Friction Folder von Jürgen Schanz

Friction Folder von Jürgen Schanz

Klappmesser ohne Klingenverriegelung gelten vielen Messerfreunden als zu bieder, zu langweilig oder im Extremfall sogar als regelrecht kastriert. Manchmal dominiert das Gefühl, der Staat habe das Beste verboten, über die realistische Einschätzung hinsichtlich der Gebrauchsfähigkeit eines Messers. Besonders apart: Der Fricton Folder von Jürgen Schanz lässt sich einhändig öffnen und schließen, was bei diesem Messertyp nicht selbstverständlich ist, aber durch den Verzicht auf eine Klingenarretierung manövriert das Custom elegant am Führverbot vorbei.

Keine Frage, Framelock Folder haben nicht nur optische Reize; diese Bauform ist hinsichtlich seiner universellen Einsatzmöglichkeiten und der Handhabung nahezu unbesiegbar. Diese Vorzüge mindern die Qualitäten anderer Klappmessertypen jedoch keineswegs. Entscheidend sind neben persönlichen Vorlieben vor allem der geplante Einsatzzweck und – für echte Messerfans – neben der Verarbeitungsqualität auch die Kreativität bei Gestaltung und Materialwahl.

In diesen drei Punkten ist der Friction Folder von Jürgen Schanz ein Leckerbissen. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich zugebe, dass Friction Folder früher nicht zu meinen favorisierten Bauformen gehört haben. Ein Friction Folder als EDC? Dieser Gedanke erschien mir lange Zeit ebenso abwegig wie vielen anderen Messerfans.

Dann der Blitzschlag! Messerfans kennen das Phänomen: Plötzlich begegnet man einem Messer, dass altgediente Vorurteile und jahrelange Gewohnheiten schon beim ersten Blick pulverisiert. So erging es mir auf dem KAMFT im Herbst 2017 und das Custom aus der Werkstatt des Karlsruher Messermachers stach alle anderen Angebote aus.

Friction Folder von Jürgen Schanz

Wie so oft in der Messerwelt, lässt sich auch für den Anglizismus „Friction Folder“ kein halbwegs passender Begriff im Deutschen finden. Im Netz stolpert man gelegentlich über das sperrige Konstrukt „Rutschgelenkmesser“. Diese gequälte Eindeutschung ist sprachlich genauso unbeholfen wie im technischen Sinn ungenau. Also bleibt es im Folgenden beim „Friction Folder“ für alle Messer ohne Klingenarretierung oder Federsperre.

Friction Folder gehören zur einfachsten aller möglichen Bauformen eines Klappmessers. Sie bestehen aus wenigen, relativ einfach herzustellenden Teilen. Neben zwei Griffschalen oder einem Integralgriff und der Klinge werden nur noch eine Achsschraube und vielleicht zwei Spacer benötigt. Fertig ist das Taschenmesser.

Friction Folder von Jürgen Schanz 1
Die Klinge aus rostfreiem “Schneider-Damast” hat Jürgen selbst geschmiedet

Charakteristisch ist der über die Achsschraube hinaus verlängerte Erl (Angel). Er überragt im geschlossenen Zustand den Griff und dient als Öffnungshilfe. Beim geöffneten Messer liegt die Angel zwischen den Griffschalen. Greift man das Messer so, dass der Daumen kurz hinter der Achsschraube auf der Angel liegt, wird das Einklappen der Klinge verhindert. Durch das Fehlen einer mechanischen Verriegelung fallen Friction Folder anno 2018 (noch) nicht unter das Führverbot gemäß §42a Abs. 1, Satz 3 WaffG.

Die Geschichte der Friction Folder

Die Bauform des Friction Folders gehört zu den ältesten Typen von Messern mit beweglicher Klinge. Das Entstehungsdatum lässt sich allerdings aber noch nicht einmal grob skizzieren. Wie zwei Exponate() in einem Saarbrücker Museum beweisen, wurden im Römischen Reich bereits vor Christi Geburt Messer mit den typischen Eigenschaften der Friction Folder hergestellt. Zur damaligen Zeit dominierten Messer mit feststehender Klinge alle denkbaren Einsatzmöglichkeiten. Welche Rolle diese antiken Klappmesser gespielt haben, ist abseits der Benutzung bei Tisch weitgehend unklar.

Ende des 19. Jahrhunderts entstand in der japanischen Provinz Hyōgo ein Messer, das unter der Bezeichnung Higonokami („Beherrscher von Higo“) im Land sehr populär wurde. In Europa setzte sich die Technik des Friction Folders vor allem bei Rasiermessern durch, die bis heute überwiegend in dieser Bauform hergestellt werden.

Moderner Friction Folder mit Damastklinge

Als Klingenstahl kommt ein von Jürgen selbst geschmiedeter, rostfreier Damast zum Einsatz. Der Stahl geht auf das 1982 von Friedrich Schneider entwickelte Verfahren zum Feuerverschweißen rostträger Monostähle zurück. Hochlegierte Werkzeugstähle mit hohem Chromanteil sind nicht ohne Weiteres miteinander verschweißbar. Friedrich Schneider war der erste Messermacher, der den Gordischen Knoten durchschlagen und einen für Messerklingen geeigneten rostträgen Damast herstellen konnte.

2014 übergab Friedrich „Fritz“ Schneider, inzwischen hochbetagt, das Geheimnis des Herstellungsprozesses und seine Erfahrungen bei der Herstellung an Jürgen Schanz. Der Altmeister steht Jürgen bei kniffligen Produktionsdetails auch heute noch als Berater zur Seite. Inzwischen stellt Jürgen Schanz den „Schneider-Damast“ mit unterschiedlichen Mustern her und setzt ihn für Messer, Schwerter und Säbel ein.

Die maximale Härte dieses Damaststahls liegt bei 61 HRC.

Neben der an Rostfreiheit grenzenden Korrosionsträgheit ist der Stahl sehr schnitthaltig und gut schärfbar.

Eine weitere Besonderheit ist der starke Kontrast zwischen den einzelnen Lagen, den kaum ein anderer Damaststahl erreicht.

Dem starken Kontrast des Klingenstahls stellt Jürgen ein passendes optisches Pendant durch die Gestaltung der Griffschalen gegenüber.

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Messermacherbedarf aus Meisterhand von Jürgen Schanz

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Das Ausgangsmaterial besteht aus Kupfer und Edelstahl, die als dünne Platten miteinander zu einem Paket verschweißt werden. An Ober- und Unterseite befindet sich jeweils eine Schicht Edelstahl, sodass sich an den Innenseiten der Griffschalen jeweils eine Lage Edelstahl befindet. An den Außenseiten ist der Friction Folder von Jürgen Schanz mit tiefen Grooves versehen, wodurch sich ein farbiges Muster der beiden Metalle ergibt.

Die Verarbeitungsqualität lässt sich nur mit einem Wort beschreiben: perfekt! Jede Komponente, jedes Detail des Messers ist eine Demonstration höchster handwerklicher Qualität. Auch der Klingenschliff steht nicht zurück, das Messer ist extrem scharf und selbst mit der Lupe lassen sich weder Winkel- noch Symmetriefehler erkennen. Die Schneide ist ausgesprochen „bissig“ und die Schärfe der Klinge des Friction Folders gehört zur absoluten Topklasse (10/10).

Der Klingengang ist weich und so eingestellt, dass sich die Klinge ohne Kraftaufwand bewegen aber nicht herausschütteln lässt. Wer Framelock Folder gewöhnt ist, muss seine Motorik ein wenig schulen, damit die Finger beim einhändigen Öffnen und Schließen nicht mit der bissigen Schneide in Berührung kommen. Nach etwas Eingewöhnung ist die Handhabung des Messers problemlos und der Friction Folder von Jürgen Schanz lässt sich schnell und sicher bedienen.

Handwerk muss nicht teuer sein…

Kommen wir zum Preis. Keine Sorge, wir sind noch weit vom vierstelligen Bereich entfernt. Der Friction Folder von Jürgen Schanz kostete in der heute getesteten Version gut 700 Euro. Für ein vollständig handwerklich gefertigtes Messer mit einer Klinge aus handgeschmiedetem, rostträgen Damast würde ich das als ausgesprochen faires Angebot bezeichnen. Im Vergleich zu den Preisen vieler Serienmesser aus dem Midtech-Bereich, die arbeitsteilig mit einem hohen Anteil an CNC-Technik hergestellt werden, ist dieses lupenreine Custom sogar als ausgesprochen günstig einzustufen.

Friction Folder mit Damastklinge

Die Praxistauglichkeit des Friction Folders von Jürgen Schanz ist hoch und das Messer und es hat sich im Alltag bewährt.

Die Klinge ist einerseits stabil genug, um gröbere Arbeiten problemlos zu meistern, und ist andererseits so filigran, dass auch feine Schneidearbeiten gut von der Hand gehen. Der Damaststahl hat sich sehr schnitthaltig erwiesen.

Neben der Freude an handwerklicher Qualität und dem Wissen, ein Unikat in der Tasche zu tragen, gibt das Messer ein vollwertiges EDC ab. Der Friction Folder ist kein Vitrinenhocker! Entgegen meiner ursprünglichen Vermutung schafft es das Messer immer häufiger in meine Tasche und hat sich in allen Lebenslagen bewährt. Vor allem bei Stadtgängen kann das Messer punkten: Man hat ein großes, alltagstaugliches EDC in der Tasche und läuft nicht Gefahr, bei einer Kontrolle mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten.

Technisch perfekt, optisch ein Messer mit eigenständigem Design und hohen Wiedererkennungswert; Messerherz wat willste mehr? Nach einigen Monaten der praktischen Erprobung steht fest: Der Friction Folder von Jürgen Schanz taugt als EDC.

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Friction Folder mit Damastklinge von Jürgen Schanz
In einem Satz:
Perfektes Handwerk vereint mit handgeschmiedetem Damast und einer zeitlosen Form.
Klingenstahl
Anschliff
Design, Praxistauglichkeit, Sicherheit
Material- und Verarbeitungsqualität
Ergonomie und Justage
Preis-Leistungs-Verhältnis
4.8
Knife-Blog Wertung