Damastklingen gelten vielen Messerfreunden als Nonplusultra. Der spannende Kontrast der feuerverschweißten Stähle bietet dem Auge mehr als jeder noch so gute Monostahl und Damastklingen lassen schon von Weitem erkennen, dass es sich um ein besonders wertvolles Messer handeln muss. Doch hochwertige Damaststähle sind nicht nur edel, langlebig und widerstandsfähig, sie sind auch teuer. Meistens jedenfalls. Diesmal nicht! Ein Fixed Blade mit Damastklinge hat das Zeug, der Preishammer des Sommers 2020 zu werden.
Inhalt und Übersicht
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Damast kann handgeschmiedet sein oder aus industrieller Fertigung stammen. Ersterer wird von einer Handvoll hochspezialisierter Messermacher hergestellt und sein Materialwert ist so hoch, dass die daraus entstandenen Klingen für viele Messerfans ein unerfüllbarer Traum bleiben. Der berühmte Schneider-Damast, der heute von Messermacher Jürgen Schanz hergestellt wird, hat in der Messerszene einen Ruf wie Donnerhall, ebenso die kunstvollen DSC Inox Stähle aus der Schmiede Balbach.
Ganz am Ende der Skala stehen Damaststähle aus Asien, die oft unter abenteuerlichen Bedingungen und noch öfter aus fragwürdigen Zutaten entstehen. „Paki-Damast“ („Pakistan-Damast“) lautet in der Messerszene die gängige und stets abfällig gemeinte Bezeichnung für diese Stähle. Nur die Wertschätzung für diese Produkte ist noch geringer als ihre Qualität.
Die einen für viele unbezahlbar, die anderen billiger Schrott. Das wäre das Dilemma der Damaststähle, wenn es nicht industriell hergestellte Stähle in guter Qualität und mit ansprechender Optik gäbe. Zwei Namen genießen in dieser Kategorie Weltruf: Damasteel aus Schweden und Zladinox aus Russland.
Fixed Blade mit Zladinox Klinge
Und mit dem Damaststahl Zladinox sind wir beim Thema: Ein Fixed Blade mit §42a WaffG konformer Klingenlänge samt Lederscheide und natürlich mit einer Klinge aus Zladinox Damast. Um den – hoffentlich – geneigten Leser nicht ungebührlich auf die Folter zu spannen, soll um den Begriff „Preishammer“ kein Geheimnis gemacht werden: Das Messer mit Damast Klinge kostet umgerechnet etwa 50 Euro!
Zladinox Damast wird von vielen Messerherstellern und Handwerkern eingesetzt, dazu gehören unter anderem dem Messermacher Aleksandr Cheburkov und Toni Tietzel, aber auch große Firmen aus China und den USA. Zladinox ist auf dem Weltmarkt günstiger als der schwedische Damaststeel, aber einen Qualitätsnachteil muss man bei der Wahl des russischen Stahls nicht in Kauf nehmen. Signifikante Qualitätsmängel sind nicht bekannt und Klingen aus Zladinox haben sich in der Praxis als zuverlässig und alltagstauglich erwiesen.
Die Besonderheit des Fixed Blade im Review – einen Namen hat das Messer bisher nicht – ist der Umstand, dass es weder von einem Messermacher noch von einer bekannten Herstellerfirma stammt, sondern vom Stahlhersteller selbst gefertigt wird. Das klingt ein wenig nach Russischer Revolution, denn industrielle Stahlhersteller, die in Eigenregie Messer produzieren, kommen in freier Wildbahn normalerweise nicht vor. Doch die Messerherstellung hat bei den Zlatoust Stahlwerken lange Tradition und ist kein Novum.
Auf den europäischen Messermarkt hat es die russische Firma bisher nicht geschafft, denn den überwiegenden Teil der Produktion stellen Messer dar, die sich – mit Zierrat und dekorativen Elementen überladen – eher an den Geschmack russischer Messerfreunde wenden und in Europa praktisch unverkäuflich sind.
Das namenlose Fixed Blade ist eine Ausnahme, auf den ersten flüchtigen Blick meint man, ein typisches Fällkniven zu erkennen. Ein Allzweckmesser mit Jagdmesser Genen. Irgendwie nordisch, ohne Schnörkel, schick gemacht und definitiv praktisch. Die 11,4 Zentimeter lange Klinge suggeriert einen Scandi-Grind, aber in Wirklichkeit täuscht das Messer diesen Schliff nur an. Tatsächlich besitzt das Zlatoust Fixed Blade zwar den fast mittig angesetzten Flachschliff eines Scandi-Grind, dieser ist jedoch nicht voll ausgeschliffen. Stattdessen besitzt die Schneide einen „normalen“ Anschliff, damit beim Nachschärfen die Damastoptik der Klinge nicht in Mitleidenschaft gezogen wird.
Schöne, rätselhafte Klinge
Die Klinge des Zlatoust Messers ist der Star und gibt dennoch Rätsel auf. Blickt man von oben auf den Klingenrücken, deutet sich in Längsrichtung eine dreifarbige Sandwich-Struktur an, wie sie für Laminatklingen typisch ist. Aber der Übergang zwischen den vermeintlichen Lagen ist nicht scharf abgegrenzt, sondern erscheint diffus. Zwei dunkle Außenlagen schließen eine deutlich hellere, fast bronzefarben schimmernde Mittellage ein. Handelt es sich um Tapetendamast?
Ehrlich gesagt, dieser Punkt lässt sich durch Betrachten allein nicht schlussendlich klären und den Impuls, der Klinge mit einem Diamantschneider zu Leibe zu rücken, unterdrücke ich widerstrebend. Diese Damastklinge ist, trotz des günstigen Anschaffungspreises, eindeutig zu schade zum Zerstören. Klar ist nur, dass sich die vermeintliche Mittellage nicht bis zur Schneide erstreckt. Möglich also, dass der Zladinox Damast um einen Kern aus Monostahl gelegt wurde, der nur die obere Klingenhälfte verstärkt. Ein Blick auf die Lasergravur klärt schließlich die Situation: Z3 – also ein Drei-Lagen-Stahl.
Der Anschliff des Zlatoust Fixed ist gelungen. Keine Ungenauigkeiten, keine Schlamperei. Die Klinge ist gleichwohl seitensymmetrisch wie winkelstabil geschliffen und zeigt ordentliche Schärfe. Zwei, dreimal auf einem Leder oder einem künstlichen Rubin abgezogen, zeigt sich der Anschliff allen EDC Aufgaben gewachsen.
Das Muster des Zladinox Damast kann sich sehen lassen! Gleichmäßig, quer zur Klingenrichtung zeigen sich Ovale, Vogelaugen, Kaskaden von Bögen und feine Linien. Also kein Material mit undefinierbar wilder Zeichnung, das irgendwann übrig blieb und das nun der Resteverwertung anheimgefallen ist. Stattdessen ein wirklich ansehnlicher Damast, dessen Gleichmäßigkeit in dieser Preisklasse überrascht.
Exkurs: Zlatoúst (Златоу́ст)
Die Stadt Zlatoúst hat dem dortigen Stahlwerk seinen Namen gegeben. Zlatoúst liegt im mittleren Ural, am linken Ufer des Ai, einem Nebenfluss des Ufa, etwa 1.750 km östlich von Moskau und rund 110 km westlich der Gebietshauptstadt Tscheljabinsk. Die Stadt hat heute knapp 200.000 Einwohner und war schon zu Zeiten der Sowjetunion ein Zentrum der russischen Stahl- und Rüstungsindustrie.
Bis heute ist Zlatoúst ein wichtiges Zentrum der Metallurgie im Südural, wobei das 1902 gegründete Metallurgiewerk Zlatoust eine führende Rolle einnimmt.
Neben der Stahlproduktion gibt es eine traditionsreiche Klingenfabrik, deren aus dem frühen 19. Jahrhundert stammenden Bauten heute zu den Hauptsehenswürdigkeiten der Stadt zählen.
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Die Zlatoust Stahlwerke gerieten nach dem Untergang der Sowjetunion in wirtschaftliche Turbulenzen und mussten im Mai 2009 Insolvenz anmelden. Seit August 2009 gehören die ehemals zum russischen Konzern Estar gehörenden Stahlwerke Zlatoust (ZMZ) zum Konzern der Mechel-Stahlwerke Chelyabinsk (ChMK). Nach der Übernahme wurde das Produktportfolio das Zlatoust Werke neu aufgestellt und die Fertigungsqualitäten an die Anforderungen des Weltmarkts angepasst.
Griff, Haptik, Handlage
Als Griffmaterial kommt ein mittelharter, anthrazitfarbener Gummi zum Einsatz. Das Griffmaterial ähnelt in seiner Haptik dem Forprene von Extrema Ratio. Zwei Halbschalen aus Gummi werden mit dem Flacherl des Messers verklebt und durch eine Metallöse zur Aufnahme eines Lanyard verstärkt. Diese Griffvariante wirkt nicht sonderlich hochwertig, besitzt dafür aber durchaus praktische Werte. Klinge und Griff sind auch bei Dauerkontakt mit Wasser korrosionsträge und der Griff lässt sich problemlos mit einer Bürste reinigen, wenn das Messer beim Angeln oder der Jagd verwendet wird.
Dieser Vorteil des Messers ist gleichzeitig auch sein größter Nachteil. Nein, nicht Handlage oder Haptik sind das Problem, sondern eine rustikale Hemdsärmeligkeit bei der Verarbeitung des Griffs.
Am Griffmaterial selbst gibt es nichts zu mäkeln, doch die beiden Halbschalen sind bei vielen Messern nicht ganz sauber angepasst und die Nahtstellen an Ober- und Unterseite des Messers daher deutlich erkennbar. Ein praktischer Nachteil ergibt sich daraus nicht, tatsächlich ist der Versatz am Übergang minimal und stört nur das Auge.
Unangenehmer ist da schon die zwei Millimeter große Lücke zwischen Griffmaterial und Erl am Griffende, dort kann sich Blut oder Schmutz einnisten.
Jede Umdrehung der Schleifscheibe bei der finalen Bearbeitung des Erls kann man am Griffende auch ohne Lupe erkennen.
Wenn Zlatoust Knives den Einstieg in den europäischen Messermarkt stemmen will, werden auch Details der Verarbeitung in den Fokus rücken müssen.
Bei einem Messer aus der 150 Euro Klasse würde ich nun gnadenlos abwerten, aber das Zlatoust Fixed Blade kommt mit einem blauen Auge davon. Einerseits wegen seines Preises, andererseits weil die kleine Schlamperei bei der Anpassung des Griffs die Gebrauchsfähigkeit nicht beeinträchtigt.
Die gute Nachricht lautet: Mit diesem einen Punkt ist die Mängelliste komplett abgearbeitet. Der Rest passt. Auch die Handlage. Der weiche, aber nicht zu weich wirkende Griff ermöglicht kleinen und großen Händen eine gute Handlage. Besonders gut gelungen ist die Rutschfestigkeit des Griffs und an diesem Punkt zeigt das Messer seine Jagdmesser Gene deutlich. Egal ob die nassen Hände eines Anglers das Messer halten oder sich die Finger eines Jägers um den blutverschmierten Griff legen – das Zlatoust Fixed macht keine Anstalten, aus der Hand zu glitschen.
Zum Lieferumfang gehört eine Steckscheide aus Leder. Das Material weist keine Schäden auf und die Nähte sind gleichmäßig mit einem stabilen Faden genäht. Auch an der Passgenauigkeit der Scheide gibt es nichts zu bemängeln. Das Messer sitzt ausreichend fest und lässt sich ohne Kraftaufwand ziehen. Die Gürtelschlaufe lässt sich nach unten klappen, wenn das Messer zugriffsbereit in Rucksack oder Tasche getragen wird.
Bei einer Gesamtlänge von 229 Millimetern bringt das Fixed mit seiner Zladinox Klinge 136 Gramm auf die Waage (197 Gramm mit Lederscheide). Die Klinge ist am Ricasso 26 Millimeter hoch.
Fazit und Bezugsquelle
Ja, in der Summe seiner Eigenschaften ist das Fixed Blade mit Zladinox Klinge definitiv ein Preishammer und eine lohnende Investition für Angler, Jäger und alle Messerfans, die ein robustes Arbeitsmesser mit Damastklinge suchen. Das Messer ist solide, die Konstruktion ist stimmig und die Proportionen passen auch. Über den kleinen Lapsus beim Griff kann man für diesen Preis großzügig hinwegsehen und die mitgelieferte Lederscheide ist ausreichend stabil, ordentlich gemacht und praxistauglich. Viel mehr kann man für keines Geld nicht erwarten.
Im Alltag hat sich das Fixed Blade von Zlatoust Knives bewährt. Seine Handhabung ist bei allen Arbeiten angenehm. Die Testzeit hat die Klinge bei gleichbleibender Schärfe ohne sichtbare Gebrauchsspuren überstanden.
Normalerweise verlinke ich Bezugsquellen, die Homepage des Herstellers und einen deutschen Onlineshop, bei dem sich das Messer im Review mit ein paar Klicks bestellen lässt. Beim Zladinox Fixed Blade ist alles anders. Die Homepage von Zlatoust Knives ist zwar unter Links aufgeführt, aber das hier besprochene Messer findet sich dort (noch) nicht im Shop. Zurzeit laufen zwar wohl Gespräche zwischen dem russischen Hersteller und deutschen Shop-Betreibern, aber eine Bestellmöglichkeit sucht man Anfang August 2020 noch vergebens.
Der einfachste Weg an eines der kleinen Fixed mit Zladinox Klinge zu kommen, dürfte der direkte Kontakt zum Hersteller sein.
Instagram oder Facebook sind gute Möglichkeiten für einen direkten Kontakt. Die Konversation in Englisch ist kein Problem.
Ein Ansprechpartner bei Zlatoust Knives ist Yurii Gerasimov, E-Mail: u_gerassimov@mail.ru, der auch über seinen Instagram-Account erreichbar ist.
Der Wermutstropfen beim Bezug des Messers aus Russland sind die hohen Logistikkosten, die den Versandgebühren aus den USA in nichts nachstehen. Eine Sammelbestellung von interessierten Messerfans kann die Kosten in Höhe von rund 50,- Euro auf mehrere Schultern verteilen und deutlich erträglicher gestalten.
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Links und Bewertung
- Homepage: Zlatoust Knives in Russland
- Knife-Blog Rubrik: Fixed Blades im Praxistest
- Knife-Blog Thema: Damaststahl
- Knife-Blog Thema: Messer aus Russland
- Pro & Contra: Wie Knife-Blog wertet