Messer aus der Werkstatt von Markus Heidgen alias Heidi sind begehrt, selten und die Warteliste des Messermachers ist inzwischen länger als der Geduldsfaden vieler Messerfans. Doch wenn es nicht unbedingt ein Unikat sein muss, können die Edelboutiquen der Messerwelt Abhilfe schaffen. Fixed Blades aus der Feder von Markus „Heidi“ Blacksmith gibt es in unterschiedlichen Preislagen, beim Klingenstahl reicht die Spanne von SB1 bis Damast von Balbach und beim Griffmaterial umfasst die Auswahl G-10, Carbon und sogar Seekuhknochen. Knife-Blog hat sich vier Messer aus unterschiedlichen Kooperationen für euch angesehen.
Inhalt und Übersicht
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Nicht nur die begrenzte Verfügbarkeit der Unikate von Markus Heidgen steht der spontanen Anschaffung entgegen, für viele Messerfans sind die in langen Stunden an der Werkbank entstandenen Custom Messer schlicht und einfach unerschwinglich. Viele Käufer wertvoller Einzelstücke schätzen die Einzigartigkeit des Messers, betrachten es eher als Kunstwerk denn als Gebrauchsgegenstand und ersparen dem teuren Einzelstück den strapaziösen EDC-Alltag. Dann wird ein zusätzliches Messer als Arbeitstier benötigt. Warum nicht eines aus demselben Stall?
Zwei Lösungen bieten sich an: Entweder ein gebrauchtes Heidi Unikat vom Secondhand-Markt erwerben oder ein von Markus Heidgen entworfenes Messer aus Serienfertigung kaufen. Allerdings tauchen Heidi Unikate in den Messerbörsen nur höchst selten auf und wenn wirklich einmal ein Custom von Markus Heidgen angeboten wird, finden es im Handumdrehen einen neuen Besitzer.
Kein Wunder also, dass die Zahl der Messer zunimmt, die Markus Heidgen in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern entwickelt. Dafür opfert er weder seinen typischen Stil noch seinen Qualitätsanspruch. Hergestellt werden die Messer dann in Italien oder China, durchlaufen in Deutschland eine letzte Qualitätskontrolle und gelangen schließlich in den Handel.
Die vier Messer in der folgenden Kurzvorstellung wurden alle von Markus Heidgen entworfen und rekapitulieren die Lieblingsform des Messermachers, die sich im Lauf der Jahre zu einer Art Markenzeichen gemausert hat. Damit sind die Gemeinsamkeiten zwischen den vier Heidi-Messern in diesem Artikel aber auch schon weitgehend erschöpft.
Markus Heidgen – Dirk Wanger Pronto Niolox
Das „Serienheidi“ aus der Kooperation zwischen Dirk Wanger und Markus Heidgen wurde bereits vor rund vier Jahren aufgelegt und war die erste Kooperation des Messermachers mit einem externen Hersteller. Seitdem hat das Messer eine stabile Fangemeinde gefunden und den Namen Markus Heidgen auch über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt gemacht.
Über den Klingenstahl Niolox, auch bekannt als SB1 (WSN 1.4153.03) habe ich schon oft geschrieben und den Stahl immer gelobt. Inzwischen produziert der Hersteller diese Stahlsorte nicht mehr und hat mit SB1+ (WSN 1.4197) einen Nachfolger an den Start gebracht. Trotz gründlich-deutscher Bürokratie darf man sich nicht blind auf die Werkstoffnummer verlassen, man muss auch einen Blick auf den Hersteller werfen. Mehrere Firmen produzieren Stähle unter diesen Werkstoffnummern und die unterscheiden sich bei Legierungskonzept und Herstellungstechnik deutlich. Hier geht es hinsichtlich SB1 und SB1+ ausdrücklich um Stähle der deutschen Firma Friedr. Lohmann GmbH aus Witten-Herbede.
Die Klingen aktueller Pronto Messer werden noch aus dem alten SB1 gefertigt, der etwas weniger korrosionsträge ist als sein Nachfolger. Rostflecken auf der Klinge muss man dennoch nicht befürchten. Solange man die Klingen nicht in einem aggressiven Umfeld einsetzt, ist die Korrosionsträgheit von SB1 völlig ausreichend.
SB1 wurde als Schneidstahl in Industriemaschinen vor allem für die Verarbeitung von Lebensmitteln entwickelt. Er besitzt eine hohe Kerbschlagzähigkeit, ist schnitthaltig und lässt fein ausgeschliffene Klingen zu, ohne dass man Microausbrüche an der Schneidkante befürchten muss. Der Stahl ist sogar für Klingen großer Kochmesser ausreichend bruchsicher. Bei einem kleinen Fixed Blade besteht in dieser Hinsicht also keinerlei Gefahr. Stahlseitig ist beim Wanger Pronto alles im grünen Bereich.
Typisch für Markus Heidgen wurde das Wanger Pronto als kleines Messer mit einer rund sieben Zentimeter langen Klinge konzipiert. Die Entwicklung des Pronto war ein Gemeinschaftsprojekt von Markus Heidgen und Dirk Wanger. Der Umriss des Messers zeigt unverkennbar den Stil von Markus Heidgen, die bequeme und sichere Handlage war Dirk Wanger sehr wichtig. Die Unterseite des Griffs besitzt eine deutlich ausgeprägte Kontur, um den Fingern besseren Halt zu geben.
Technische Daten
- Gesamtlänge: 171,4 mm
- Klingenlänge: 72 mm
- Klingenstärke: 3 mm
- Klingenstahl: Niolox, 59 – 60 HRC
- Klingenschliff: Flachschliff mit ballig konvex angeschliffener Schneidfase
- Griffmaterial: G-10
- Gewicht: 70 g mit G-10 Griff
- Zubehör: Kydex Scheide und Teklok
Hergestellt wird das Wanger Pronto in Maniago. Von LionSteel. Die italienische Firma hat zweifellos ihre Meriten, aber penible Qualitätskontrolle und konstant hohe Produktqualität bringt man mit dieser Firma nicht in Verbindung. Entsprechend argwöhnisch nehme ich das Pronto und die Lupe… und finde nichts. Die Griffschalen sind perfekt angepasst und die sechs kleinen Inbusschrauben, mit denen die Griffschalen befestigt sind, stehen nicht hervor und sind sogar alle auf gleicher Höhe eingepasst. Auch an der Metallarbeit gibt es nichts zu mäkeln. Der Anschliff ist gleichmäßig, symmetrisch und die Schneide gut geschärft. Alle sichtbaren Metalloberflächen besitzen ein ansehnliches Finish.
Hinsichtlich der Verarbeitung gehört das Pronto definitiv zu den besseren Messern von LionSteel was nahelegt, dass die Zusammenarbeit nicht immer frei von Kontroversen gewesen sein kann. Für den Preis von 149,- Euro erhält man nicht nur ein alltagstaugliches und gleichzeitig sehr ansehnliches Messer, sondern auch ein authentisches Heidi. Als Zubehör liegen eine Kydex-Scheide sowie ein Teklok mit in der Box, beides in ordentlicher Qualität.
Neben der Version mit G-10 Griff ist das Pronto auch mit Holzgriff (Walnuss, Maserpappel, Olive) erhältlich und Lederscheide erhältlich. Wer es taktisch-kühl mag, kann zur Version mit Griffschalen aus Carbon greifen.
In seinem Onlineshop führt Dirk Wanger das Pronto im Abschnitt „Anglermesser“. In diesem Einsatzbereich würde ich das Messer nicht verorten, den zum Zerlegen oder Filetieren ist die Klinge nur bedingt geeignet. Nein, das kleine Fixed von Markus Heidgen ist ein erfreulich brauchbares EDC für leichte Schneidearbeiten. Und dank der leichten Kydex-Scheide sogar ein besseres Neck Knife als die meisten explizit als Neck Knives angebotenen Messer!
Knife-Blog meint: Ein tolles kleines EDC und ein nützlicher Begleiter im Alltag, mit dem man keine Polizeikontrolle fürchten muss. Egal ob am Gürtel, in der Hosentasche oder als Neckie, Heidi und Dirks Pronto hat Charakter und ist universell einsetzbar.
Markus Heidgen – Dirk Wanger Pronto Damast
Wer es eine Klasse edler mag, kann sich das Pronto auch mit einer Klinge aus Damast zulegen. Dabei kommt nicht irgendein seelenloser Industriedamast zum Einsatz, sondern Carbon-Damast aus der Schmiede Balbach. Auf Produkte des Familienunternehmens aus Laubuseschbach greift auch Markus Heidgen gern für seine edelsten Customs zurück. Allerdings ist der Carbon-Damast, der den Namen DSC® Carbon trägt, nur begrenzt korrosionsträge.
Damit ist dieses Pronto im Angelkasten nicht zu empfehlen, zumindest nicht, wenn man an der See fischt. Aber dafür ist dieses Messer ohnehin viel zu schade. Das Damastmuster „Ferus“ ähnelt einem Wellenmuster und kommt auf der kurzen, hohen Klinge des kleinen Fixed von Markus Heidgen hervorragend zu Geltung.
Zur Verarbeitung des Damast-Pronto lässt sich nichts anderes sagen als zum Modell mit SB1 Klinge: Es gibt nichts zu beanstanden. Die Präzision bei der Anpassung von Griff und Montage der Schrauben lässt auf eine kritische Qualitätskontrolle schließen. Aber die darf man bei einem kleinen Fixed Blade in dieser Preisklasse auch erwarten. Das Markus Heidgen / Dirk Wanger Pronto mit Carbon-Damast-Klinge schlägt immerhin mit 355,- Euro zu Buche.
Bei den Abmessungen gibt es keinen Unterschied zu den Daten des Pronto mit Niolox Klinge.
Das Gewicht ist modellabhängig und reicht von 59 Gramm mit Holzgriff bis zu 70 Gramm mit G-10 Griffschalen. Aber wer schraubt schon Plastik an eine Damastklinge?
Richtig gut stehen diesem Messer die Griffschalen aus Mooreiche, die einen schönen Kontrast zur Zeichnung der Klinge erzeugen.
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Das Pronto mit seiner Klinge aus Balbach Damast macht nicht nur technisch, sondern auch optisch etwas her. Von einem echten Markus Heidgen Custom ist es weder auf den ersten Blick noch aus einem Meter Entfernung zu unterscheiden. Zum Lieferumfang gehört eine Steckscheide aus Leder, deren eigenwillig geformte Gürtelschlaufe den Gebrauchswert einschränkt. Da ist noch Luft nach oben.
Das Pronto mit Damastklinge kommt für Messerfans infrage, die ein repräsentatives kleines Fixed suchen und denen der Einstandspreis für ein handwerklich hergestelltes Messer von Markus Heidgen zu hoch ist.
Knife-Blog meint: Wer etwas Besonderes sucht und ein Faible für Damastklingen besitzt, kommt an diesem wirklich gut gemachten Messer kaum vorbei. Mit einer besseren Lederscheide und einer korrosionsträgen Klinge aus Balbachs DSC Inox Damast wäre es perfekt.
Heidi – WTF – Bestech Knives No. 1
Natürlich ist das „WTF“ in der Überschrift nicht mit der bekannten amerikanischen Abkürzung zu übersetzen, sondern steht für Heidis Partner „WritingTurningFlipping“ . Das „Heidi No. 1“ von Bestech Knives hat Knife-Blog bereits im Artikel „Heidi Blacksmith No. 1“ ausführlich vorgestellt. Nachdem die Erstauflage in Rekordzeit vergriffen war, ist dieses Modell zurzeit wieder verfügbar und es gibt zwei neue Materialien für den Messergriff: braunes Micarta und Carbon.
Bei der ersten Generation bestand der Griff mit Carbon-Optik aus einem Laminat aus G-10 und Carbon, doch viele Kunden hatten sich einen „richtigen“ Carbongriff gewünscht. Nun sind auch Griffschalen aus „Wave“ Carbon verfügbar und sie passen optisch und qualitativ sehr gut zu diesem Messer.
Die Klingenform des Messers aus der Kooperation von Markus Heidgen mit Bestech Knives ist deutlich gestreckter als beim Wanger Pronto und die Schneide besitzt in Richtung Klingenwurzel einen längeren geraden Abschnitt. Als Klingenstahl kommt bei allen Modellen D2 zum Einsatz. Im Knife-Blog Interview hatte sich Markus Heidgen seinerzeit als Fan des alten D2 Werkzeugstahls geoutet und so ist nicht erstaunlich, dass dieser Stahl auch bei den Messern der aktuellen Produktionsreihe Verwendung findet.
Technische Daten
- Klingenstahl: D2, gehärtet auf 59-61 HRC
- Klingenform: Drop Point mit Flat Grind
- Finish: satiniert
- Klingenlänge: 80 mm
- Klingendicke: 3,25 mm
- Griffmaterial: G10 / G10-Kohlefaser-Mix / Wave-Kohlefaser
- Gesamtlänge: 175 mm
- Gewicht G-10 Griff: 74 g
- Gewicht Carbon Griff: 66g (Wave)
- Zubehör: Kydex-Scheide
Die Qualität des „Bestech Heidi“ entspricht dem bekannt hohen Standard der chinesischen Firma und lässt keine Wünsche offen. Hinsichtlich aller Details und der ausführlichen Bewertung des Messers sei an dieser Stelle noch einmal auf den im ersten Absatz verlinkten Artikel verwiesen.
Die Preisgestaltung ist schnell erklärt. Das Grundmodell des Messers kostet mit G-10 Griffschalen in Grün oder Beige 110,- Euro, das Modell mit Carbon/G-10 Griff zehn Euro mehr. Mit Micarta oder Carbon Griffschalen werden für das Bestech Heidi 139,- Euro fällig. Nach dem ersten Artikel haben einige Leser angefragt, ob Markus Heidgen das Modell für die Fertigung in China lizenziert hat oder ob es sich um einen Klon handelt. Entwarnung an diesem Punkt: alles legal, alles sauber.
Knife-Blog meint: Das WTF-Bestech Heidi ist ein qualitativ hochwertiges Messer mit guten EDC Eigenschaften. Die Klingenstärke von 3,25 Millimetern ist für ein Messer dieser Größe schon beinahe üppig und lässt das kleine Fixed sehr solide erscheinen.
Markus Heidgen Messer – Limited Edition
Last but not least ein Heidi, dass als Mittelding zwischen Serienmesser und Custom in die Bresche springt. Der Klingenrohling stammt aus der Serienfertigung von Bestech Knives und besitzt die gleichen Eckdaten wie das Standardmodell. Die Klingen wurden von Markus Heidgen in seiner Werkstatt überarbeitet und von Hand mit einem leicht polierten Stonewash Finish versehen. Auf dem Titelbild sind die Unterschiede zwischen der Klinge des Serienmessers und der von Heidi nachbearbeiteten Klinge sehr gut erkennbar.
Das herausragende Merkmal dieses Messer ist der Griff aus stabilisiertem Seekuhknochen. Heidi schätzt dieses Material sehr und verwendet es auch gern für seine Einzelstücke. Das Stonewash Finish der Klinge ist auf allen Flächen gleichmäßig. Der dezent matte Ton passt hervorragend zur farblichen und haptischen Struktur des Griffmaterials und verleiht dem Messer eine leichte Vintage Optik. Dazu passt, dass keine Lasergravur das Finish der Klinge stört.
Manche „Limited Editions“ bestehen aus 5.000 Stück – limitiert heißt in der Messerwelt nicht unbedingt „selten“. In diesem Fall ist es anders, ganze zehn Stück dieser Sonderauflage hat Markus Heidgen hergestellt. Ob es irgendwann eine weitere Miniauflage eines Sondermodells geben wird, ist derzeit noch nicht entschieden. Der Preis lässt aufhorchen: 269,- Euro sind für dieses Messer ein fair kalkuliertes Angebot.
Knife-Blog meint: EDC oder Prunkstück in der Vitrine, das Heidi Sondermodell macht am Gürtel und hinter Glas eine gute Figur. Das Messer ist eine kleine Sünde wert. Qualitativ und preislich schlägt es eine Brücke zwischen Gebrauchsgegenstand und Sammlerstück.
Schöner wohnen!
Viele Heidis und ein Messer fürs Grobe!
Prototyp einer kleinen Messervitrine mit Schubladentechnik. Gesehen bei Dirk Wanger.
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Links zum Messern von Heidi und Dirk Wanger
- Messer&Co: Heidi/Wanger Pronto
- Messer&Co: Heidi/Wanger Pronto Balbach Damast
- WritingTurningFlipping: Bestech No.1 (Customs a. Anfrage)
- Knife-Blog Artikel: Messermacher Heidi Blacksmith
- Knife-Blog Review: Bestech No. 1
- Knife-Blog Thema: Moderne Messerstähle
- Knife-Blog Artikel: Die besten Klingenstähle für Taschenmesser