Egal, ob Hobbykoch oder Profi, egal, ob Ein-Personen-Haushalt, Großfamilie oder Restaurant, ein hochwertiges Allzweckmesser darf in keiner Küche fehlen. Ein Messer, mit dem sich das Fleisch, Fisch und Gemüse bearbeiten lassen, das leicht zu handhaben ist und das kein riesiges Loch in den Geldbeutel reißt. Zudem soll das Messer nicht zu schwer sein und bei der Arbeit mit guter Ergonomie überzeugen. Das neue Wanger Santoku Nitro möchte diese Eigenschaften in sich vereinen. Knife-Blog hat das Messer ausgiebig getestet und blickt nicht nur auf die Qualität von Design, Material und Verarbeitung, sondern auch auf Handhabung, Alltagstauglichkeit, das Preis-Leistungs-Verhältnis und einen exotischen Klingenstahl.
Inhalt und Übersicht
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Der Name des Messers gibt einen Hinweis auf Form und Fasson: Das Kochmesser von Dirk Wanger besitzt viele klassische Santoku-Gene und die Schärfe der Klinge würde jeder traditionellen japanischen Klinge aus Shirogami zur Ehre gereichen, gleichzeitig schlägt das Messer mit eigenem Stil und moderner Formsprache eine Brücke ins 21. Jahrhundert.
Nahezu alle Kochmesser, die sich an Profis oder engagierte Hobbyköchen wenden, gehen in Form und Funktion auf japanische Messertypen zurück. Der Grund liegt der langen Messertradition des fernöstlichen Landes, denn viele japanische Messermodelle lassen sich über Jahrhunderte zurückverfolgen, bei einigen Messertypen reicht die Geschichte bis in die Zeit der Heian-Periode (794 – 1185) zurück.
Im Gegensatz zur europäischen Wegwerfkultur besitzen Messer in Japan nicht den Stellenwert eines beliebig austauschbaren Werkzeugs, das möglichst anspruchslos und preiswert sein soll. Stattdessen ist die Kunst der Klingenherstellung eng mit der japanischen Schwertschmiedetradition verbunden. In der japanischen Kultur werden Schwerter und Messer, neben allen praktischen Eigenschaften, als Edelhelfer, Kunstobjekte und Statussymbole wertgeschätzt.
Im Vordergrund steht jedoch immer die perfekte Eignung eines Messers für die zugedachten Aufgaben. Einerseits stehen in Japan die Spezialisten unter den Küchenmessern, wie Deba, Usuba oder Yanagiba hoch im Kurs, andererseits haben sich die beiden Allrounder Gyuto und Santoku durchgesetzt und einen Siegeszug um die ganze Welt angetreten.
Wanger Santoku Nitro
Mit den drei Worten der Überschrift sind Herkunft, Form und Klingenstahl des Küchenmessers eindeutig beschrieben. Fachhändler Dirk Wanger von Messer&Co zeichnet für die Entwicklung des modernen Santoku verantwortlich und der Klingenstahl Nitro‑B stammt von der deutschen Firma Buderus Edelstahl GmbH aus Wetzlar.
Der Wunsch, seine Produktlinie um ein selbst entworfenes Santoku zu erweitern, ist Dirk schon vor längerer Zeit gekommen. Zeichnungen entstanden, wurden verändert, optimiert, ergänzt und wieder verworfen. Ein altes Solinger Küchenmesser, das zwar keine Ähnlichkeit mit einem Santoku besitzt, aber mit interessanten Designdetails auffällt, diente als Inspirationsquelle. Allmählich nahm die Form des Wanger Santoku Gestalt an. Doch Zeitmangel verhinderte den Abschluss des Projekts und die Zeichnungen verschwanden erst einmal einige Jahre in der Schublade.
Klinge und Klingenstahl Nitro‑B
Der Klingenstahl des Wanger Santoku muss man erklären. Nitro‑B taucht gelegentlich bei handwerklich hergestellten Taschenmessern oder als Damastkomponente auf, als Klingenstahl bei großen Kochmessern ist der Stickstoffstahl ein selten verwendeter Exot. Zum Stahl später mehr.
Das Wanger Santoku verfügt über eine Gesamtlänge von 295 Millimetern bei 180 Millimetern Klingenlänge. Die Werte sind typisch für ein ausgewachsenes Santoku. Ein paar Millimeter mehr oder weniger Klingenlänge sind bei diesem Messertyp allerdings kein entscheidender Faktor, weit wichtiger für Handhabung und Schneidleistung sind Balance, Klingenstärke sowie Härte und Elastizität des Klingenstahls.
Bei der Klingenstärke zählt hingegen jeder Zehntelmillimeter, dabei gilt: Weniger ist mehr, solange die Klinge nicht bricht. Je schmaler die Klinge eines Santoku ausfällt, desto leichter gleitet die Klinge durchs Schnittgut. Subjektiv wirkt die Klinge dadurch schärfer, praktisch spart man Kraft und die Arbeit gestaltet sich entspannter. Das entscheidende Kriterium ist jedoch die Fähigkeit der schmalen Messerklinge, Gemüse oder rohen Fisch in hauchdünne Scheiben schneiden zu können.
Eine breite Klinge drückt hartes Schnittgut (z. B. Sellerie, Möhren, Kartoffeln) auseinander, sodass es auseinanderbricht, bevor es von der Schneide zerteilt wird. Mit seinem 2,6 Millimeter breiten Klingenrücken liegt das Wanger Santoku im mittleren Bereich; Spitzenwerte bei Santoku dieser Größe liegen zwischen 2,0 und 2,3 Millimetern Klingenstärke.
Die mögliche Klingenstärke ergibt sich aus der Zähigkeit und Elastizität des Stahls. Ist die Klinge zu schmal oder die Zähigkeit des Stahls zu gering, führt dies über kurz oder lang zu Ausbrüchen an der Schneidkante, im Extremfall kann das Verkanten einer unterdimensionierten Klinge sogar den Bruch der Klinge zur Folge haben.
Die Konzeption von Küchenmessern mit langer Klinge beinhaltet daher immer den Widerstreit zwischen einer möglichst schmalen Klinge, die aber ausreichend schnitthaltig und absolut bruchsicher sein muss. Hinweise, welche Klingenstärke man einem Stahl „zumuten“ kann, findet man normalerweise in den Datenblättern und Messergebnissen einer Stahlsorte. Nitro‑B ist ein Sonderfall und an dieser Stelle muss man zur Erklärung etwas weiter ausholen als gewöhnlich.
Nitro-B ist ein Stahl des deutschen Herstellers Buderus Edelstahl GmbH. Knife-Blog Stammleser werden sich an den Abschnitt zu Nitro‑B im Artikel zu Klingenstählen mit Stickstoffanteil erinnern (Das Geheimnis scharfer Klingen – Wie Stickstoff die Performance von Messerstählen beeinflusst). Dort ist zusammengefasst, was über Nitro‑B bekannt ist und warum viele wichtige Informationen zu diesem Stahl fehlen oder nicht gesichert sind.
C | Cr | V | Mo | Mn | Si | N |
---|---|---|---|---|---|---|
0,55 % | 15,50 % | 0,10 % | 0,50 % | 0,25 % | 0,25 % | 0,21 % |
Die Härte von Klingen aus Nitro‑B liegt zwischen 59 und 61 HRC. Das ist praktisch der Sweetspot dieses Stahls und auch die Klinge des Wanger Santoku Nitro ist auf 60 HRC gehärtet. Der Wert ist durch Messungen bestätigt. Öffentlich zugängliche Messwerte zur Abriebfestigkeit des Stahls gibt es hingegen nicht, auch Ergebnisse zu Tests der Kerbschlagzähigkeit oder Elastizitätsmessungen veröffentlicht der Hersteller nicht.
Der Mangel an technischen Daten erschwert die qualitative Einschätzung von Nitro‑B als Klingenstahl für das Wanger Santoku erheblich. Um zumindest praktische Erfahrungen sammeln zu können, hat Knife-Blog das Messer mehr als drei Monate im täglichen Kücheneinsatz getestet. Die dünne Datenlage zu Nitro-B und die geringe Zahl von Messern mit diesem Klingenstahl sind der Grund, warum alle Einschätzungen und Wertungen des Klingenstahls in diesem Review ausschließlich auf den Erfahrungen mit einem einzigen Messer beruhen.
Im Praxistest hat der geheime „James-Bond-Stahl“ des Wanger Santoku positiv überrascht. Zunächst verblüfft die initiale Schärfe der Klinge beim Auspacken des Messers. Selbstverständlich sind alle hochwertigen Küchenmesser „out-of-the-box“ scharf, aber es gibt Unterschiede. Und dieses Santoku macht einen Unterschied! Die Schärfe entlang der gesamten Schneide würde jedem Rasiermesser zur Ehre gereichen!
Bei einer so fein ausgeschliffenen Schneide ist zu erwarten, dass sich die Schneidkante schon nach kurzer Zeit umlegt und die Klinge schnell an Schärfe verliert. Erneut sorgt die Klinge des Wanger Santoku für eine Überraschung, denn die Klinge hält die Schärfe überdurchschnittlich gut. Abziehen auf einem Stahl wäre ein Sakrileg bei diesem Messer und würde die Klinge mehr beschädigen als schärfen, deshalb rät Knife-Blog zur Verwendung eines Abziehleders oder Streichriemens (s. Links).
Auch bei der Zähigkeit hat sich das Wanger Santoku in der Praxis bisher keine Blöße gegeben. Mikroausbrüche an der Schneide sind nicht aufgetreten. Auch das unvermeidliche Verkanten beim Schneiden von rohem Schinken hat die Klinge schadlos überstanden, obwohl die Elastizität der Klinge gering ist. Die Klinge ist so steif, dass selbst leichtes Durchbiegen in Längsrichtung mit vertretbarem Kraftaufwand unmöglich ist. Das ist für ein großes Kochmesser ungewöhnlich und vermutlich zum kleineren Teil dem Klingenstahl, aber hauptsächlich der Klingenstärke von 2,6 Millimetern geschuldet.
Alle Aussagen zur Zähigkeit des Stahls müssen leider vorläufig bleiben, da Buderus die Ergebnisse von Strukturaufnahmen, Kerbschlag- und Biegetests nicht mitteilen möchte. Auch die Korrosionsträgheit des Stahls lässt sich nicht abschließend beurteilen. Im Praxistest haben weder Luftfeuchtigkeit noch der kurzfristige Kontakt mit Wasser zu erkennbarer Korrosion geführt. Hingegen führen Zitronen- oder Zwiebelsaft, sofern sie einige Zeit auf die Klinge einwirken, zu korrosionsbedingten Flecken, die sich nur mit einem sanften Schleifmittel wegpolieren lassen. Auf Bild 2 sind im Bereich 13 bis 15 Zentimetern korrosive Veränderungen erkennbar. Im Vergleich zu einem Santoku mit Niolox-Klinge scheint Nitro‑B anfälliger für Korrosion zu sein.
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Griff und Griffmaterial
Dirk Wanger verwendet unterschiedliche heimische Hölzer als Griffmaterial für sein Santoku und verzichtet auf exotisches Edelholz aufgrund langer Transportwege ebenso wie auf Hölzer seltener Baumarten. Der Nachhaltigkeitsgedanke ist in der Messerszene angekommen, denn die Vorkommen von Ebenholz, Snakewood oder Wüsteneisenholz sind weitgehend erschöpft.
Statt dem tiefschwarzen Ebenholz kann man das Wanger Santoku mit einem Griff aus Mooreiche oder stabilisierter Platane bestellen. Beide Hölzer passen perfekt zu einem edlen Küchenmesser und vor allem das dunkle Holz der Platane punktet mit lebhafter Maserung und ausdrucksstarkem Kontrast.
Wer helles Holz bevorzugt, kann zwischen Maserpappel, wildem Ahorn, Pflaumen- oder Olivenholz wählen. Professionelle Anwender gehen derzeit leer aus, denn in Restaurantküchen sind Holzgriffe aufgrund von Hygienerichtlinien nicht erlaubt. Eine Griffvariante aus Kunststoff ist aber für 2024 in Vorbereitung.
Da sich jeder Messergriff durch Farbe und Maserung des Holzes unterscheidet, bietet Dirk Wanger einen recht einmaligen Service. Im Onlineshop sind zahlreiche Messer mit dem gleichen Griffholz abgebildet und nummeriert. Bei der Bestellung kann der Kunde die Nummer des Messers angeben und erhält genau dieses Messer und nicht irgendeines mit dem gleichen Griffmaterial. Coole Idee!
Design, Ergonomie und Balance
Harter Klingenstahl und ein schöner Griff mögen gute Kaufargumente für ein Kochmesser sein, letztlich aber sind Schwerpunktlage, Gewicht und Balance die entscheidenden Größen. Nur wenn Hand- und Armhaltung bequemes, schnelles und sicheres Schneiden ermöglichen, wird man das Messer gern zur Hand nehmen. Obwohl die Form des Wanger Santoku wenig spektakulär wirkt, liegt die Stärke dieses Messers eindeutig in seinen ergonomischen Eigenschaften.
Der Griff ist rundum konisch geformt, er verjüngt ausgehend vom Griffende gleichmäßig bis zum Griffansatz. Auch ohne Konturen oder Fingermulden liegt der Griff auf diese Weise bequem in der Hand. Das Festhalten des Griffs ist mit wenig Kraftaufwand möglich, sodass Hand und Finger nicht ermüden. Das stabilisierte Holz hat sich im Alltag als ausreichend rutschfest erwiesen.
Bei Kochmessern mit sehr langen Klingen lässt sich eine gewisse Kopflastigkeit nicht verhindern, doch auch die meisten Santoku sind deutlich kopflastig. Das Wanger Santoku ist eine der wenigen Ausnahmen: Der Schwerpunkt liegt exakt am Griffansatz und ist damit optimal platziert. Beim Schneiden behält das Messer die vorgegebene Lage bei, sodass man die Klingenspitze nicht bei jedem Schnitt anheben muss.
Das führt nicht nur zu höherem Arbeitstempo und gleichmäßigen Ergebnissen, sondern entlastet vor allem Unterarm und Handgelenk. Automatisch wird die Klingenführung sicherer und präziser. Letzteres ist auch beim Hacken von Fleisch oder Gemüse wichtig. Knife-Blog empfiehlt: Mit dem Messer gehacktes Tatar vom Rinderfilet mit frittierter Petersilie. Dabei macht das Wanger Santoku eine richtig gute Figur. Selbst wenn man den Freundeskreis bekocht, schmerzen Arm und Handgelenk am nächsten Tag nicht. Langer Rede, kurzer Sinn: Fünf Sterne für die Ergonomie.
Fazit Wanger Santoku Nitro
Die Geheimniskrämerei von Buderus zu Legierung und Messergebnissen von Nitro‑B hat dieses Review mehrmals an den Rand des Scheiterns gebracht. Nur der Verdacht, die Buderus Edelstahl GmbH könne versuchen, negative Eigenschaften zu verschweigen, hat zum längsten Praxistest in der Geschichte von Knife-Blog geführt. Bestätigt hat sich der Verdacht nicht, Messer und Klingenstahl haben sich bei Schnitthaltigkeit und Zähigkeit gut geschlagen, hinsichtlich der Korrosionsträgheit ist für Nitro-B noch keine abschließende Einschätzung möglich.
Buderus möchte Nitro‑B zukünftig verstärkt als Messerstahl vermarkten. Technisch könnte der Stahl für Küchenmesser der preislichen Mittelklasse eine Alternative sein, doch das Zurückhalten von Informationen wird den Marktstart sehr erschweren. Mit MagnaCut steht ein Stahl in den Startlöchern, der über kurz oder lang im Markt hochwertiger Kochmesser das Zepter übernehmen wird. Im mittleren Preisbereich muss Nitro‑B gegen erprobte und gut dokumentierte Stähle antreten. Zahlreiche Kohlenstoffstähle, Niolox und San Mai Damast mit VG‑10 Kern werden dabei die Hauptgegner für den Stahl aus Wetzlar sein.
Auf der Website von Messer&Co ist das Wanger Santoku – je nach Griffmaterial – zu Preisen zwischen 119,- und 179,- Euro bestellbar. Hergestellt wird das Messer komplett in Solingen und den klangvollen Namen der deutschen Messermetropole trägt das Messer stolz auf der rechten Klingenseite.
Der Verzicht auf Fertigungsschritte in Billiglohnländern ermöglicht wenige, kurze Transportwege. Dadurch werden die Kosten für Logistik und Versicherungen deutlich reduziert. Dem Nachhaltigkeitsgedanken trägt Messer&Co damit ebenso Rechnung wie durch die Verwendung heimischer Hölzer als Griffmaterial.
Qualitativ entspricht das Wanger Santoku in jeder Hinsicht den Erwartungen an ein in Solinger produziertes Messer. Bei der Metallarbeit, der Anpassung der Griffschalen oder dem Finish gibt es ebenso wenig Ansätze für Kritik wie beim Anschliff.
Das Preis-Leistungs-Verhältnis des Wanger Santoku ist gut, denn das Messer punktet außer mit nachhaltiger Produktion vor allem mit ausgezeichneter Ergonomie, hoher Schärfe und guter Schnitthaltigkeit. Entsprechend hoch ist die Küchenleistung. In der Einleitung des Reviews haben wir auf die Philosophie hinter traditionellen, japanischen Küchenmessern geblickt. Am Ende lässt sich feststellen, dass das Wanger Santoku Nitro die gute Tradition fortschreibt und sich seinen Platz im Messerblock redlich verdient hat.
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Links, technische Daten und Bewertung
Links zum Weiterlesen
- Bezugsquelle: Messer&Co
- Abziehleder: Messerworld, MesserMaXX
- Knife-Blog Rubrik: Küchenmesser
- Knife-Blog Thema: Stickstoff als Legierungselement
- Knife-Blog Rubrik: Messerstahl
Technische Daten
- Bauart: Flacherl (Full tang)
- Gesamtlänge: 295 mm
- Klingenlänge: 180 mm
- Klingenmaterial: Buderus Nitro‑B
- Klingenstärke: 2,6 mm
- Klingenstärke hinter der Schneidfase: unter 0,33 mm
- Härte nach Rockwell: 60° HRC +/- 1
- Winkel der Schneidfase: 13° – 15°
- Griffmaterial: div. Hölzer zur Auswahl
- Gewicht: 180 g +/- 10 g (je nach Griffmaterial)
Bildnachweis Titelbild: Depositphotos.com:Laputin (Sushi), Knife and Composition by Knife-Blog