Wenn es einen Urvater der Klingenverriegelungen bei modernen Taschenmessern gibt, ist es fraglos das Walker Linerlock. Erst durch die Optimierung dieses Verriegelungssystems durch den amerikanischen Messermacher Michael Walker wurde die Bedienung von Klappmessern sicher und alltagstauglich. Das Linerlock hat wesentlichen Anteil am Markterfolg der Taschenmesser von den frühen 1980er-Jahren bis heute. Auch wenn das Linerlock schon vor 40 Jahren entwickelt wurde, gehört es bis heute zu den am häufigsten verbauten Klingenverriegelungen bei Taschenmessern.
Inhalt und Übersicht
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Michael Walker wird häufig als Erfinder des Linerlocks genannt, denn sein Name ist untrennbar mit dieser Klingenverriegelung verbunden. Viele Messerhersteller verwenden die Bezeichnung „Walker Linerlock“ und würdigen damit die Entwicklungsarbeit des amerikanischen Messermachers. Tatsächlich stammt die Grundkonstruktion des Linerlock aber aus dem späten 19. Jahrhundert und wurde bereits am 3. Juli 1906 unter der Nummer 825.093 in den USA zum Patent angemeldet.
Wer das Linerlock Verriegelungssystem tatsächlich erfunden hat, lässt sich heute nicht mehr mit letzter Sicherheit klären. Spuren weisen sowohl nach England wie auch in die USA. Sicher ist nur, dass bereits vor 1900 Taschenmesser hergestellt wurden, die eine dem Linerlock sehr ähnliche Konstruktion zur Verriegelung der Klinge besaßen.
Kaum ein anderes System zur Klingenarretierung hat so viele Jahrzehnte ohne grundlegende Modifikation überstanden wie das Linerlock in der Version Michael Walker. Es wird bis heute bei Taschenmessern alle Preisklassen eingesetzt, wobei ein Schwerpunkt preisgünstige Klappmesser und robuste Arbeitsmesser für Handwerker und Landarbeiter sind. Doch die Spanne der Messertypen, bei denen ein Linerlock zum Einsatz kommt, deckt sowohl handgearbeitete Taschenmesser für Sammler wie auch den weiten Bereich taktischer Einsatzmesser ab.
Michael Walker hat sich nicht nur als Erfinder des modernen Linerlocks, Messermacher und Mitglied der American Knifemaker Guild einen Namen gemacht, sondern der Messerwelt zahlreiche weitere technische Tüfteleien beschert. Am bekanntesten ist das gemeinsam mit Ron Lake entwickelte LAWKS System (Lake and Walker Knife Safety). US-Hersteller CRKT hatte die Nutzungsrechte an diesem Systems erworben und zahlreiche Messermodelle mit LAWKS ausgestattet. Der Streit zwischen Cold Steel und CRKT um das LAWKS System ist legendär. Offenbar kam es später zwischen Michael Walker und CRKT zu Differenzen, denn heute wird das LAWKS bei CRKT nicht einmal mehr erwähnt.
Bob Terzuola hat die Innovationskraft von Michael Walker in seinem Buch „The Tactical Folding Knife“ ausführlich gewürdigt. Michael Walker wurde zudem mit der Aufnahme in die Cutlery Hall of Fame geehrt.
Das Linerlock
Das technische Prinzip des Linerlock ist ebenso simpel wie wirkungsvoll. Wenn die Klinge den Endanschlag der geöffneten Position erreicht, schiebt sich eine an der Innenseite des Griffs angebrachte Metallzunge so hinter die Klingenwurzel, dass die Klinge in dieser Position fixiert wird. Damit die Klinge sicher verriegelt werden kann, besitzt die Klingenwurzel an ihrer Rückseite eine Aussparung, die den Kopf der Metallzunge aufnimmt. Kräfte, die auf den Klingenrücken wirken und zum Einklappen der Klinge führen würden, werden von der Metallzunge aufgenommen und die Klinge bleibt in der geöffneten Position.
Verglichen mit dem konstruktiven Aufwand bei Axis Lock oder Tri-Ad lock kommt das Linerlock mit vergleichsweise wenigen Bauteilen aus. Es gibt keine beweglichen Bauteile, denn die Metallzunge ist fest mit dem Rahmen des Messers verbunden. Der technische Minimalismus gehört zu den größten Stärken dieses Verriegelungssystems, denn die Störungsanfälligkeit eines Verriegelungssystems steht in direktem Zusammenhang mit Anzahl und Komplexität der verwendeten Bauteile. Federn können brechen, Gleitschienen können leicht verschmutzen und das Verriegelungssystem blockieren.
Die Erfindung des modernen Linerlock
Anfang der 1980er-Jahre gehörte Michael Walker zu der damals noch kleinen Zahl amerikanischer Messermacher, die hochwertige Jagd- und Gebrauchsmesser mit feststehenden Klingen handwerklich herstellten. Einer seiner frühen Fans war der Messersammler Don Buchanan aus New Mexico, der in seinem Gunshop auch hochwertige Messer verkaufte. Buchanan bestellte bei Michael Walker zehn Fixed Blades, die der Messermacher herstellte und prompt lieferte.
Keines der Messer besaß eine Lederscheide. Als Buchanan das Fehlen der Scheiden reklamierte, teilte ihm Walker sinngemäß mit, dass er „keinen Bock“ auf die Arbeit mit Leder habe. Ein Messer ohne Lederscheide war praktisch unverkäuflich und Don Buchanan musste einen ortsansässigen Sattler mit der Herstellung der Scheiden beauftragen. Alles andere als glücklich rüffelte er Michael Walker mit den Worten: „Wenn du keine Lederscheiden herstellen willst, dann lass die Finger von Fixed Blades und verleg dich auf die Herstellung von Klappmessern.“
Die Argumentation war schlüssig und so begann Michael Walker sich mit der Technik von Taschenmessern zu befassen. Praxistaugliche Verriegelungssysteme waren zu dieser Zeit Mangelware, meistens orientierten sich Messermacher an Systemen, die einfache Varianten des Back Lock darstellten und auf Klappmessern der Antike beruhten. Andere Verriegelungssysteme, wie das 1976 von Paul Poehlmann zum Patent angemeldete „Paul-Messer“, erschienen Michael Walker zu aufwendig und fehleranfällig. Paul Poehlmanns Klingenverriegelung kann man sich als frühe Version des Deadbolt Lock vorstellen, das zwar grundsätzlich funktionierte, aber höchst diffizile Justage erforderte.
Walker sah sich frühe Versionen des Linerlock und das eingangs erwähnte Patent aus dem Jahr 1906 an. Obwohl die Klingenverriegelung halbwegs zufriedenstellend funktionierte, überwogen ihre Nachteile. Außen liegende, scharfkantige Bauteile rissen Finger und Hosentaschen auf oder die Locks waren ergonomisch so schlecht gestaltet, dass keine alltagstaugliche Handhabung möglich war. Zudem befand er die Haltekraft des ursprünglichen Linerlock für zu gering. Das größte Problem war die hohe Verschleißanfälligkeit der Verriegelungskomponenten, sodass die Messer schon nach kurzer Zeit unbrauchbar wurden.
Michael Walker ging zur Konstruktion des Linerlock Systems zurück, dass Watson & Chadwick 1906 für Cattaraugus patentieren ließen.
Dieses System mit einer außen liegenden Lock Bar hatte es trotz aller Unzulänglichkeiten zum Standard bei Klappmessern für Jagd und Handwerk gebracht und wurde mehrere Jahrzehnte lang verwendet.
Schnell war Michael Walker klar, dass die Lock Bar an die Innenseite des Griffs wandern und die Kontaktfläche zwischen Lock Bar und Klingenwurzel vergrößert werden musste. Da damals gebräuchlichen Federn, die die Verriegelungsstange gegen die Klingenwurzel drücken, versagten regelmäßig.
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Damit war der Anforderungskatalog festgelegt: Bewegliche Bauteile mussten nach innen verlegt werden, die Federkraft sollte aus der Lock Bar selbst gewonnen werden und die Stabilität der Klingenverriegelung mussten genau wie Zuverlässigkeit und Bedienbarkeit deutlich verbessert werden.
Funktion des Linerlock
Konstruktiv gehört das Linerlock zu den einfachsten Systemen zur Klingenverriegelung und seine größte Stärke liegt in der Einfachheit seiner Konstruktion. Während viele andere Verriegelungssysteme auf Federn und bewegliche Kleinteile setzen, kommt das Linerlock mit einem einzigen Bauteil aus: eine an der Griffinnenseite angebrachte Verriegelungsstange („Lock bar“) in Form einer Metallzunge.
Diese Verriegelungsstange erstreckt sich beinahe über die gesamte Länge des Griffs und ist am hinteren Ende des Taschenmessers fest mit dem Rahmen des Messers verbunden oder sogar Teil des Rahmens (siehe Bild GiantMouse). Vorspannung im Material sorgt dafür, dass sich das vordere Ende der Metallzunge bei geöffnetem Messer hinter die Klingenwurzel schiebt. Dort rastet der Kopf der Metallzunge in eine mehr oder weniger eckige Aussparung an der Klingenwurzel ein, sodass die geöffnete Klinge gegen ihren Endanschlag gedrückt wird.
Beim Schließen der Klinge kann die Metallzunge durch Daumendruck zurück in ihre Ruheposition geschoben und die Klinge eingeklappt werden. Eine Aussparung an der gegenüberliegenden Griffseite sorgt bei vielen Taschenmessern dafür, dass die Metallzunge mit dem Daumen leicht erreichbar und bequem zu bedienen ist.
Die Vorstellung der unterschiedlichen Systeme zur Klingenverriegelung verteilt sich auf mehrere Artikel:
Unter dem Tab „Links“ finden Sie alle bereits erschienen Artikel zu technischen Systemen bei Klingenverriegelungen.
Soweit möglich wurden Namen und Bezeichnungen übernommen, die entweder der Erfinder oder der Patentrechtsinhaber gewählt hat. Die Reihenfolge der Vorstellung aller Systeme zur Klingenverriegelung bei Taschenmessern ist willkürlich und steht nicht für qualitative Unterschiede oder eine Wertrangfolge.
- Teil 1: Axis Lock
- Teil 2: Back Lock
- Teil 3: Button Lock
- Teil 4: Collar Lock
- Teil 5: Recoil Lock
- Teil 6: Compression Lock
- Teil 7: Framelock oder Integral Lock
- Teil 8: Linerlock
- Teil 9: Tri-Ad Lock
Das Funktionsprinzip des Linerlock entspricht weitgehend dem Reeve Integral Lock (Framelock), das als Weiterentwicklung des Linerlock angesehen werden kann. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Systemen besteht in der Ausführung der Metallzunge. Beim Framelock ist sie Teil der Griffschale und von außen sichtbar, wohingegen die Metallzunge beim Linerlock beinahe unsichtbar an der Innenseite des Griffs angebracht ist.
Vor- und Nachteile des Linerlock
Bis heute gehört das Linerlock zu den am häufigsten verbauten Verriegelungssystem für Klingen von Taschenmessern. Auffällig ist die große Bandbreite von Messertypen und Qualitätsstufen. Das Linerlock findet sich an handgefertigten Messern aus der obersten Preiskategorie ebenso wie an dubios konstruierten und schlampig justierten Billigmessern.
Diese zweite Gruppe hat das Linerlock bei vielen Messerfans zu Unrecht in Verruf gebracht. Ein aus soliden Materialien präzise gefertigtes Linerlock fällt in Sachen Haltbarkeit, Zuverlässigkeit und Stabilität weder gegenüber dem Framelock noch gegenüber anderen Verriegelungsystemen ab.
Messer mit unzulänglicher Material- und Verarbeitungsqualität lassen sich bei jedem Verriegelungssystem finden. Als Maßstab für die Bewertung der Vor- und Nachteile des Linerlock taugen etwaige Negativbeispiele nicht.
Eine Liste von Herstellern, die aktuell Taschenmesser mit einem Linerlock zur Klingenverriegelung im Angebot haben, wäre nahezu endlos und würde zwangsläufig unvollständig bleiben. Dennoch lassen sich einige Messerhersteller herausheben, die trotz selbst entwickelten Verriegelungssystemen überdurchschnittlich häufig auf das Linerlock zurückgreifen. Die Veteranen Spyderco und CRKT gehören ebenso in diese Gruppe wie Extrema Ratio und Emerson Knives.
Zu den Vorteilen des Linerlock gehört die automatische Verschleißkompensation. Die Klingenwurzel ist im Bereich, in dem Kontakt mit der Verriegelungsstange besteht, mit einer schräg verlaufenden Fase versehen. Sollte sich der Verriegelungsarm an der Kontaktfläche zur Klingenwurzel abnutzen, wandert er ein paar Zehntelmillimeter weiter nach innen. Dadurch kann axiales Spiel der Klinge für einen gewissen Zeitraum verhindert werden.
Hinter dem Vorteil der Verschleißkompensation verbirgt sich jedoch gleichzeitig ein Nachteil, denn die Abnutzung der Verriegelungsstange kann nur in begrenztem Umfang kompensiert werden. Ist der Verschleiß so groß geworden, dass die Verriegelungsstange ganz innen steht, ist keine weitere Justage möglich und das Messer muss zur Reparatur an den Hersteller geschickt werden. Vor allem bei älteren Messermodellen wurden relativ weiche Materialien für die Verriegelungsstange verwendet, sodass die Lebensdauer der Messer begrenzt ist.
Auch hinsichtlich der Ergonomie der Entriegelung liegen Gut und Böse nicht weit auseinander. Bei vielen Messern steht ausreichend Platz zur Verfügung, damit der Daumen die Verriegelungsstange mit wenig Kraftaufwand zur Seite schieben kann. Manchmal ist der Platz jedoch zu gering bemessen und die Entriegelung gerät zum fummeligen Kraftakt. Abgebrochene Fingernägel inklusive.
Unerwünschtes Entriegeln der Klinge kommt bei Messern mit Linerlock nur äußerst selten vor. Zudem ist es relativ unempfindlich gegen Nässe oder leichte Verschmutzung. Zu Recht gilt das Linerlock bis heute als eines der zuverlässigsten Verriegelungssysteme für Taschenmesser.
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Links zum Thema „Klingenverriegelung“
- Knife-Blog Thema: Klingenverriegelungen bei Taschenmessern
- Michael Walker Homepage: Handgemachte Messer
- Doug Ritter: Paul Poehlmann und seine Messer (in Englisch)
- Wikipedia: Michael Walker (in Englisch)
- Knife-Blog Rubrik: Material und Technik