Bisher schienen zwei Messertypen nicht miteinander kombinierbar zu sein: Küchenmesser und Taschenmesser. Zahllose Messermacher und Hersteller haben sich daran versucht und sind gescheitert. Immer wurden die Messer mit großem Tamtam vorgestellt und immer sorgten sie in der Praxis mit begrenzten Fähigkeiten und fragwürdiger Ergonomie für Ernüchterung. Nun hat sich Liong Mah mit seinem K.U.F. die Aufgabe gestellt, ein EDC-taugliches Taschenmesser zu entwickeln, das auch bei Küchenarbeiten gute Dienste leisten soll. Knife-Blog hat das Messer in Alltag und Küche ausgiebig getestet.
Inhalt und Übersicht
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Das Gebiet „klappbare Küchenmesser“ ist ein brisantes Minenfeld für Messerdesigner und fungiert seit Jahren als Zentralfriedhof für kreative Ideen. Bei den bisher vorgestellten Lösungen handelte es sich entweder um reinrassige Taschenmesser, denen Kitchen-Knife-Qualitäten angedichtet wurden oder um ambitionierte Messerkonstruktionen, deren praktischer Nutzen regelmäßig weit unterhalb der optischen Attraktivität lag.
Grundsätzlich stellen sich zunächst zwei Fragen: Braucht man ein Küchenmesser, dessen Klinge sich einklappen lässt und ist es sinnvoll, ein Taschenmesser mit einem Küchenmesser zu kreuzen? Die Antworten reichen von „Selbstverständlich“ bis „Völliger Nonsens“ und werden zumeist mit tiefer Inbrunst gegeben. Doch ganz so einfach ist es nicht. Religiöser Eifer hilft nicht weiter. Eine differenzierte Betrachtung tut not.
Natürlich gibt es keinen Grund, ein Messer mit klappbarer Klinge in seiner eigenen Küche zu verwenden, aber es gibt eine Vielzahl sinnvoller Einsatzmöglichkeiten im Urlaub, beim Wandern oder bei einem Picknick am Meer. Natürlich bringt ein echter Messerfan auch zum Grillabend bei Freunden sein eigenes Messer mit. Vorsicht Falle! Mit einem ungeeigneten Schneidwerkzeug kann man sich vor der versammelten Mannschaft so blamieren, dass die Reputation als Messerprofi dauerhaft Schaden nimmt.
Die eindrucksvolle American Tanto Klinge eines 2.000 Dollar Monster EDC mag beim Schnitzen von Grilltomaten so eben noch funktionieren, beim Vorbereiten von Steaks und Filets gerät sie schnell an ihre Grenzen. Auch „normale“ Taschenmesser erweisen sich – ungeachtet von Materialien, Qualität und Preis – bei der Vorbereitung von Fleisch, Fisch und Grillgemüse zumeist als völlig ungeeignet.
Mit kurzen, schmalen Klingen muss man zahlreiche Schnitte ansetzen, um ein Roastbeef vorzubereiten. Statt Steaks mit glatter Schnittfläche und gleichmäßiger Stärke ähnelt das Ergebnis einem Kettensägen-Massaker und das teure dry-aged Black Angus Beef endet als optische und geschmackliche Katastrophe. Selbst das Schneiden von Zwiebelringen bringt die meisten EDC-tauglichen Taschenmesser bereits an ihre Grenzen, von Bacon-Rosen, sauber pariertem Lammkarree und Forellenfilets ganz zu schweigen.
Taschenmesser meets Küchenmesser
Also muss ein Messer her, das sich wie jeder andere Folder unauffällig in der Hosentasche tragen lässt, das im Alltag ein nützliches EDC ist und das beim Frühstück unter freiem Himmel ebenso gute Dienste leistet wie beim erwähnten Grillabend mit Freunden.
Dieser Aufgabe hat sich Liong Mah mit der ihm eigenen Akribie zugewandt. Und er bringt sowohl als Messerdesigner wie auch als Koch den notwendigen Background mit. Die ersten Jahrzehnte seines Berufslebens verbrachte Liong Mah als Küchenchef zwischen Schneidbrettern, Herd und Grill. Sein Faible für Messer aller Art führte schließlich zu den ersten Modifikationen seiner Küchenmesser. Bald folgten die ersten Taschenmesser, mit denen er aus dem Stand internationale Aufmerksamkeit erzielen konnte. Schließlich wurde er zum Stardesigner bei Reate Knives.
Neben dem Design von Serienmessern und Kooperationen mit Partnerfirmen in aller Welt bringt Liong Mah auch Taschenmesser unter seinem eigenen Namen auf den Markt. Die Messer werden ebenfalls bei Reate gefertigt und gehören zur qualitativen Spitzenklasse. Auch das Taschenküchenmesser mit EDC-Qualitäten gehört in diese Gruppe.
Konstruktion, Klingenstahl und technische Daten
K.U.F. lautet der etwas sperrige Name des Messers. „Kitchen Utility Folder“, also ein Taschenmesser, dass umfangreiche Qualitäten als Küchenmesser mitbringen soll. Die technischen Daten des K.U.F. sind zunächst nicht spektakulär, die Tauglichkeit des Messers für Küchenarbeiten soll also nicht über seine Größe erreicht werden. Geöffnet misst das Messer von Liong Mah 203 Millimeter, geschlossen 122 Millimeter und die Klingenlänge beträgt 88 Millimeter.
Bei der Klingenform hat sich Liong Mah für eine spannende Kombination aus Clip Point und Insingo entschieden, wobei beide Grundformen sehr stark modifiziert sind. Sofort ins Auge fallen die hoch liegende Klingenspitze und die in einem sanften Bogen ansteigende Schneide. Deren nutzbare Länge beträgt 86 Millimeter. Drei gerade Abschnitte bilden den Klingenrücken, wobei der vordere Abschnitt steil in Richtung Spitze abfällt.
Konstruktiv ist der Kitchen Utility Folder ein Einhandmesser und verriegelt seine Klinge per Framelock. Wer mit diesem Messer zur Grillparty bei Freunden geht, muss es in einem verschlossenen Behältnis transportieren, um nicht einen Verstoß gegen das aktuelle Waffenrecht in Deutschland zu begehen.
Zum Öffnen der Klinge stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Das üppig bemessene Langloch ist ein Stilelement, das sich an vielen von Liong Mah gezeichneten Messern findet und dient als Ankerpunkt für den Daumen. Das K.U.F lässt sich wie jedes andere klassische Einhandmesser öffnen. Alternativ kann es als Frontflipper geöffnet werden. Beim geschlossenen Messer lugt am Ende des Griffs ein Kicker hervor, der per Daumendruck die Klinge heraus flippen lässt.
Vermutlich ist es dieser Kicker, an dem sich die Geister scheiden werden, weil er so prominent aus dem Rahmen herauslugt. Ob man ihn als das Gesamtbild des Messers störendes Element oder als prächtiges Feature wertet, bleibt dem persönlichen Geschmack überlassen. Praktisch ist dieser Kicker auf jeden Fall und das Öffnen des Messers funktioniert als Frontflipper hervorragend. Im Gegensatz zu manch Fingerkuppen mordender Minirampe bietet die Lösung von Liong Mah dem Daumen ausreichend Angriffsfläche. Entsprechend gering fallen der Kraftaufwand und die Anzahl der missglückten Öffnungsversuche aus.
Beim Klingenstahl geht Liong Mah keinen Kompromiss ein und hat dem K.U.F. V2 eine 3,3 Millimeter starke Klinge aus pulvermetallurgischem Böhler M390 Microclean spendiert. Der Stahl garantiert Bestwerte bei Schnitthaltigkeit, Schärfe und Bruchsicherheit und wird rüden Kontakt mit Knochen beim Filetieren oder Ausbeinen nicht übel nehmen.
K.U.F. – Ergonomie und Handlage
Messer von Liong Mah sind bekannt für ihre guten ergonomischen Eigenschaften; diesem Punkt gilt stets die besondere Aufmerksamkeit des Designers. Das K.U.F. bestätigt diese Erfahrung, auch wenn die eine oder andere Detaillösung zunächst nicht auf perfekte Ergonomie hinzuweisen scheint.
Der Griff des Messers besitzt in der Mitte eine Höhe von 27 Millimetern. Das ist ein guter Wert, aber mit 10,8 Millimetern fällt der Griff sehr schmal aus. Die Befürchtung, der Griff des Kitchen Utility Folders würde sich in der Hand verlieren und bei Krafteinwirkung zum Verdrehen neigen, bestätigt sich in der Praxis nicht. Das Messer liegt bei Handschuhgröße 9.5 wie angegossen in der Faust.
Bis über die Mitte des Fingerlochs hinaus erstreckt sich ein Jimping mit nicht zu feiner Struktur. Die Länge des Jimpings ist genau richtig bemessen und so findet der Daumen auf dem 3,3 Millimeter starken Klingenrücken ausreichend Platz und bequemen Halt.
Auch der kurze, breite und als Deep Carry Clip ausgeführte Taschenclip spielt bei der Ergonomie eine Rolle. Er dient den Fingerkuppen von Ringfinger und kleinem Finger als Anker und unterstützt die solide Handlage des Messers.
Zu kurz ist der Taschenclip nicht geraten. Er hält das Messer sicher in der Hosentasche.
Das zweite Element, das auf den ersten Blick an einer bequemen Handlage zweifeln lässt, ist der aus dem Griffrücken einen Millimeter herausragende Back Spacer aus Titan. Der ist nicht etwa flach, sondern besitzt die Form eines Daches mit schmalem, gerundetem Steg und abfallenden Flanken. Das sieht nicht nach bequemer Handlage aus, aber die Überraschung folgt, wenn man das Kitchen Utility Knife in die Hand nimmt. Nichts drückt, nichts stört und die Form des Backspacers verbessert die Handlage tatsächlich.
Es kommt nicht oft vor, dass ein Taschenmesser in Sachen Ergonomie im Knife-Blog Test die volle Punktzahl erzielen kann. Der Kitchen Utility Folder V2 von Liong Mah hat diese Hürde genommen.
Varianten für jeden Geschmack
Das K.U.F. ist weniger ein Messermodell als vielmehr eine ganze Serie von Messern mit unterschiedlich langen Klingen und verschiedenen Klingenstählen. Das Modell K.U.F. V2 besitzt eine 3,5″ Klinge aus M390 und wird neben unterschiedlich dekorierten Titanversionen auch mit einer Griffschale aus Micarta und Titangrundplatte angeboten.
Seit Beginn 2021 wird das K.U.F auch mit einer vier Zoll langen Klinge (K.U.F. 4.0) und in der EDC-Version mit drei Zoll Klingenlänge (K.U.F. 3.0) angeboten. Hier stehen Carbon und G-10 als Griffmaterial auf der Presentation Side zur Verfügung. Als Klingenstahl für diese Modelle hat Liong Mah Elmax gewählt.
Als mobiles Küchenmesser kommen jedoch nur die Varianten mit den 3.5 und 4.0 Zoll langen Klingen in Betracht. Für den Test des Kitchen Utility Folders hat Knife-Blog das materialseitige V2-Topmodell mit Titanrahmen und Carbon-Inlays gewählt.
Das K.U.F. V2 als EDC
Die ergonomischen Eigenschaften des Messers wurden ausführlich beschrieben und im Zusammenspiel mit der stattlichen M390 Klinge ist ein großer Teil der EDC-Eigenschaften bereits positiv beantwortet. Das Messer eignet sich für alle EDC-typischen Arbeiten vom Öffnen stabiler Kartons über das Zerspanen von Holz zum Feuer machen bis zu leichten Schnitzarbeiten gleichermaßen gut.
Die Fähigkeiten des Kitchen Utility Folders als Küchenmesser-to-go muss man sich nicht mit Einschränkungen im Alltagsgebrauch erkaufen. Das ist eine gute Nachricht und gleichzeitig ein Unterscheidungsmerkmal zu einigen Taschenküchenmessern aus der Möchtegern Abteilung.
Das K.U.F. ist ein vollwertiges EDC. Sehr angenehm im Alltag ist die schmale Bauweise des Messers, so trägt man keinen Klotz in Form eines kastrierten Küchenmessers in der Tasche, sondern ganz entspannt ein normal großes und 125 Gramm schweres Taschenmesser.
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Über die Qualität braucht man bei den Kleinserien, die Reate Knives für Liong Mah produziert, nicht viele Worte verlieren. Das Messer ist perfekt. Das beginnt mit einem ultrapräzisen Anschliff, umfasst das Fit und Finish der Inlays und endet bei einer Justage von Detent und Lock, an der es keinen einzigen Kritikpunkt gibt. Klingt eher nach einseitiger Lobhudelei als nach einem kritischen Review, aber wenn es nichts zu bemängeln gibt, kann selbst ein notorischer Skeptiker nichts anderes schreiben.
Küchenarbeiten mit dem K.U.F. V2
Das Kitchen Utility Knife kann und will ein großes Küchenmesser für den Hausgebrauch nicht ersetzen. Völlig klar, denn der über zwanzig Zentimeter langen Klinge eines Gyuto kann das K.U.F nur 88 Millimeter Klingenlänge entgegen halten. Der Größenunterschied ist kein Manko, denn der Kitchen Utility Folder ist ausdrücklich als Küchenmesser-to-go respektive als EDC mit Kochmesserqualitäten entwickelt worden.
Die hohe Klinge mit ihrer bogenförmigen Schneide erlaubt viele Einsatzmöglichkeiten bei Wanderausflügen, Picknick und Grillabenden. Ganz banale Aufgaben wie das Bestreichen von Brot oder Brötchen mit Butter lassen sich mit den schmalen Klingen vieler Gentleman Folder nur mühsam bewältigen – mit dem Kitchen Utility Folder klappt das hingegen recht zufriedenstellend.
Für ein Filetiermesser ist die hohe Klinge eher ein Handicap, aber durch die Form der Schneide in Kombination mit dem perfekt geschliffenen M390 Stahl ist die Funktionalität für unterwegs völlig ausreichend. Forelle, Dorsch, Ente und Huhn lassen sich ohne Nervenkrise zum Grillen vorbereiten.
Beim Schneiden von Gemüse macht das K.U.F. eine bessere Figur, als man einem Messer mit so kurzer Klinge zutrauen würde. Griff und Klingenform lassen eine Handlage zu, mit der man gute Kontrolle über die Schnittführung besitzt. Die Erfahrung von Liong Mah als Küchenbulle zeigt deutlich Wirkung. Bei allen Outdoor-Aktivitäten vom schnellen Imbiss auf dem Rastplatz bis zum abendlichen Grilleinsatz im Freien hat der Kitchen Utility Folder einen guten Eindruck hinterlassen.
Wer „on-the-road“ Freunde oder Familie mit einem kleinen Grillkunstwerk überraschen möchte, hat mit dem K.U.F. V2 das richtige Werkzeug zur Hand.
Fleisch für den Grill vorbereiten. Diese Aufgabe ist die Paradedisziplin für ein klappbares Outdoor-Küchenmesser und gleichzeitig sein unerbittlicher Scharfrichter. Taugt es nicht für Steak, Filet, Braten und Co. hat es seinen Zweck verfehlt und müsste seine Käufer in Veganmärkten oder an Esoterikständen auf Tofu-Basaren suchen.
Dieses grausige Schicksal bleibt dem Messer erspart. Mal eben Fleisch und Gemüse für einen Grillspieß präparieren oder die Grillkameraden mit ein paar Bacon-Schoko-Rosen überraschen. Beides fordert das Messer kaum. Selbst das Abdeckeln, Parieren und Portionieren eines zwölfpfündigen Roastbeef lässt sich mit dem K.U.F. stressfrei bewerkstelligen. Es dauert freilich ein paar Minuten länger als mit einem Gyuto. Kein Problem. Die bogenförmige Schneide lässt sich zielsicher Führen und die gute Ergonomie des Messers sorgt für entspanntes und sicheres Arbeiten.
Fazit und Preise
Erstaunlich aber wahr: Das Konzept von Liong Mah geht auf. Der Kitchen Utility Folder ist tatsächlich das erste Taschenmesser, das beim Zubereiten von Speisen nicht zu grauen Haaren, Verzweiflung und (mühsam unterdrückten) Wutanfällen führt. Wie schon dargelegt, kann das K.U.F. kein Gyuto oder Santoku gleichwertig ersetzen und der Verschnitt beim Filetieren oder Parieren ist größer als mit einem Spezialmesser. Trotzdem ist die Performance des Messers mehr als zufriedenstellend.
Auf dem Grillabend mit Freunden kann man sich mit diesem Messer sehen lassen, ohne um seinen Ruf als Messerprofi fürchten zu müssen.
Das Öffnen des Frontflippers mit dem Daumen geht spielerisch leicht. Die Klinge läuft seidenweich zwischen Kugellagern und die Gegenkraft des Detent ist richtig bemessen. In Sachen Qualität und Justage ist das Messer ein Leckerbissen.
Optisch macht das Topmodell mit beidseitigen Titangriffschalen und Carbon Inlays ordentlich was her, aber auch die Varianten mit G-10 Griffschalen oder Micarta werden ihre Fans finden. Die Preise für das K.U.F. V2 liegen je nach Modell zwischen 399,- und 449,- Euro, bei den Messern mit Drei- oder Vier-Zoll Klinge und G-10 Griffschalen rund einen Hunderter darunter.
Klar, mit diesen Preisen ist der Kitchen Utility Folder kein Schnäppchen. Dafür ist er universeller einsetzbar als viele andere Taschenmesser und kann bei Ergonomie, Material- und Verarbeitungsqualität mit den besten der Branche mithalten. Das Preis-Leistungs-Verhältnis des K.U.F. reicht daher noch für vier Sterne.
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Links und Bewertung
- Liong Mah: Homepage und Shop
- Bezugsquelle: WritingTurningFlipping
- Waffenrecht in Deutschland: Erlaubte und verbotene Messer
- Knife-Blog Rubrik: Küchenmesser
- Knife-Blog Thema: Titan Framelock Folder