Neues Waffengesetz für Messer
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Waffengesetz für Messer in Deutschland seit 2020

Monatelang wurde die Verschärfung des deutschen Waffengesetzes von der SPD, insbesondere von den Landesverbänden in Niedersachsen und Bremen auf allen politischen Ebenen vorangetrieben. Obwohl Koalitionspartner CDU/ CSU sowie die Oppositionsparteien AfD und FDP gegen eine Gesetzesänderung votierten, bereitet die Regierung nun eine erneute Novellierung des Waffengesetzes vor. Der Hauptteil der Veränderungen wird Jäger und Sportschützen treffen, doch flächendeckende Waffenverbotszonen sollen nun möglich werden. Auch Messerfans werden sich auf neue Verbote und Einschränkungen einrichten müssen.

Stammleser von Knife-Blog haben die Entwicklung des Änderungsantrages zum Waffengesetz vom ersten Tag an miterlebt. Ausgangspunkt war ein Verbotsmodell der SPD, das schließlich in der Bundesratsinitiative von Boris Pistorius gipfelte und dessen Kern mehr oder weniger auf das generelle Verbot für das Tragen von Messern im öffentlichen Raum abzielte.

Daraufhin entstand – zum ersten Mal in Deutschland – eine Protestbewegung innerhalb der Messerszene, an der sich neben den Medien Knife-Blog und Messer Magazin auch viele kleine Händler und Tausende Privatpersonen beteiligten. Die Zahl der an Politiker versandten Protestschreiben erreichte ein gewaltiges Ausmaß und dürfte sich mindestens im mittleren fünfstelligen Bereich bewegt haben.

Zahlreiche Politiker aus Bund und Ländern haben auf unsere Protestschreiben wegen der Verschärfung des Waffengesetzes für Messer geantwortet und versprochen, unzumutbare Regelungen für unbescholtene Bürger verhindern zu wollen. Dazu gehörten insbesondere die Landesregierung von Bayern, aber auch das BMI sowie weite Teile der Linken, der FDP, der Freien Wähler sowie der AfD.

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Update

Alle Änderungen des neuen Waffengesetzes sowie die Auswirkungen auf das Führen von Messern in der Öffentlichkeit und in Waffenverbotszonen lesen Sie im Folgeartikel: Messerverbote und Waffenverbotszonen

Neues Waffengesetz für Messer

Kurz und gut: Schon früh zeichnete sich ab, dass unser Protest von der Politik gehört wurde und viele Antwortschreiben deuteten darauf hin, dass das von der SPD gewünschte Totalverbot nebst den negativen Auswirkungen auf Handel und Wirtschaft keine Chance auf Umsetzung haben würde. Auch die zwangsläufige Kriminalisierung unbescholtener Handwerker und Bürger, die Messer oder Werkzeuge mitführen, lehnten mehr und mehr Politiker nach unseren Protesten ab und versprachen, sich für eine Lösung einzusetzen, die keine solchen Effekte zulässt.

Nun liegt der Gesetzesentwurf auf dem Tisch und wurde am 13.12.2019 vom Bundestag mit den Stimmen der GroKo angenommen. Der Innenausschuss des Bundesrates hatte den Abgeordneten empfohlen, den hier vorgestellten Änderungsantrag zum Waffengesetz anzunehmen. Änderungen oder zusätzliche Verschärfungen sind nun nicht mehr zu erwarten. Am Ende des Artikels findet sich der Wortlaut in voller Länge; unter Links ist der Abruf des Originaldokuments möglich.

Vorab das Wichtigste in Kürze:

Die bisher durch den Paragraf 42a WaffG erlaubten Klingenlängen bleiben bestehen, nur in Waffenverbotszonen gibt es zukünftig stärkere Beschränkungen von Klingenlängen und Bauformen (siehe unten). Die Einstufung von Springmessern mit Klingenlängen bis zu 85 Millimetern als “verbotener Gegenstand” ist vom Tisch.

Den Bundesländern wird ermöglicht, nach freiem Ermessen Waffenverbotszonen einzurichten. Zeitliche oder räumliche Beschränkungen sind nicht vorgegeben und auch der Nachweis erhöhter Kriminalitätszahlen fällt für die Einrichtung von Waffenverbotszonen zukünftig weg (Stichwort: Kriminalitätsschwerpunkt).

Innerhalb von Waffenverbotszonen wird das Führen von Messern und bestimmten Werkzeugen verboten sein, aber es gibt zwei Ausnahmen. Messer mit Klingenlängen bis vier Zentimeter sollen ebenso getragen werden dürfen wie Taschenmesser ohne Klingenverriegelung. Das bedeutet einerseits, dass Slip Joints und Friction Folder zukünftig auch in Waffenverbotszonen legal mitgeführt werden dürfen und andererseits, dass die einzig legalen Messer mit feststehender Klinge in einer Waffenverbotszone Kartonschneider und Teppichmesser sein werden.

Neues Waffengesetz für Messer: Benchmade Balisong Modell 42
Alle Messertypen, die als verbotene Gegenstände gelten, werden auch für die Inhaber von waffenrechtlichen Erlaubnissen verboten bleiben.

Ausgenommen vom Führverbot von Messern in Waffenverbotszonen sind Personen, die ein berechtigtes Interesse zum Führen eines Messers geltend machen können. Der Begriff des „berechtigtes Interesse“ steht seit Langem im §42a WaffG. Bisher waren die möglichen Ausnahmen völlig unkonkret formuliert, sodass sich praktisch kein Bürger auf die Ausnahme wegen eines “berechtigten Interesses” berufen konnte. Es oblag allein dem guten Willen des kontrollierenden Polizeibeamten, ob er ein „berechtigtes Interesse“ anerkennen wollte oder nicht.

Hier das Positive: Zum ersten Mal in der Geschichte des bundesdeutschen Waffenrechts wird das „berechtigte Interesse“ konkret und rechtssicher formuliert. Dabei werden vor allem Gewerbetreibende und Anwohner von Waffenverbotszonen vor unverhältnismäßigen Härten geschützt. Auch der rechtschaffene Bürger soll zukünftig nichts zu befürchten haben, denn jede waffenrechtliche Erlaubnis soll dazu führen, dass Messer nicht nur legal durch Waffenverbotszonen transportiert werden, sondern dort sogar zugriffsbereit getragen werden dürfen.

Ausnahmen vom Führverbot

Im Einzelnen sollen folgende sechs Ausnahmen vom Führ- und Transportverbot von Messern in Waffenverbotszonen gelten. Im Gesetzentwurf heißt es:

In der Rechtsverordnung nach Satz 1 ist eine Ausnahme vom Verbot oder von der Beschränkung für Fälle vorzusehen, in denen für das Führen der Waffe oder des Messers ein berechtigtes Interesse vorliegt. Ein berechtigtes Interesse liegt insbesondere vor bei

  1. Inhabern waffenrechtlicher Erlaubnisse,
  2. Anwohnern, Anliegern und dem Anlieferverkehr,
  3. Gewerbetreibenden und bei ihren Beschäftigten oder bei von den Gewerbetreibenden Beauftragten, die Messer im Zusammenhang mit ihrer Berufsausübung führen,
  4. Personen, die Messer im Zusammenhang mit der Brauchtumspflege oder der Ausübung des Sports führen
  5. Personen, die eine Waffe oder ein Messer nicht zugriffsbereit von einem Ort zu anderen befördern, und
  6. Personen, die eine Waffe oder ein Messer mit Zustimmung eines anderen in dessen Hausrechtsbereich nach Satz 1, Nummer 2 führen, wenn das Führen dem Zweck des Aufenthalts in dem Hausrechtsbereich dient oder im Zusammenhang damit steht.

(Originaltext aus der Drucksache 19/15875)

Wer darf zukünftig Messer führen?

Alle Inhaber von Waffenscheinen, Waffenbesitzkarten oder kleinen Waffenscheinen dürfen §42a WaffG konforme Messer zukünftig im öffentlichen Raum und allen Waffenverbotszonen führen. Ob die Ausnahme für diese Gruppe von Berechtigten auch für Einhandmesser und Klingenlängen oberhalb von 12 Zentimetern gelten wird, ist derzeit noch nicht absehbar. Ausgeschlossen ist eine solche Auslegung nicht.

Die Begründung wäre einleuchtend: Wer mit einem zwölf Zentimeter Messer keine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellt, ist auch keine Gefahr, wenn die Klinge seines Messers vierzehn Zentimeter lang ist. Analog kann man unterschiedliche Öffnungsmechanismen und Verriegelungssysteme betrachten.

Die Rechtssicherheit für Anwohner, Gewerbetreibende und deren Angestellte war eine Kernforderung unserer Proteste und soll nun im Gesetz verankert werden.

Kein Bauarbeiter oder Servicetechniker soll zukünftig befürchten müssen, wegen eines benötigten Werkzeugs in Konflikt mit dem Gesetz zu geraten.

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Ausnahmen für Brauchtumspflege und Sport sind bereits im bestehenden Waffengesetz formuliert und werden nach der Verabschiedung dieses Änderungsantrages genauso nebulös bleiben wie zuvor.

Auch wer keine waffenrechtliche Erlaubnis besitzt, soll zukünftig Messer legal durch den öffentlichen Raum und Waffenverbotszonen transportieren dürfen, sofern das Messer oder Werkzeug während des Transports „nicht zugriffsbereit“ ist. In der Vergangenheit bedeutete diese Formulierung, dass der Transport in einem abgeschlossenen oder zumindest verschlossenen Behältnis erfolgen muss.

Wie erfolgreich war der Protest der Messerszene?

Wenn der Bundestag beschließt, was im vorliegenden Änderungsantrag zum Waffengesetz steht, können wir mehr als zufrieden sein. Alle Kernpunkte unseres Protests wurden berücksichtigt und die Totalverbotsfantasien von SPD und Grünen wären auf absehbare Zeit vom Tisch.

Die Kopplung der Erlaubnis ein Messer zu führen an das Vorhandensein einer waffenrechtlichen Erlaubnis ist der Königsweg, rechtschaffene Bürger von Straftätern und Gefährdern zu unterscheiden. Letztere haben keine Chance, eine Waffenbesitzkarte oder einen kleinen Waffenschein zu erhalten. Damit kann die Polizei bei Kontrollen mit einem Blick auf das amtliche Dokument feststellen, ob die kontrollierte Person berechtigt ist oder nicht. Langwierige Diskussionen, ob ein berechtigtes Interesse vorliegt, sollten damit ebenso der Vergangenheit angehören wie das Rätselraten hinsichtlich Klingenlängen und Verriegelungssystemen.

Danke an alle Aktiven!

Aus der Sicht eines unbescholtenen Messerbesitzers steckt im “Weihnachtsgeschenk” der Bundesregierung tatsächlich viel Gutes. Endlich gibt es ein konkret formuliertes „berechtigtes Interesse“ und weitgehende Ausnahmen für Handwerker und rechtschaffene Bürger! Mitglieder der Personengruppen, die in der jüngsten Vergangenheit durch grausame Gewalttaten das öffentliche Leben in Deutschland erschüttert haben, können sich keine Hoffnung machen, ein “berechtigtes Interesse” zum Führen eines Messers geltend machen zu können.

An dieser Stelle möchte ich allen Messerfans, die Zeit, Geld und Nerven in den Protest investiert haben, herzlich für ihr Engagement danken. Wir konnten nachweisen, dass fundierte Argumente und sachlich vorgetragener Protest nicht nutzlos sind.

Der Erfolg hat bekanntlich viele Väter und an dieser Stelle sage ich heute schon voraus, dass genau die Personen den Erfolg für sich beanspruchen werden, die am wenigsten für das Zustande kommen der Ausnahmeregelungen getan haben. Es werden jene Messerfans, Großhändler und Verbände sein, die lange geschwiegen haben und sich untätig und arrogant hinter wohlfeilen Ausreden versteckt haben.

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Chronologie zur Verschärfung des Waffengesetzes für Messer

Alle Artikel, die sich mit der von Bund und Ländern geplanten Verschärfung des Waffengesetzes für Messer befassen, in chronologischer Reihenfolge.

13.12.2019 – Neues Waffengesetz für Messer verabschiedet
04.11.2019 – Zwischenstand Verschärfung Waffengesetz für Messer
27.06.2019 – Protest gegen Waffenverbotszonen
14.06.2019 – Beschluss der 210. Innenministerkonferenz
05.06.2019 – CDU will großflächige Waffenverbotszonen durchsetzen
04.06.2019 – Verschärfung des Waffengesetzes gescheitert – vorerst …
24.05.2019 – Der Protest geht weiter!
23.05.2019 – Unser Protest – Reaktionen der Parteien
18.05.2019 – Endspurt gegen die Waffengesetzänderung
14.05.2019 – Widerstand!
09.05.2019 – Bundesratsinitiative zur Verschärfung des Waffenrechts für Messer
19.04.2019 – Musterbrief gegen Verschärfung des Waffenrechts
17.04.2019 – Meinungsverbotszone Facebook
04.04.2019 – Neues Waffengesetz in Vorbereitung
19.01.2019 – Berliner Gericht kippt Waffenverbotszonen
16.03.2018 – Mit geballter Faust: SPD fordert Kriminalstatistik für Messer