Traveller heißt das Slip Joint von Liong Mah und mit dem Namen erklärt der Designer auch gleichzeitig den Gedanken hinter seinem Taschenmesser. Das Traveller – der Reisende – ist ein Messer, das in beinahe allen Ländern der Erde legal geführt werden darf. Ein Messer für alle Länder und Kontinente, dessen Material- und Verarbeitungsqualität den kleinen Reisebegleiter zur Lust statt zur ungeliebten Last machen sollen. Um dieses Ziel zu erreichen, zieht Liong Mah beim Traveller alle Register.
Inhalt und Übersicht
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Ein Taschenmesser für jeden Tag und alle Gelegenheiten. Es gibt wohl kaum einen Hersteller, der keines seiner Produkte mit diesen Attributen bewirbt. Das nie endende Marketing-Getöse um Messer mit ultimativen EDC-Qualitäten kennt jeder Messerfan zur Genüge. Aus Marketingsicht ist das Traveller von Liong Mah zunächst also nichts Besonderes. Wer sich allerdings mit Messern des findigen Tüftlers Liong Mah befasst hat, dürfte hellhörig werden, denn vollmundige Ankündigen ohne passende Ergebnisse sind nicht sein Stil.
Liong Mah hat inzwischen Wohnsitz und Firma von New York ins sonnige Florida verlegt. Heute entstehen seine Messerdesigns in Palm Bay, nur wenige Meilen südlich von Cape Canaveral direkt am Atlantischen Ozean. Die Taschenmesser von Liong Mah sind bekannt dafür, dass Ergonomie und Alltagstauglichkeit bei allen Designentscheidungen an erster Stelle stehen. Designs zum Selbstzweck findet man den Messern des gelernten Küchenmeisters ebenso wenig wie optische Aufheller und sinnbefreite technische Gimmicks.
Der vorangegangene Absatz deutet es bereits an: Liong Mah arbeitet primär als Designer und lässt seine Entwürfe ausschließlich von Reate Knives produzieren. Mit dem Firmengründer David Deng verbindet Liong Mah nicht nur eine intensive Geschäftsverbindung, sondern auch eine langjährige Freundschaft. Dass Messer von Reate im Bereich der Serienmesser seit vielen Jahren zur Spitzenklasse gehören, ist kein Geheimnis. Dass die Messer, die das Logo von Liong Mah tragen, stets noch eine Klasse hochwertiger ausfallen, ist auch kein Geheimnis, obwohl keiner der Beteiligten diese Tatsache jemals öffentlich bestätigt hat.
Traveller von Liong Mah
Ein Taschenmesser, das in nahezu allen Ländern der Erde als Werkzeug ohne Waffeneigenschaft betrachtet wird und das kaum Konfliktpotenzial bei Polizei- oder Einreisekontrollen bietet, kann nur als Slip Joint realisiert werden. Für alle Nicht-Messerprofis: Slip Joints besitzen keine Klingenverriegelung, sodass die geöffnete Klinge ohne Lösen einer Sperrvorrichtung eingeklappt werden kann. Im Artikel „Taschenmesser – Was ist erlaubt, was ist verboten?“ sind die Vorschriften des deutschen Waffengesetzes hinsichtlich Messern ausführlich erklärt.
Die Klinge des Traveller lässt sich nur mit etwas Übung einhändig öffnen. Beide Eigenschaften bewirken, dass Messer dieser Bauform – im Gegensatz zu Einhandmessern mit Klingenverriegelung – außer in Deutschland auch in vielen anderen Ländern legal mitgeführt werden können.
Die Formulierung „einhändig nur mit etwas Übung zu öffnen“ bedarf einer Erklärung. Das Traveller von Liong Mah besitzt weder eine Klingenbohrung noch Thumb studs („Daumenanker“), wodurch das Anheben der Klinge mit dem Daumen allein nicht gelingt. Wer allerdings den Umgang mit Einhandmessern gewohnt ist und über etwas Fingerfertigkeit verfügt, kann die Klinge mit Daumen und Mittelfinger beidseitig greifen und anheben. Nachdem die Haltekraft des Detent überwunden ist, lässt sich die Klinge mit dem Daumen in die geöffnete Position schieben.
Rein rechtlich ist das Traveller in Deutschland also ein Einhandmesser, fällt aber dennoch nicht unter das Führverbot, da es keine Klingenverriegelung besitzt. In anderen Ländern kann die Möglichkeit, das Messer einhändig zu öffnen, bereits als Begründung für ein Trageverbot gelten. Manche Länder limitieren die Klingenlänge von Taschenmessern. Neben Hongkong, China und Singapur gehören auch England und Schottland in diese Gruppe, aber auf der Brexit-Insel gilt das Traveller von Liong Mah nicht per se als verbotene Waffe, da die Klingenlänge die dort erlaubten drei Zoll (76,2 mm) nicht überschreitet. Allerdings kann man in Großbritannien nie sicher sein, dass ein mitgeführtes Messer nicht doch aus irgendeinem an den Haaren herbeigezogenem Grund beanstandet wird.
Eine Absolution für alle Waffengesetze dieser Welt kann Knife-Blog dem Traveller nicht erteilen, aber klar ist auch: Wenn man ein Messer in EDC-Größe mitnehmen möchte, ohne einen Gesetzesverstoß zu riskieren, bietet sich das Traveller als Reisepartner an. Dennoch sei nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass man auch mit dem Traveller nicht völlig gedankenlos durch die Welt reisen kann, selbst wenn es in sehr vielen Ländern nicht beanstandet werden wird.
Klingenstahl und Material
Liong Mah hat dem Traveller eine sieben Zentimeter lange Klinge aus Böhler M390 spendiert. Dieser Stahl wurde auf Knife-Blog bereits so oft gelobt, dass an dieser Stelle die Worte „exzellente Wahl“ ausreichend sein sollten. Die Klingenform des Traveller ist typisch für Liong Mah, eine Schneide in Drop Point Form kombiniert mit einem hohen Klingenblatt und einer Swedge im vorderen Bereich des Klingenrückens. So entsteht eine Allzweckklinge, die ohne Spezialisierung alle typischen EDC-Aufgaben souverän bewältigt.
Technische Daten:
- Messertyp: Slip Joint mit Einhandöffnung
- Klingenlänge: 70 mm
- Klingenhöhe: 26 mm
- Klingenstärke: 4 mm
- Klingenstahl: Böhler M390 microclean
- Klingenlager: Keramisches Kugellager
- Grifflänge: 105 mm
- Griffmaterial: Carbon
- Gesamtlänge: 176 mm
- Gewicht: 93 g
- Ausstattung: Detent-Ball aus Keramik, Taschenclip mit Keramikball im „Todd-Begg-Stil“.
Ein besonderes Augenmerk bei den Reviews von Knife-Blog genießt immer der Anschliff der Klinge und dafür gibt es zwei gute Gründe. Erstens ist der Schliff der zentrale Teil des Messers, dessen Qualität weiten Einfluss auf seine Gebrauchsfähigkeit hat. Zweites ist die Qualität des Anschliffs ein ausgezeichneter Indikator, ob der Hersteller das allgegenwärtige Versprechen „Wir-sind-angetreten-um das bestmögliche-Messer-zu-machen“ in der Praxis umsetzt oder nur Marketingphrasen von sich gibt.
Obwohl schluderig geschliffene Klingen bei Messern aus der Mittel- und Oberklasse nicht mehr so häufig auftreten wie früher, lassen sich immer noch deutliche Unterschiede feststellen. Die meisten Messer verfügen über Anschliffe, die in der Praxis zufriedenstellend funktionieren, auch wenn bei genauer Betrachtung Abweichungen im Schleifwinkel oder Wellen sichtbar werden. Bei der Akkuratesse des Anschliffs setzt das Traveller von Liong Mah Maßstäbe und fährt eine 5-Sterne-Wertung ein. Selbst unter der Lupe ist der Anschliff makellos und von beeindruckender Gleichmäßigkeit.
Das darf man – mit Verlaub gesagt – in der Preisklasse oberhalb von 200 Euro heutzutage auch erwarten.
Jetzt mal Butter bei die Fische:
Oben: Den Anschliff des J-Cape Flippers der „Something Obscene Company“ hatte Knife-Blog bereits im Einzelreview kritisiert. Das Messer ist zwar EDC-tauglich, aber eine Zierde für den Hersteller ist weder die Schneide in Achterbahnoptik noch der mäandernde Schleifwinkel.
Mitte: Liong Mah lässt sich beim Traveller nicht mit der kleinsten Ungenauigkeit erwischen. Anschliff und Konstanz des Schleifwinkels sind mustergültig.
Unten: Zero Tolerance. Nach Selbstverständnis des Herstellers und der Preisgestaltung eine Premiummarke. Ein Absatz am Übergang zum Ricasso, eine Welle im geraden Abschnitt der Schneide und ein Schleifwinkel, der an kaum zwei Stellen der Schneide gleich ist, lassen auf eine eher unverbindliche Einstellung zum Produkt schließen.
Die Präzision beim Klingenschliff bleibt nicht ohne Folgen für die Schneidleistung des Traveller. Obwohl die Schneide mit einer nutzbaren Länge von 66 Millimetern für ein EDC-taugliches Taschenmesser eher knapp bemessen ist, kompensieren der hochwertige Klingenstahl und der exzellente Anschliff die fehlende Klingenlänge. Im vierwöchigen Testzeitraum kam erstaunlicherweise nie der Wunsch nach einem Taschenmesser mit längerer Klinge auf.
Auf einen Half-Stop hat Liong Mah beim Traveller verzichtet. Die Klinge lässt sich einem einem Zug öffnen, was die Eigenschaft als Einhandmesser ohne Klingenverriegelung unterstreicht. Da der Detent am Endanschlag der Klinge zwar nicht sehr straff, aber gut kontrollierbar ist, liegt das Risiko mit der Schneide in Kontakt zu kommen für die eigenen Finger nicht höher als bei den meisten anderen Slip Joints.
Technik, Handlage, Bedienbarkeit
Die Klinge des Traveller läuft in einem keramischen Kugellager, was bei einem Messer unter dreihundert Euro nicht die Regel ist. Der Materialeinsatz führt zum gewünschten Ergebnis. Die Klinge läuft sehr leichtgängig, geschmeidig sowie dauerhaft Verschleiß- und Wartungsfrei. Dass die Klinge mittig steht und spielfrei montiert ist, versteht sich von selbst und sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
Griffschalen aus Carbon. Und das verwendete Carbon ist vom Feinsten! Die Faserstruktur tritt optisch deutlich hervor, obwohl die Oberflächen glatt poliert sind. Die Struktur der Carbonfasern ist exakt in Längsrichtung des Griffs ausgerichtet. Das erfreut nicht nur das Auge des Messerfans, es zeigt auch, wie viel Wert Liong Mah auf stringentes Design bei technischen Details legt.
Der Rahmen des Traveller wird aus den beiden Griffschalen und einem langen Backspacer aus Titan gebildet. An den Innenseiten sind die Griffschalen durch Liner verstärkt; ein Bolzen verbindet die Liner und dient als Klingenanschlag. Von Außen sind die Liner so gut wie unsichtbar, da sie deutlich schmaler sind als die Griffschalen und zudem bündig in das Carbon eingelassen sind.
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Der massive Backspacer erstreckt sich über zwei Drittel der Griffschale. An seinem Ende ist der Taschenclip befestigt. Die besondere Konstruktion der Clip-Befestigung erlaubt es, den Taschenclip wahlweise links oder rechts zu montieren. Für ein Taschenmesser mit Carbon Griff ist dieses Feature ungewöhnlich. Da Tüftler Liong Mah auf Bohrungen in der Carbon Oberfläche verzichtet, kann er die wechselseitige Montage des Clips realisieren, ohne dass an der gegenüberliegen Griffschale hässliche Löcher notwendig werden.
Das einhändige Öffnen des Messers ist ohne Kraftaufwand möglich und klappt zuverlässig. Beidhändig geht es ebenso komfortabel, wobei die nahe dem Klingenrücken eingeschliffene Hohlkehle gleichzeitig als Designelement und moderner Nagelhau fungiert.
Bei der Ergonomie des Öffnens und Schließens hat das Traveller überzeugt und auch die Handlage gibt keinen Anlass zur Kritik. Der Griff verfügt über eine stark konturierte Mulde für den Zeigefinger und durch die Griffhöhe von 23 Millimetern füllt das Traveller kleine und mittelgroße Hände gut aus. Da nur rund zehn Zentimeter Grifflänge zur Verfügung stehen, ist das Traveller ein Drei-Finger-Messer, bei dem der kleine Finger hinter dem Griff als Endanschlag fungiert. Bei Druck auf die Klingenspitze rutscht das Messer in der geschlossenen Hand nicht nach hinten.
Preis und Fazit
Taugt das Traveller von Liong Mah tatsächlich zum Reisebegleiter? Ja, und es taugt auch als Taschenmesser der Wahl für die Zeiten zwischen Winterurlaub, Sommerurlaub, Dienstreisen und Messebesuchen.
Die EDC-Eigenschaften des Traveller sind so gut, wie sie bei einem Slip Joint sein können. Das Traveller ist leicht und bequem zu tragen und zu ebenso leicht zu bedienen. Der Detent besitzt einen klar definierten Druckpunkt und wartet nicht mit Überraschungen auf. Die Haltekraft der Klinge im geöffneten Zustand ist gering. Nicht so gering, dass sich daraus ein Problem ergibt, aber gering genug, dass mancher Messerfan Kritik üben wird. Der Grund für die Justage des Traveller liegt auf der Hand: Das Taschenmesser soll bei Kontrollen keine Zweifel an seinem legalen Status aufkommen lassen.
Das Traveller von Liong Mah kostet im deutschen Onlinehandel in der Version mit Carbon-Griff 220,- Euro. Gemessen an der ausgezeichneten Qualität von Material und Verarbeitung ist der Preis für das kleine Taschenmesser nicht zu hoch. Da gibt es Messer zum gleichen, doppelten oder dreifachen Preis, deren Qualitätsanmutung gegenüber dem Traveller deutlich abfällt. Von objektiven Kriterien wie misslungenem Anschliff und Klingenspiel ganz zu schweigen.
Bei allen für Taschenmesser üblichen Schneidearbeiten macht das Traveller eine gute Figur. Durch die angenehme Haptik ist es ein Messer, das man gern zur Hand nimmt und die Möglichkeit des einhändigen Öffnens ist ein Vorteil, der den Verzicht auf einen Klingenstop in Mittelposition mehr als kompensiert.
Taugt das Traveller als Alleskönner auf Reisen? Eindeutig ja und man muss sich nicht unbedingt auf Reisen begeben, um dieses Messer zu mögen. Die Qualitätsanmutung ist hoch. Obwohl das Traveller in der gehobenen Preisklasse residiert, übertrifft es den Standard dieser Klasse deutlich. Mit dem Traveller von Liong Mah reist man messertechnisch in der ersten Klasse.
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Links und Bewertung
- Hersteller/Designer: Website von Liong Mah
- Bezugsquelle: WritingTurningFlipping
- Auf Reisen: Waffengesetze in den EU-Ländern
- Klingenstahl: Der beste Klingenstahl für Taschenmesser