragen werden. Alle Details zum aktuellen deutschen Waffenrecht finden sich in den Artikeln „Taschenmesser – Was ist erlaubt, was ist verboten“ sowie im Beitrag: „Das deutsche Waffenrecht für Messer“.
Beim Öffnen und Schließen des Messers gibt es eine Überraschung. Obwohl das „Le Français“ von Atelier Perceval über eine Klingenverriegelung verfügt, besitzt es auch einen Halfstop, also einen Haltepunkt für die Klinge bei einem Öffnungswinkel von etwa 80° Grad. Dieses Feature findet sich hauptsächlich bei Slip Joints, die über keine Klingenarretierung verfügen, als Schutz gegen unbeabsichtigtes Einklappen der Klinge.
Klingenarretierung und Halfstop, das hat was von „Gürtel und Hosenträger“ und ist vermutlich der Tatsache geschuldet, dass sich das „Le Français“ nicht primär an erfahrene Messerfans, sondern hauptsächlich an Menschen wendet, für die der Umgang mit Taschenmessern nicht zur täglichen Praxis gehört. Beim „Le Français“ leidet die Handhabung des Messers unter dem zusätzlichen Halfstop nicht, zumal seine Haltekraft in beide Richtungen nicht sehr hoch ist. Niemand wird dieses Feature als störend empfinden.
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Zwei Stähle – drei Fragezeichen
Atelier Perceval bietet sein „Le Français“ mit zwei unterschiedlichen Klingenstählen an. Neben Torsionsdamast wird als einziger Monostahl Sandvik 19C28 angeboten.
Der Sandvik Stahl gibt in mehrfacher Hinsicht Rätsel auf. Sandvik erklärt auf seiner Homepage, dass 19C28 nur „nur begrenzt korrosionsbeständig“ ist. Das ist insofern erstaunlich, weil der Chromgehalt des Stahls mit 13,5 Prozent in einem Bereich liegt, in dem das Element Chrom bereits zu ordentlicher Korrosionsträgheit führt. Andererseits wird der Hersteller seinen Stahl kaum schlechter machen, als er ist. Warum man sich bei einem Vespermesser für einen Stahl entscheidet, dessen Korrosionsträgheit nicht am oberen Ende der Skala liegt, ist kaum verständlich. Preise und Verfügbarkeiten spielen jedenfalls keine Rolle, es gibt auf dem Weltmarkt genügend geeignete und gleichzeitig korrosionsträge Stähle.
Im Legierungskonzept von Sandvik 19C28 finden sich keine Karbidbildner wie Wolfram, Niob oder Vanadium und so besitzt der Stahl ein recht grobes Gefüge. Das führt einerseits zu guter Verschleißfestigkeit, andererseits lässt der Stahl aber keine sehr fein ausgeschliffenen Schneiden zu. Genau das erwartet man aber von einem Messer dieses Typs.
Entscheidet sich ein Messerhersteller für die Verwendung eines Klingenstahls des schwedischen Herstellers Sandvik, fällt die Wahl üblicherweise auf 14C28, der nicht nur in Sachen Korrosionsträgheit und Schnitthaltigkeit höher einzuschätzen ist, sondern insgesamt für Taschenmesserklingen geeigneter erscheint. Hinter dem Sandvik 19C28 bleibt ein Fragezeichen und nicht nur deshalb wird der Torsionsdamast beim „Le Français“ zum Stahl der Wahl. Der Damast sieht nicht nur ansprechender aus, er passt auch besser zum Stil des Messers als eine satinierte Klinge.
Wer den Damast herstellt und aus welchen Monostählen er gefertigt wird, verraten uns die Franzosen nicht. Wie immer: Fehlende Informationen führen zu einem deutlichen Punktabzug! Käme der Damast aus der eigenen Schmiedewerkstatt oder zumindest aus einem französischen Betrieb, würde Atelier Perceval dies auf der Homepage garantiert deutlich herausstellen. Dort lässt sich jedoch keine Herkunftsangabe finden. Logische Schlussfolgerung: Der Torsionsdamast stammt aus industrieller Fertigung im Ausland. Der Damaststahl des Testmessers zeigt eine oberflächliche Ähnlichkeit mit dem „Sparse Twist“ von Damasteel, aber Kontrast und Struktur wollen nicht so recht zu den Stählen der schwedischen Firma passen.
Die Machart des Stahls weist nicht nach Norden, sondern eher in Richtung der russischen Zlatoust Werke. Deren Zladinox ist ein ausgezeichneter Klingenstahl und gilt nicht nur als schnitthaltig und bruchsicher, sondern hat sich in der Praxis auch als sehr korrosionsträge erwiesen. Sollte die Vermutung richtig sein, wäre Zladinox als gute Wahl für das „Le Français“ zu betrachten.
Technische Daten und Ergonomie
Das „Le Français“ besitzt eine 88 Millimeter lange und 2,4 Millimeter starke Klinge. Die Länge der geschliffenen Schneide beträgt 80 Millimeter.
Zwei 1,5 Millimeter starke Liner aus Edelstahl bilden den Rahmen des Messers. Sie sind durch drei Stege und die Klingenachse miteinander verbunden, wovon ein Steg als Anschlag für die geöffnete Klinge dient. Die schmale Klinge und die Kombination aus Stahl und Holz beim Griff reduzieren das Gewicht des Messers auf hosentaschenfreundliche 67 Gramm. Mit anderen Griffmaterialien können sich leichte Abweichungen nach oben oder unten ergeben.
Die schmale Bauform des Rahmens fällt sofort ins Auge, der Abstand zwischen den Platinen beträgt nur 2,7 Millimeter, sodass der Spalt zwischen Klinge und Rahmen nur ein paar Zehntelmillimeter breit ist. Diese Gestaltung erzwingt eine perfekt zentrierte Klinge, und das ist beim „Le Français“ von Atelier Perceval der Fall. Weder optisch, noch mit einer Fühlerlehre lässt sich eine Abweichung von der exakten Mittelposition feststellen.
Das Liner Lock ist präzise justiert und die Klinge verriegelt mit einem sanften „Klack“. Von außen ist die Klingenverriegelung kaum erkennbar. Das Entriegeln der Klinge geht dennoch problemlos vonstatten, da sich die Verriegelungsstange gut mit dem Daumen bestätigen lässt.
Die Handlage wird durch den schlanken, geraden Griff bestimmt. Da das „Le Français“ nicht für kraftvolle Schnitte gedacht ist, ergibt sich für die Alltagstauglichkeit daraus kein Nachteil. In Höhe der Klingenentriegelung befindet sich auf der linken Griffseite eine Fingermulde, die dem Zeigefinger als Ankerpunkt dient.
Atelier Perceval „Le Français“ – Material, Qualität und Preise
Das Taschenmesser ist über 20 verschiedenen Holzarten bestellbar, die Spanne reicht von Makassar Ebenholz über Thuja, bis zu Eisenholz, Maserbirke und Snakewood. Griffschalen aus G-10 sind ebenfalls in Weiß und Schwarz verfügbar. Schnöder Kunststoff an einem klassischen Gentleman Folder ist Geschmackssache. Wer es technisch kühl mag, kann sich für Griffschalen aus Carbon entscheiden.
Das Makassar Ebenholz des Testmessers ist von exzellenter Qualität und frei von Fehlstellen oder Rissen. Die Anpassung der Griffschalen ist ausgezeichnet, die Kanten sind gleichmäßig gerundet und die Übergänge zwischen Holz und Metall sind nicht tastbar. Alle Schrauben der Griffschalen sind exakt auf die gleiche Tiefe eingepasst und stehen nicht hervor.
Trotzdem merkt man – und das ist ausschließlich positiv gemeint – dass das „Le Français“ von Atelier Perceval mit einem höheren Anteil an Handarbeit hergestellt wird, als die meisten Messer aus den USA oder China.
Die Verarbeitungsqualität des „Le Français“ in allen Punkten hervorragend, da gibt es auch für kritische Augen nichts zu beanstanden. Mit dieser Qualität muss Atelier Perceval kein Review, keinen Messerfan und auch keinen Händler fürchten. Im Alltag unterstreicht das Messer den wertigen Eindruck stets aufs Neue und man nimmt es gern zur Hand.
Handarbeit hat ihren Preis, sofern die Messer nicht am anderen Ende der Welt von Niedriglohnsklaven produziert werden. Das „Le Français“ wird komplett in Frankreich hergestellt. Der Einstiegspreis für ein Messer mit Sandvik 19C28 Klinge liegt bei 180,- Euro, wobei besonders seltene und teure Holzarten, wie das weiße Ebenholz, den Preis bis auf 260,- Euro treiben können.
Für ein „Le Français“ mit Damastklinge sind mindestens 370,- Euro auf den Tisch des Händlers zu legen. Wieder kann die Holzart für die Griffschalen für kräftige Preisaufschläge sorgen. Mit Griffschalen aus dem seltenen Wüsteneisenholz aus Arizona (Olneya Tesota oder Palo Fierro) werden für ein „Le Français“ gut 500,- Euro fällig.
Die Preise für ein „Le Français“ sind kein Pappenstiel. Zumal das Messer erst mit Damastklinge und edlem Griffmaterial wirklich Spaß macht. Spaß macht das „Le Français“ allemal und als Steakmesser ist es ein Traum.
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Links
- Atelier Perceval: Homepage (in Deutsch)
- Bezugsquelle: Altonaer Silberwerkstatt
- Knife-Blog Rubrik: Messer aus Frankreich
- Knife-Blog Rubrik: Artikel zum Thema Messerstahl
- Knife-Blog Artikel: Edelholz für Messergriffe