Normalerweise verabschiedet sich die internationale Messerszene nach der Blade Show in die Sommerpause. Während die Gewinner feiern und ihre Erfolgsmodelle vermarkten, lecken die Verlierer im Stillen ihre Wunden. Im Gegensatz zu den letzten Jahren will sich 2016 so recht noch keine Sommerpause einstellen. Zwischen zwei Großen der Branche ist ein Framelock Patentstreit ausgebrochen. Diesmal geht es nicht um die Farbe Magenta oder strittige Werbeaussagen, sondern um technische Details einer Framelock Variante.
Inhalt und Übersicht
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Neuvorstellungen und große Ereignisse sind im Sommer zumeist Mangelware, aber in diesem Jahr scheint sich das Sommerloch entweder zu verspäten oder es möchte ganz ausfallen. Eigentlich war ein Bericht über die zahlreichen „Mid-Season“ Neuerscheinungen von CRKT, Spyderco, Rick Hinderer und anderen Herstellern geplant, als plötzlich eine Breaking News eingeht: Patentstreitigkeiten und eine Abmahnung von KAI USA Ltd. in Richtung Microtech Knives. Kabale statt Liebe oder nur die Verteidigung eines begründeten Anspruchs?
KAI USA gegen Microtech
Schon Ende Mai munkelten sogenannte „gut unterrichtete Kreise“, dass KAI U.S.A. LTD seinen Konkurrenten Microtech Knives wegen der Verletzung von Patentrechten abgemahnt hat. Die Abmahnung rügt einen Verstoß gegen das Patent „US-Sub-Framelock“, das KAI U.S.A. LTD im Jahr 2015 erteilt wurde.
Bereits vor der Blade Show wurde die Abmahnung zugestellt. Dies wurde in Atlanta offenkundig, weil einige Messermodelle von Microtech, die in der Abmahnung angefochten werden, auf der Blade Show 2016 nicht zu sehen waren. Dazu gehören so populäre Microtech Folder wie das D.O.C., das Walhai, und das Socom Delta sowie einige Marfione Customs. Keines der Messer findet sich zur Zeit auf der Homepage von Microtech Knives.
Gegenstand im Framelock Patentstreit ist das Sub-Framelock, wie es am Zero Tolerance ZT 0777 zu sehen ist.
Parallel zur Abmahnung von Microtech Knives wurden auch mehrere große Händler aufgefordert, den Verkauf der fraglichen Modelle auslaufen zu lassen und bis zum 01. August 2016 endgültig einzustellen. Auch Messer anderer Hersteller weisen einige der patentrechtlich geschützten Eigenschaften auf, wobei bis heute unklar ist, ob außer Microtech Knives auch andere Hersteller abgemahnt wurden oder weitere Abmahnungen geplant sind.
Framelock Patentstreit
Unter der Patentnummer U.S. Patent Nr. 9.120.234 ist eine Framelock Variante beschrieben, bei der Griffschale bzw. Rahmen und Lockbar aus zwei getrennten Teilen bestehen. Der Griff besitzt bei diesem Framelock eine Aussparung, in die ein Teil der Lockbar eingepasst ist, daher trägt es den Namen „Sub-Framelock“. In der Patentanmeldung heißt es:
A folding knife includes a handle, a blade pivotably connected to the handle, and a lockbar for locking the blade in an open position relative to the handle. The lockbar and the handle are separate pieces. The handle includes a pocket into which at least a portion of the lockbar is fit.
(Ein klappbares Messer mit Griff, einer durch Achse daran befestigten Klinge und einer Verriegelungsstange, welche die Klinge in einer offenen Position relativ zum Griff fixiert. Die Verriegelungsstange und der Griff bestehen aus getrennten Bauteilen. Der Griff beinhaltet eine Einbuchtung, in der zumindest ein Teil der Verriegelungsstange hineinpasst.)
KAI USA Ltd hatte diese technische Lösung erstmalig bei einem Messer ihrer Tochterfirma Zero Tolerance präsentiert. Der 2011er Blade Show Sieger ZT 0777 wies ein entsprechend konstruiertes Framelock auf. Weitere Modelle mit dieser Verriegelung sind derzeit nur von Kershaw (Kershaw Knockout) auf dem Markt aber das neue ZT 427 wird wohl eine weitere Variante des „Sub-Framelock“ besitzen.
Die ausführliche technische Beschreibung ist auf 20 Paragrafen verteilt, die in der Patentschrift einsehbar sind.
US Patentamt: Patent 9.120.234
Legitimes Recht oder sinnloser Streit?
Patentstreitigkeiten zwischen zwei Herstellern führen immer zu viel Nervosität in der Szene. Da nicht klar war, ob KAI USA auch gegen weitere Hersteller oder gar Händler vorzugehen gedenkt, sah sich die Firma aus Tualatin innerhalb weniger Tage mit einer Vielzahl von Anfragen konfrontiert. Daraufhin nahm Thomas Welk, Director of Sales and Marketing bei Kai U.S.A. LTD öffentlich Stellung. Konkrete Antworten lieferte er allerdings nur in begrenztem Umfang. Zusammengefasst lautet die Stellungnahme:
„Rechtsstreitigkeiten sind immer teuer und können den eigenen Ruf schädigen aber dennoch ist es unerlässlich, geistiges Eigentum zu schützen“ (zusammengefasst und sinngemäß übersetzt).
Die Atmosphäre zwischen KAI USA Ltd und Microtech Knives ist bereits seit mehreren Jahren vergiftet, weshalb mancher Beobachter eine regelrechte Fehde oder sogar einen kleinen Racheakt vermutet. Fakt ist, seit Microtech im Jahr 2012 sein Modell Matrix vorstellte, gilt das Tischtuch zwischen beiden Herstellern als zerschnitten. Nur ein Jahr nachdem das ZT 0777 auf der Blade Show zum besten Messer des Jahres gekürt wurde, fasste KAI USA Ltd die große technische Ähnlichkeit als dreiste Kopie und die zeitliche Nähe der Vorstellung des Matrix als zusätzlichen Affront auf.
Nicht nur der Verriegelungsmechanismus des Matrix, sondern das Messer insgesamt weist tatsächlich eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem ZT 0777 auf. Zwar nahm Zero Tolerance das ZT 0777 schon 2013 wegen „nicht zufriedenstellender Verkaufszahlen“ vom Markt, hatte das technische Prinzip des Sub-Framelock aber bereits 2012 zum Patent angemeldet.
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Thomas Welk widerspricht dem Gerücht einer Fehde und gibt zu Protokoll: „Unsere Entscheidung, dieses Patent zu verteidigen hat nichts mit einem bestimmten Hersteller zu tun. Wir haben viel Arbeit und Energie in diese Neuentwicklung gesteckt und mühevoll auf ein Patent hingearbeitet.“ Sollte sich erweisen, dass Microtech Knives als einzige Firma abgemahnt wurde, könnte man das als Hinweis werten, dass hier letztlich doch eine alte Rechnung beglichen wurde.
Tatsächlich stammt der Patentantrag aus dem Jahr 2012 und umfasst 20 einzeln spezifizierte Punkte. Fast drei Jahre dauerte es, bis das Patent 2015 umfänglich anerkannt wurde. Thomas Welk ist sichtlich bemüht, den Ball flach zu halten. Vielen amerikanischen Herstellern ist im Gedächtnis haften geblieben, wie sich Cold Steel im Jahr 2015 mit einer fragwürdigen Attacke auf CRKT den Zorn der Messergemeinde zuzog und am Ende kleinlaut den Rückzug antreten musste.
Den Verdacht, dass KAI U.S.A. Ltd. nun auf breiter Front gegen andere Hersteller zu Felde ziehen würde, versucht Thomas Welk deshalb von vornherein zu entkräften. „Weder die herausnehmbare Lockbar des neuen CRKT Homefront noch die „Bolt-on“ Sperre von Todd Begg würden als Verletzung des eigenen Patents betrachtet“, lässt Welk durchblicken.
Unter Zugrundelegung der Patentschrift, der technischen Ähnlichkeit und der zeitlichen Abfolge der Modellvorstellung erscheint die Argumentation von KAI USA Ltd schlüssig und gerechtfertigt. Der Schutz geistigen Eigentums und selbst entwickelter technischer Lösungen gehört zum vitalen Interesse jeder Firma. Der Framelock Patentstreit dürfte also vor Gericht enden, wenn sich beide Firmen nicht einigen können.
Bedauerlicherweise ist dieses Recht – unser globalisierten Wirtschaft zum Trotz – oft nur im eigenen Land durchsetzbar, während chinesische Fälscher und Kopisten in der Regel unbehelligt bleiben.
Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass die Position von Microtech Knives für einen Rechtsstreit zu schwach ist. Eine offizielle Stellungnahme hat das Unternehmen aus North Carolina bisher nicht veröffentlicht. Mehrere Händler haben die fraglichen Messer bereits aus dem Sortiment genommen, während Sammler und Messerspekulanten seit einigen Tagen zur Jagd auf genau diese Microtech Modelle geblasen haben. Sollten sie tatsächlich vom Markt verschwinden, würde ihr Wert in den nächsten Jahren um ein Vielfaches steigen.
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Links
- Homepage: KAI USA Ltd.: Zero Tolerance
- Technik: Klingenverriegelung per Framelock
- Knife-Blog Thema: Reviews zu Messern von Zero Tolerance