Impinda von Chris Reeve Knives

Impinda – Slip Joint von Chris Reeve Knives

Ein Slip Joint aus Idaho. Klingt nicht aufregend und ist doch eine kleine Revolution. Das Impinda ist das erste Taschenmesser von Chris Reeve Knives, das keine Klingenverriegelung besitzt. Slip Joints haben in den letzten Jahren ihren Marktanteil deutlich vergrößert. Kein Wunder also, dass heute kaum ein Hersteller nicht mindestens ein Slip Joint im Angebot hat. Mit Sebenza und Umnumzaan hat Chris Reeve Knives Messergeschichte geschrieben und das führt zur Frage, ob das Slip Joint Impinda in die Fußstapfen der berühmten Taschenmessermodelle von CRK treten kann oder ein Mauerblümchen bleiben wird.

Seit 1984 stand Chris Reeve Knives für Einsatz- und Outdoor-Messer mit feststehender Klinge und vor allem natürlich für Titan Framelock Folder. Korrekterweise muss man statt Framelock den Begriff „Reeve Integral Lock“ verwenden, schließlich war es Firmengründer Chris Reeve, der dieses Verriegelungssystem erfunden und zur Serienreife gebracht hat. Schon zur Jahresmitte 2017 begann es zu rumoren. Ein neues CRK Modell sollte in Vorbereitung sein. Monatelang wabern Gerüchte durch die Messerszene. Auf der Blade Show 2018 platzt schließlich die Bombe: Chris Reeve Knives stellt das Slip Joint Impinda vor, das erste Taschenmesser der Firma ohne Integral Lock.

Viele Messerfans rieben sich erstaunt die Augen. Ein Slip Joint von Chris Reeve Knives war für Fans der Marke zunächst ein gewöhnungsbedürftiger Gedanke. Doch der Name der Firma aus Idaho hat Gewicht und egal welches Messer CRK auf den Markt bringen würde, die Aufmerksamkeit der Messerszene wäre immer garantiert. Keine Ausnahme beim Impinda! In den Foren kritisierten Skeptiker und Berufsnörgler anfangs fehlende Chris Reeve Gene, verstummen aber schnell, denn die Bestellungen für das neue Messer gehen durch die Decke.

Händler und Endkunden müssen bereits bei der Vorstellung des Impinda mehrwöchige Lieferzeiten in Kauf nehmen. Die lange Lieferzeit ist allerdings nicht ausschließlich der hohen Zahl von Bestellungen geschuldet, sondern hauptsächlich einem Zwischenfall in der Produktionshalle von Chris Reeve Knives. Durch den Programmierfehler eines Mitarbeiters war der Fräskopf der wichtigsten CNC-Maschine mit voller Wucht in die Rahmenstruktur gedonnert. Damit der Crash klappt, muss man – entgegen den Anweisungen des Firmenchefs – mehrere Sicherheitseinrichtungen abschalten und dann auch noch die Maschine mit voller Geschwindigkeit fahren.

Die CNC-Maschine war zwar kein Totalschaden, aber auch nicht allzu weit entfernt davon. Völlig klar, Tim Reeve war “not amused”. Die gut 50.000 Dollar Reparaturkosten wären ärgerlich genug gewesen, aber noch ärgerlicher war die mehrmonatige Reparaturzeit, da der Hersteller die CNC-Maschine aufwendig vermessen und viele Ersatzteile in Handarbeit anfertigen musste.

Impinda von Chris Reeve Knives, Front, open

Der Maschinenausfall wäre zu jeder Zeit ein Desaster gewesen, in zeitlicher Nähe zur Markteinführung des Impinda wurde er zum Supergau. Die Wartezeiten für bestellte Messer stiegen von ein paar Wochen über mehrere Monate auf ein knappes Jahr. Kunden beschwerten sich oder stornierten entnervt ihre Bestellungen. Schlechte Presse inklusive. Zahlreiche Online-Händler haben das Impinda inzwischen aus ihrem Angebot entfernt, um dem vorprogrammierten Ärger mit ihren Kunden zu entgehen.

Auch Knife-Blog erhielt sein auf der IWA Outdoor Classics bestelltes Impinda bis heute nicht. Trotz der persönlichen Zusage von Tim Reeve, frühestmöglich ein Impinda für ein Review zur Verfügung zu stellen. Das zeigt das Ausmaß des Chaos, den der Maschinenausfall verursacht hat, und dass die Folgen bis heute nicht überwunden sind.

Chris Reeve Impinda

Die gute Nachricht lautet: Beide für dieses Review begutachteten Impinda stammen vom freien Markt und repräsentieren die Serie. Beide waren nie für ein Review vorgesehen und konnten daher vor Auslieferung weder speziellen Tests unterzogen noch nachgearbeitet werden. Beides ist bei vielen Firmen üblich, wenn klar ist, dass ein Messer an einen Rezensenten geht.

Auf der Materialseite bringt das Impinda keine Neuerungen und schon gar keine Überraschungen mit. Zwischen den Griffschalen aus ungefärbtem „Plain Jane“ Titan befindet sich die 79,5 Millimeter lange und drei Millimeter starke Klinge aus CPM-S35VN. Dieser pulvermetallurgische Klingenstahl stammt von Crucible Industries und wurde unter Mitwirkung von Chris Reeve entwickelt. Seit 2009 setzt CRK diesen Stahl für alle neuen Messermodelle ein, ältere Modelle wurden nach von CPM-S30V auf CPM-S35VN umgestellt.

Impinda von Chris Reeve Knives, clip side, open

Langeweile kommt trotzdem nicht auf. Die Drop Point Klinge des CRK Impinda kommt mit einem Hohlschliff und fein ausgearbeiter Spitze. Eine Swedge in der vorderen Hälfte des Klingenrückens verleiht der konservativ geformten Klinge einen zeitgemäßen Touch. Zum Öffnen der Klinge befindet sich auf der rechten Seite ein Nagelhau, alternative Möglichkeiten zum Anheben der Klinge gibt es nicht. Das Impinda ist also ein Slip Joint in der Tradition klassischer Taschenmesser.

Eine bei Slip Joints ungewöhnliche Lösung fällt beim CRK Impinda sofort ins Auge: Die Klinge öffnet und schließt, ohne einen Halfstop zu passieren. Ein Haltepunkt, bei dem die Klinge bei 90° oder 45° Grad Öffnungswinkel federbelastet verharrt, gehört zu den grundlegenden Sicherheitsmerkmalen bei modernen Slip Joint. Chris Reeve Knives verzichtet auf dieses Feature, ohne dass ein Grund erkennbar ist.

Unique Cam-Action?

Die Begleittexte zu den Messermodellen auf der Homepage von CRK fallen traditionell äußerst spärlich aus, ausführlichere Informationen zum Impinda finden sich auf der englischsprachigen Wikipedia-Seite zu Chris Reeve Knives. Dort heißt es zum Impinda:

„There is a unique cam-action to the backspring which means the knife is harder to close than it is to open, making it fundamentally more safe than traditional slipjoints.“

Wikipedia

Frei übersetzt sagt der englische Text: „Die Rückenfeder drückt gegen einen einzigartig gestalteten Nocken, der bewirkt, dass das Messer schwerer zu schließen als zu öffnen ist, was eine grundsätzlich sicherere Bedienung als bei herkömmlichen Slip Joints ermöglicht.”

Wenn sich diese Wikipedia-Seite nicht über Jahre einen Ruf als verlässliche Informationsquelle erarbeitet hätte, würde man wohl einen Irrtum oder einen Druckfehler vermuten. Bei den Knife-Blog vorliegenden Testmessern lassen sich die angeblich unterschiedlichen Kräfte nicht feststellen. An einem Vergleichsmesser ebenfalls nicht. Bestenfalls ist der Effekt so gering, dass sich im Alltagsgebrauch kein Vorteil gegenüber anderen Slip Joints ableiten lässt.

Die Rückenfeder erstreckt sich über die gesamte Grifflänge und verläuft an der Griffoberseite zwischen den Titangriffschalen. Wie die Klinge ist sie aus CPM-S35VN gefertigt. Klinge und Rückenfeder aus dem gleichen pulvermetallurgischen Stahl zu fertigen klingt nach verzichtbarem Luxus, der nur den Preis des Messers nach oben treibt.

Tatsächlich kostet der Luxus wenig, denn beim Zuschnitt der Klingen fallen genügend schmale Metallstreifen für die Rückenfedern ab. Die Materialwahl soll dem Verschleiß entgegenwirken und eine gleichbleibende Funktion des Impinda auf Jahre hinaus garantieren.

Design: Bill Harsey

Chris Reeve hat sich bereits vor Jahren aus dem Tagesgeschäft der Firma zurückgezogen und fertigt inzwischen auch keine Konstruktionszeichnungen für neue Messermodelle mehr an. Also musste man zwangsläufig einen externen Designer ins Team holen. Die Wahl fiel auf William „Bill“ Harsey, der nicht nur eng mit der Familie Reeve befreundet ist, sondern bereits früher an zahlreichen Messern von CRK mitgewirkt hat. Vor allem die beiden militärischen Fixed Blades Green Beret und Pacific tragen die unverkennbare Handschrift von Bill Harsey.

Bei Taschenmessern ist die Zusammenarbeit mit Bill Harsey für ein Chris Reeve Messer ein Novum, bisherige Modelle sollen ausschließlich auf Chris Reeve und deren Weiterentwicklungen auf seinen Sohn Tim und langjährige Mitarbeiter der Firma zurückgehen. Bill Harsey wurde durch seine Fixed Blades im taktischen Stil berühmt und ist erst spät in die Entwicklung von modernen Taschenmessern eingestiegen. Bekannt als Designer von Foldern wurde Bill Harsey durch das Modell SHF von Spartan Blades, bei dessen Entwicklung Chris Reeve seinem Freund Bill beratend zur Seite stand.

Wer beide Messer nebeneinander legt, wird die Ähnlichkeit im Design zwischen Spartan Blades’ SHF Folder und dem Impinda sofort bemerken.

Vor allem bei der Form des Griffs und noch deutlicher bei der Linienführung an der Griffunterseite erkennt man die Handschrift des Designers.

Ergonomisch liegt das CRK Impinda auf dem hohen Niveau des SHF Folders von Spartan Blades, fällt jedoch mit einer Grifflänge von 102 Millimetern eine ganze Nummer kleiner aus. Für durchschnittliche Männerhände ist es ein „Drei-Finger-Messer“, denn der kleine Finger ist hinter dem Griff am besten aufgehoben, wenn man das Impinda sicher in der Hand halten will.

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Bei einem Slip Joint, dessen traditionelle Machart klar in Richtung Gentleman Folder zielt, stellt der zehn Zentimeter kurze und knapp einen Zentimeter breite Griff kein Manko dar. Dass der Griff trotzdem eine praxistaugliche Ergonomie mitbringt, kann als Indikator für die Designqualität von Bill Harsey dienen. Die schmale Gestaltung des Griffs mit 3,3 Millimeter starken Titanhalbschalen senkt das Gewicht des 181 Millimeter langen Impinda trotz der soliden Klinge auf hosentaschenfreundliche 96 Gramm.

Handling und Praxis

Der Taschenclip ist Bill Harsey und Chris Reeve Knives gut gelungen. Er ist ausreichend groß, hält das Impinda sicher in der Hosentasche und seine abgerundete Front verhindert Beschädigungen an der Kleidung. Zudem passt der Griff in Form und Größe perfekt zu diesem Taschenmesser.

Auch über den Klingenschliff kann man nur Gutes berichten, aber das ist bei Chris Reeve Knives eine Selbstverständlichkeit, die eigentlich keiner Erwähnung bedarf.

Impinda von Chris Reeve Knives, backspacer

Das Öffnen und Schließen des Impinda erfordert weder Kraft noch Anstrengung. Der Klingengang ist weich, die Vorspannung der Rückenfeder macht sich etwa ab einem Öffnungswinkel von 45° Grad bemerkbar. Um die Klinge aus dem Endanschlag in Richtung der geschlossenen Position zu bewegen, muss man einen gleichmäßigen Widerstand überwinden. Der Vorgang ist berechenbar, sodass keine Gefahr besteht, die Finger in Kontakt mit der Schneide zu bringen.

Im Alltag hat sich das CRK Impinda als nützliches, problemloses Werkzeug bewiesen.

Preis und Leistung

Da muss man nicht lange um den heißen Brei herumreden: Der Preis des Impinda ist gesalzen. Zwischen 466, – und 500,- Euro verlangen deutsche Online-Shops im September 2020 für das Impinda von Chris Reeve. Wobei die fünf grünen Scheine den Listenpreis repräsentieren, den Händler von Chris Reeve Messern normalerweise zu berechnen verpflichtet sind.

Das ist viel Geld! Selbst für ein ordentlich gemachtes Messer guter Qualität von einem namhaften Hersteller. Ohne einen “Chris-Reeve-Bonus” würde wohl kaum ein Messerfan 500 Euro für ein technisch und optisch unspektakuläres Slip Joint auf den Tisch legen.

Impinda von Chris Reeve Knives, Presentation Box

Die Verpackung des Impinda, besser gesagt die “Presentation Box”, hat Stil, vor allem, wenn sie mit den Autogrammen von Anne und Tim Reeve verziert ist.

In der Box befindet sich neben Messer und Birth Card eine Lederscheide, das berühmte blaue Poliertuch, ein 5/16 Zoll Steckschlüssel für die Achsschraube und ein Titaneinsatz, der die Aussparung für den Taschenclip verschließt, wenn der Clip demontiert ist.

Das Alleinstellungsmerkmal überragender Verarbeitungsqualität besteht für Messer von Chris Reeve Knives heute nicht mehr. Die Konkurrenz aus den USA und China hat nicht nur aufgeholt, viele Hersteller haben inzwischen die Lücke geschlossen und erreichen vergleichbare Qualitätslevel. Das Preis-Leistungs-Verhältnis kommt also nicht ins Wanken, weil CRK im Lauf der Jahre teurer wurde, sondern weil die Konkurrenz inzwischen ähnlich gute Messer zum halben Preis offeriert.

Der Star am Chris Reeve Knives Impinda ist ohne Frage die Klinge, die sich mit ihrem Hohlschliff als praxistaugliches Werkzeug zeigt. Das Impinda schneidet gut und die paar Millimeter mehr Klingenlänge verschaffen ihm einen Vorteil gegenüber dem Small Sebenza und manchem Konkurrenten.

Impinda als Sebenza Konkurrent?

CRK bezeichnet das Impinda als „moderne Version des Slip Joint“. Diese Einschätzung zu unterschreiben fällt schwer. Das Finish wirkt altbacken und wiederholt mit seinen titangrauen Griffschalen die Gestaltung des Ur-Sebenza von vor 30 Jahren. Das Impinda ist ein Messer, das klar in der Chris Reeve Tradition stehen soll. Keine Frage, manche Fans der Marke werden vom Impinda begeistert sein, aber ebenso unverkennbar steigt die Zahl derer, die sich an topfebenen „Plain Jane“ Griffen satt gesehen haben.

Die einzige Innovation des Impinda ist die Rückenfeder aus CPM-S35VN. Eher eine Mini-Modifikation als eine Innovation und weit unterhalb der von CRK gewohnten technischen Extraklasse. Innovation hätte eine Keramikkugel als Kontaktstelle zwischen Rückenfeder und Klinge sein können oder ein justierbarer Halfstop. Oder, oder, oder…

Trotzdem bleibt das CRK Impinda ein wertig wirkendes Messer mit ansprechenden Formen und guter Ergonomie. Die Verarbeitung liegt auf dem von Chris Reeve Knives gewohnten hohen Niveau und zeigt sich in ihrer Qualität beim geöffneten Messer vor allem am nahtlosen Übergang von Klinge zu Rückenfeder. Die Alltagstauglichkeit ist gut, woran das ergonomische Konzept von Bill Harsey wesentlichen Anteil hat.

Nicht überzeugen kann die technische Lösung, auf Kosten eines Halfstop ein System zu verbauen, das unterschiedliche Kräfte beim Öffnen und Schließen der Klinge gewährleisten soll. Unterschiede sind – wie geschildert – bei den getesteten Messern nicht wahrnehmbar und der mangelnde Effekt mag erklären, warum diese Eigenschaft nicht beworben wird.

Mit den Modellen Sebenza und Umnumzaan hat Chris Reeve Knives zwei Ikonen geboren, die nicht nur den Ruf der Marke entscheidend geprägt haben, sondern auch mehr als zwei Generationen von Messerfans begeistern konnten. Diese Strahlkraft besitzt das Impinda nicht, es segelt eher im Kielwasser der beiden Ikonen.

Doch das Impinda hat das deutsche Waffenrecht für Messer auf seiner Seite. Da das Führen eines Impinda in Deutschland (zurzeit noch) erlaubt ist und das Sebenza als verbotenes Einhandmesser gilt, werden wohl einige Messerfreunde nolens volens zum Impinda wechseln. Die Chris Reeve Puristen werden Sebenza und Umnumzaan nicht eintauschen und ohne Waffengesetz würde das Impinda hierzulande wohl ein titangraues Mauerblümchen bleiben.

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Chris Reeve Impinda
In einem Satz:
Das Slip Joint von Chris Reeve ist kein schlechtes Messer, wird es aber schwer haben, an die Erfolgsmodelle der Firma anzuknüpfen.
Klingenstahl
Anschliff
Design, Praxistauglichkeit, Sicherheit
Material- und Verarbeitungsqualität
Ergonomie und Justage
Preis-Leistungs-Verhältnis
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Knife-Blog Wertung